AfD-Debatte „Braune Dämonen zurück in die Flasche zwängen“

Trotz AfD-Erfolg will Merkel den CDU-Kurs beibehalten. Andere Christdemokraten fordern einen Strategiewechsel. Der Handlungsdruck ist groß, zumal auch aus der jüdischen Gemeinde der Ruf nach einer Reaktion lauter wird.

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Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD): Anti-AfD-Strategie verzweifelt gesucht. Quelle: dpa

Berlin Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat die Politik aufgefordert, die Bundesbürger besser über die politischen Absichten der Alternative für Deutschland (AfD) aufzuklären. Die etablierten Parteien sollten „den Patriotismus in die eigenen Hände nehmen und zwar in einer werteorientierten, aufgeklärten, geschichtsbewussten Form“, sagte Knobloch dem Handelsblatt.

„Vor allem müssen sie die Bürger, die sich von den Parolen der AfD angezogen fühlen, gezielt ansprechen und aufzeigen, dass hinter den Parolen vielfach gefährliche und bis dato unabsehbare Interessen, Absichten und auch Personen stehen, die rechtsextreme Tendenzen in unserem Land wieder salonfähig machen.“ Knobloch: „Ich erwarte von allen demokratischen Kräften die braunen Dämonen, die aktuell durch unser Land geistern, zurück in die Flasche zu zwängen.“

In der CDU ist indes eine Debatte darüber entbrannt, wie auf die Erfolge der AfD reagiert werden soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt einer Kurskorrektur ihrer Partei ab. Stattdessen plädierte sie für eine sachliche Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten. Sie glaube, „dass wir genug gute Argumente haben, uns mit anderen Meinungen – auch denen der AfD – auseinanderzusetzen“, sagte Merkel. „Und zwar ohne jeden Schaum vor dem Mund und ohne Pauschalurteile.“ Man müsse den Menschen Schritt für Schritt sagen, „was wollen wir“. Ihre Überzeugung sei es, Europa zu stärken. „Es gibt keinerlei neue Strategie“, betonte die Parteichefin.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mahnte dagegen ein schärferes konservatives Profil der Christdemokraten an. „Wir sind inhaltlich und personell viel zu schmal geworden. Wir müssen wieder breiter werden, um den rechten demokratischen Rand für uns zu reklamieren“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. „Die Philosophie, die CDU solle sich ausschließlich auf die Mitte konzentrieren, muss durchdacht werden.“

Haseloff grenzt sich damit von CDU-Chefin Merkel ab. Einen reinen Kurs der politischen Mitte lehnt er ab. „Nein, wir müssen auch das rechte politische Spektrum abdecken und Protestwähler für uns zurückgewinnen.“ In Sachsen-Anhalt hatte die rechtspopulistische AfD bei der Landtagswahl 24 Prozent der Stimmen bekommen.

Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach plädierte für einen Kurswechsel seiner Partei. Bosbach sagte der „Saarbrücker Zeitung“, die bisherige Strategie, die AfD zu ignorieren oder auf keinen Fall mit ihr zu diskutieren, „war, zurückhaltend formuliert, nicht sehr erfolgreich“. Deshalb sei ein Strategiewechsel richtig.


„Wankend am Rande  des Grundgesetzes“

Bosbach ist auch Mitglied des Berliner Kreises in der Union, der innerhalb der CDU die konservativen Werte wieder stärker in den Vordergrund rücken will. Er betonte weiter: „Es ist falsch, die AfD auszugrenzen, das verleiht ihr nur eine Art Märtyrerstatus und verschafft eher zusätzliche Sympathien.“ Auch sei es falsch, „deren Wähler zu beschimpfen. So gewinnt man sie garantiert nicht für die politische Mitte zurück“. Stattdessen müsse die AfD jetzt politisch-inhaltlich gestellt werden. „Nur so wird deutlich, dass sie zwar Probleme beschreibt, aber keinerlei Kompetenz zur Problemlösung hat.“

Aus Knoblochs Sicht hat sich die AfD zum politischen Arm der Pegida-Bewegung entwickelt. „Die aktuellen Umfragen sind Menetekel für eine verheerende Tendenz“, sagte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden. „Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik etabliert sich eine rechtsradikale Kraft in nennenswerter Dimension in deutschen Parlamenten.

