AfD Populisten aufgepasst: In fünf Schritten zur Volkspartei

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Der „orthodoxe Islam“

Zweitens: Der Inhalt des Satzes selbst ist extrem langweilig, wenn nicht gar völlig inhaltslos. Dafür muss man ihn nur ein bisschen auseinander nehmen. Um wen geht es ihr? Den „Islam an sich“. Was soll das sein? Im Programmentwurf kommt diese Formulierung nicht vor, dafür aber: Der „orthodoxe Islam“. Und was weiß die AfD über den? Diese Spielart des Islams zeichnet sich dadurch aus, dass sie „unsere Rechtsordnung nicht respektiert und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt“. Mit anderen Worten: Wer es mit diesem AfD-Islam hält, der hält nichts von der Verfassung. Man könnte also sagen: der verfassungsfeindliche Islam.  Wenn man nun diese Formulierung in von Storchs Zitat einbaut, erkennt man die ganze tautologische Brillanz: „Der verfassungsfeindliche Islam ist eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.“ Genial!

Schritt drei: Jetzt kommen Politiker und Medien ins Spiel. Da sich dich der Radikalität überführen wollen, stürzen deine politischen Gegner sich auf die Maximalinterpretation. Viele Medien werden zudem versuchen, innerparteiliche Kritiker zu finden und so die Spaltung der Partei heraufbeschwören. Sie werden den ein oder anderen finden, der Dinge sagt  wie jetzt Uwe Junge aus Rheinland-Pfalz: „Ich denke nicht, dass sich die Äußerung in dieser Einfachheit halten lassen wird.“ Du wartest erstmal ab.

Schritt vier: Spätestens wenn man dich zum Verfassungsfeind macht, musst du eingreifen. Schließlich bist du kein Populist, sondern der letzte Hüter der Verfassung. Also: Alles völlig falsch interpretiert worden. Oder, um es in den Worten des niedersächsischen AfD-Chefs Armin-Paul Hampel zu sagen: „Ich sehe da nichts Neues. Die Punkte, die in den Medien aufgegriffen wurden, sind auch früher schon thematisiert worden.“

Schritt fünf: Entspann dich und genieß es, den Rest lässt du das Fußvolk machen. Denn jetzt, wo die Geschichte in der Welt ist, werden die Medien sie auch nicht sofort wieder loslassen. Und so teilt sich die Kommunikation in zwei Ebenen auf: Die klassischen Leitmedien werden sich nun daran abarbeiten, die Islamfeindlichkeit deiner Partei nachzuweisen. Deine Anhänger hast du derweil auf eine andere Lesart gebracht: Typisch Lügenpresse, die wollen uns mal wieder in die rechte Ecke stellen.

Fazit: Am Ende gewinnt der Populist mit dieser Taktik auf allen Ebenen – solange Gegner und Medien das Spiel mitmachen. Die Aufmerksamkeit ist gigantisch. Hauptmeldung in der Tagesschau! Mit einer politischen Forderung! Was würde die FDP dafür wohl alles tun.

Auch die Mobilisierung ist maximal. Mit der bewusst missverständlichen Aussage gibt man auch den Radikalen in der eigenen Anhängerschaft Zucker – ohne zugleich die Gemäßigten zu verlieren. Mit der provozierten Überinterpretation und dem späteren Widerspruch schweißt man dann all die Fans zusammen, die von der Ablehnung durch das Establishments leben. Solange die AfD ausgegrenzt wird, muss man sie erst recht wählen. Solange sie die Grenzen der Verfassung nicht überschreitet, ist diese Ausgrenzung deshalb der größte Gefallen, den man der Partei tun kann.

Die Bild-Zeitung veröffentlichte heute eine neue Meinungsumfrage, die AfD käme demnach auf 13,5 Prozent der Stimmen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre.

Auf europäischer Ebene war es das für die AfD: Der Rauswurf von Marcus Pretzell durch die britischen Konservativen war der letzte Akt der Zertrümmerung der Partei im Europaparlament.
von Ferdinand Knauß
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