AfD Das Ende der Ökonomen-Partei

Die „Alternative für Deutschland“ rückt nach rechts. Frauke Petry ersetzt Bernd Lucke an der Parteispitze. Wirtschaftliche Themen spielen künftig nur eine untergeordnete Rolle.

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Diese Politiker haben Ahnung von Geld und Finanzen
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Platz 6: Wolfgang Kubicki (FDP) Der FDP-Politiker taucht zum ersten Mal im Ranking auf. Er wird von 33 Prozent der Befragten als kompetent angesehen. Quelle: dpa
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Die Ökonomen-Partei ist Geschichte. Die „Alternative für Deutschland“ ist einst angetreten für eine Politik basierend auf „ökonomischer Vernunft“; sie wollte die Stimme erheben gegen die Energiewende und Frauenquote, gegen den Mindestlohn und den Euro. Diese Ziele sind im parteiinternen Streit unter die Räder gekommen – und sie werden künftig (Ausnahme: die Euro-Frage) keine Rolle mehr spielen. Das ist das zentrale Ergebnis des Bundesparteitags der AfD in Essen.

Die Wahl der sächsischen AfD-Fraktionsvorsitzende Frauke Petry zur Bundesvorsitzenden mit 60 Prozent der Stimmen – und der Abschied des bisherigen AfD-Frontmanns Bernd Lucke (38 Prozent der Stimmen) aus dem Rampenlicht, vielleicht gar aus der Partei – ändert nicht nur das Gesicht der Partei, sondern auch den Kurs. Die „Alternative für Deutschland“ rückt nach rechts.

Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?

Ein Vorgeschmack auf die künftige Ausrichtung lieferte Frauke Petry in ihrer zentralen Rede auf dem Parteitag. Die Chemikerin betonte, die AfD müsse „politisches Rückgrat“ beweisen und Themen „deutlich bedienen“. Der Islam etwa „vertrete ein Staatsverständnis, das uns fremd ist“. Die Pegida-Demonstranten hätte die AfD mehr unterstützen müssen. Denn: „Das sind die Menschen, für die wir primär Politik machen“.

Die Partei müsse sich „zwangsläufig“ mit allen politisch aktuellen Themen beschäftigen, betonte die Unternehmerin Petry, die es aber vermisste, wirtschaftliche Themen anzureißen. Das scheint in der AfD nicht mehr en vogue zu sein. Vielmehr will der rechte Flügel der Partei, dem neben Petry vor allem der brandenburgische Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland, der thüringische Fraktionsvorsitzende Björn Hocke und NRW-Mann Marcus Pretzell angehören, die Bundesrepublik gesellschaftlich verändern.

Das ist Frauke Petry

Es soll Schluss sein mit der „rot-grünen Bevormundung“ (Pretzell) und mit der Freizügigkeit von  Rumänen und Bulgaren in Europa. Pretzell wünscht sich mehr „Systemkritik“ und eine Förderung der „klassischen Familie“. So könne die AfD zu einer mittelgroßen Volkspartei anwachsen; „Die AfD hat ihre großen Sternstunden noch vor sich“, glaubt Pretzell.

Kritiker fürchtet, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Liberale Parteimitglieder drohen in Scharen, die Partei nach dem Bundesparteitag zu verlassen. „Mein Schreiben zum Parteiaustritt liegt schon zu Hause unterschriftsreif bereit“, bekannte ein AfD-Mitglied der ersten Stunde im Hintergrundgespräch mit WirtschaftsWoche Online in Essen. Er sei 2013 in die Partei eingetreten, um den „ökonomischen Irrkurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel“ entgegenzutreten. „Aber ich habe unterschätzt, wie groß das nationalkonservative Lager in Deutschland ist – und mit welcher Macht es uns überrannt hat“. Deren Politik könne er nicht mittragen.

Petrys schwierige Mission

Spannend wird sein, wie sich Frauke Petry in ihrer neuen Aufgabe verhalten wird. Die 40-Jährige steht für eine strengere Bekämpfung der Kriminalität, will Grenzkontrollen wieder einführen und würde gerne mehr deutsche Lieder im Radio hören, bekannte sie eins im Interview mit WirtschaftsWoche Online. Auf kritische Nachfragen zu diesem Punkt reagiert sie professionell; sie erläuterte ihre Haltung, wog ab und schränkte ein: „Ich selbst singe im Chor und bin Organistin. Und da ist mir „Happy Birthday“ als Geburtstagslied einfach zu flach“.

Petry, die Englisch und Französisch spricht, ist keine Fundamentalistin. Vielmehr ist sie  intelligent und umtriebig, Weggefährte nennen sie „extrem ehrgeizig“. Tatsächlich war den meisten AfD-Anhängern bekannt, dass sie nach Höherem strebe. Kritiker werfen ihr einen „gewissen Opportunismus“ vor; sie tue das, was ihr möglichst viel Gewinn bringe. Das Bündnis mit den nationalkonservativen Haudegen Gauland und Höcke etwa, deren inhaltlichen Kurs Petry nicht vorbehaltlos folgt. Doch Petry weiß, dass nur ein starkes Ostbündnis ihr die Macht sichern kann. Petry würde „lügen, ohne rot zu werden“, beschwerte sich Lucke einst über seine parteiinterne Gegnerin in einer E-Mail an Verbündete.

Das Problem: Petry macht sich abhängig. Die Rechten in der Partei werden sie nach Außen drängen. Ansonsten droht der Sturz. Lucke mahnte Petry einst: Man könne nicht gleichzeitig scharfmachen und versöhnen. In entsprechenden Foren der AfD wird offen darüber diskutiert, dass die Petry-Wahl in Essen nur „ein erster Schritt“ sei. Dauerhaft wolle man mit Petry nicht zusammenarbeiten, da sie zu liberal sei.

Wichtig wird auch, wie sich die Junge Alternative, die inoffizielle Jugendorganisation der AfD, einst eine Gruppe Liberalkonservativer, verhält. Die JA wurde von Nationalisten unterwandert und schlägt nun harrsche Töne an. Der NRW-Vorsitzende Marcus Pretzell, oft und gern gesehener Gast bei den jungen AfD-Anhängern, könnte hier vermitteln.

Kurzum: Der Richtungsstreit in der „Alternative für Deutschland“ ist vorerst entschieden.  Die Partei rückt nach rechts. Die Frage ist nur: wie weit. Für viele Konservative, die sich durch die Bundesregierung, nicht mehr vertreten fühlen, dürfte die AfD allerdings keine Option mehr sein. Dafür fehlt der Partei nun die wirtschaftliche Kompetenz – und per se das Interesse an wirtschaftlichen Themen.

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