Zurückhaltend äußerte sich Knobloch zum neuen AfD-Parteiprogramm. Zwar habe damit „ein letzter Rest gemäßigten Anscheins“ gewahrt werden können. Wie glaubhaft dieser Schein sei, müsse sich aber erst zeigen. „Die extremistischen Stimmen und Stimmungen sind jedenfalls unverkennbar. Nicht nur in den Beschlüssen, die abgelehnt wurden, sondern auch in einigen, die man mit großer Mehrheit verabschiedet hat“, betonte Knobloch. Die „knappe und halbherzige Distanzierung“ vom rechtsradikalen Saar-Verband sei hierfür symptomatisch. „Die Partei laviert zwischen Konservatismus und Reaktionärität, zwischen völkisch-rassistischem Nationalismus und der Betonung demokratischer Werte.“

Knobloch ist überzeugt, dass sich die AfD „wankend am Rande  des Grundgesetzes“ bewege. „Die vorgesehenen Einschnitte sind erheblich und bedenklich“, fügte sie mit Blick auf die Forderung der AfD hinzu, Praktiken aus dem Judentum und dem Islam zu verbieten. „Jedenfalls zeugt das Programm von grundsätzlicher Freiheitsfeindlichkeit und gruppenbezogener Intoleranz. Beides sind Tendenzen, die wir dachten überwunden zu haben“, so Knobloch.

Die AfD hatte am Wochenende ihr erstes Parteiprogramm beschlossen. Darin legt sich die Partei auf klaren Anti-Islam-Kurs fest. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, heißt es in dem Grundsatzprogramm. Die Partei bekennt sich darin auch zur traditionellen Familie aus Vater, Mutter und Kindern als „Keimzelle der Gesellschaft“.


Rechte AfD-Politiker wollen Parteiprogramm nachbessern

Einzelne Positionen haben auch innerhalb der AfD teilweise heftige Reaktionen ausgelöst. Die Positionen etwa zum Islam, zur Familie oder zur Umwelt sind nach Ansicht von Hamburgs AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse teils albern, töricht oder gar peinlich, wie er in der Zeitung „Die Welt“ deutlich machte. Die Partei verlassen will Kruse jedoch nicht: Er fühle sich dem Wähler verpflichtet.

Alles, was im neuen Programm über Familie und Kinder stehe, „finde ich unsäglich und vorgestrig und frauenfeindlich. Und ich schäme mich dafür“, sagte der frühere Wirtschaftsprofessor. Etwa die Behauptung, dass man keine Zuwanderung bräuchte, wenn Deutsche mehr Kinder bekämen. „Dieser Unsinn ist mir zum Teil wirklich peinlich.“

Anders als die Bundespartei ist Kruse auch gegen ein Minarett-Verbot. „Ich denke nur, dass sie nicht die Gegend dominieren sollten, es ist also eine Frage der Höhe.“ Überhaupt sei der Islam als Religion „in Ordnung“, sagte er. Ein Problem sei er als politisch totalitäre Ideologie. In Deutschland gelte das Grundgesetz. „Und wenn Muslime finden, dass sie das nicht akzeptieren wollen, müssen sie sich einen anderen Staat suchen.“

Dem rechten Parteiflügel geht das beschlossene Programm nicht weit genug. „Wir werden nachbessern müssen“, heißt es in einer via Facebook verbreiteten Mitteilung der „Patriotischen Plattform“. Vorstandssprecher der Gruppierung  ist Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Der Parteitag von Stuttgart habe eine „Programmbaustelle hinterlassen, die uns (…) weiterhin beschäftigen wird“, heißt es in der Mitteilung. Die Mitgliederversammlung habe „aufgrund der manipulativen Moderation von Teilen des Bundesvorstands und einigen Vertretern der Programmkommission bisweilen an eine gelenkte Parteiendemokratie“ erinnert, kritisierte die Plattform. „Das berechtige Anliegen der Führung, aus der Flut der Anträge das Relevante auszuwählen, wurde genutzt, um Anträge zu unterdrücken, die zwar in höchstem Maße relevant gewesen wären, aber einer auf künftige Regierungskompromisse bedachten Politik widersprachen.“ Von einer „objektiven Gewichtung und Bewertung der Anträge nach ihrer Relevanz und Tragweite“ könne daher keine Rede sein.

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