AfD-Eklat bei Muslimen „Mimosen für Deutschland“

Die Positionen liegen weit auseinander, und dennoch versucht man eine Annäherung. Doch das Gespräch zwischen der AfD und dem Zentralrat der Muslime endet im Eklat. SPD und Grüne machen Petry & Co. dafür verantwortlich.

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Frauke Petry: Nach dem Treffen mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland erklärt die AfD-Vorsitzende, wie es zu dem Gesprächsabbruch kam. Quelle: dpa

Berlin Nach dem Eklat zwischen dem Zentralrat der Muslime in Deutschland und der AfD sehen sich die politischen Gegner in ihrer kritischen Haltung zu der rechtspopulistischen Partei bestätigt. Parteiübergreifend wurde die Alternative für Deutschland (AfD) für das Scheitern des Gesprächs verantwortlich gemacht.

„Wir haben das Gespräch nach einer knappen Stunde beendet“, sagte AfD-Chefin Frauke Petry nach dem Abbruch der Aussprache über die Haltung zum Islam in einem Berliner Hotel. Der Zentralrat habe die Rücknahme von Teilen des Parteiprogramms verlangt und „Vergleiche, die in die Nähe des Dritten Reiches führen“ nicht zurückgenommen. Der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek erklärte dagegen, die AfD-Spitze sei nicht bereit gewesen, auf die umstrittenen Punkte in ihrem Parteiprogramm einzugehen.

Mazyek hatte die AfD-Spitze zu einem Gespräch aufgefordert, um über deren ablehnende Haltung zum Islam zu sprechen. Bei ihrem Parteitag Anfang Mai hatten die Rechtspopulisten ihr erstes Parteiprogramm beschlossen, in dem es heißt „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ und in dem eine Reihe von Einschränkungen für Muslime wie das Verbot von Minaretten gefordert werden. Petry hatte dem Gesprächswunsch Mazyeks entsprochen, allerdings am Wochenende den Ton verschärft, indem sie in einem Interview erklärte, auch Probleme mit dem Tragen von Kopftüchern zu haben.

SPD und Grüne griffen die AfD-Spitze scharf an. „Wen wundert es eigentlich, wenn zwischen den Rechtspopulisten von der AfD und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland kein vernünftiges Gespräch zustande kommt? Niemand!“, sagte der SPD-Bundesvize Ralf Stegner dem Handelsblatt. „Die Rechtspopulisten sind Angstmacher und haben für alles einen Sündenbock, aber für nichts eine Lösung.“ Nichts, wofür die AfD eintrete, sei für „normale“ Bürger gut oder erstrebenswert.

Stegner warf der AfD vor, die Verfassung zu missachten. „Die Grundwerte unseres Grundgesetzes wie Meinungs- und Religionsfreiheit sind diesen Propagandisten der Intoleranz völlig egal“, sagte er. „Deshalb kann es nur eine Schlussfolgerung für anständige Menschen geben: Diese Partei von vorgestern darf keinerlei politischen Einfluss in Deutschland bekommen. Mit den Gegnern unserer Werte kann es keinerlei Gemeinsamkeiten geben - sie stoßen auf den entschiedenen Widerstand aller Demokraten.“

Der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wertete den Eklat als weiteren Beleg für die Politikunfähigkeit der AfD, wie er bei Twitter schrieb.

„Mimosen für Deutschland. #AfD kommt mit Kritik nicht klar. Peinlicher Abbruch des Gesprächs mit dem Zentralrat der Muslime“, spottete der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, bei Twitter.

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stellte sich bei Twitter auf die Seite der Muslime: „Die #AfD macht sich mal wieder zum Opfer. Gesprächsabbruch statt Dialog. Inszenierung statt Demokratie.“


„AfD-Programm erinnert an dunkelste Zeiten unserer alten Geschichte“

„Peinliche Nummer. Und so durchschaubar“, kommentierte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, den Gesprächsabbruch durch die AfD bei Twitter. Und: „Ich hab mich mal sechs Stunden mit @aimanMazyek unterhalten. Sehr angenehm und informativ.“

Janeceks Fraktionskollege Omid Nouripour griff die AfD-Bundesvorsitzende an. „Petry versucht, innere Zerrissenheit der #AfD auf Kosten von Minderheiten zu überdecken. Schlechte Inszenierung“, schrieb der Außenpolitiker bei Twitter. Und der Vorsitzende der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer, ergänzte via Twitter:  „#‎Integration ist, wenn Generalsekretär d. Zentralrats d. Muslime der AfD mitteilt, das Grundgesetz sei „nicht verhandelbar“.“

Der Chef des Muslimen-Rats bekräftigte nach dem Gesprächsabbruch, die AfD verstoße gegen das Grundgesetz, wenn sie etwa Muslimen vorschreiben wolle, wie sie Moscheen zu bauen hätten oder das Schächten verbieten wollten. „Und dass vor allen Dingen durch den Duktus, der Islam gehört nicht zu Deutschland, klargemacht wird, dass man den Weg des Populismus und der Diffamierung und auch vor allem der Vorurteile weitergehen will“, sagte Mazyek. Das AfD-Programm erinnere „an die dunkelsten Zeiten unserer alten Geschichte“, fügte der Zentralrats-Chef hinzu, der einen vergleichbar kleinen Teil der in Deutschland lebenden Muslime vertritt.

Die Aufforderung zur Rücknahme von Teilen des Parteiprogramms habe sie schockiert, erklärte Petry. Sie bekräftigte die Einschätzung ihrer Partei, nach der „ein großer Anteil der in Europa lebenden Muslime und damit auch der in Deutschland lebenden Muslime im Ernstfall die Scharia stärker gewichtet als das Grundgesetz“. Dies sei eine Bedrohung für die Demokratie.


AfD-Hardliner stellen sich gegen Parteispitze

Die AfD erlebt seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise einen Aufschwung in Wahlen und Umfragen. Zuletzt konnte die Partei im März in drei Landtage mit zweistelligen Ergebnissen einziehen. Im Wahlkampf warnte die Partei vor dem Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge, die überwiegend Muslime seien.

Mazyek kündigte eine Initiative zur Wahrung des Friedens zwischen den Religionen unter dem Motto „Allianz der Toleranz“ an. Man wolle auch diejenigen AfD-Mitglieder erreichen, die sich zu den Werten des Grundgesetzes bekennen würden. Alle Demokraten seien in der Verantwortung, deutlich Position zu zeigen.

Für Petry könnte die verpatzte Aussprache mit den Muslimen noch ein innerparteiliches Nachspiel haben. Hardliner der „Patriotischen Plattform“ meldeten sich bereits zu Wort und stellten sich gegen einen Vorstandsbeschluss, der es Parteimitgliedern verbietet, bei Veranstaltungen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung aufzutreten. „Sich bei den Islamverbänden die Klinke in die Hand geben, aber Auftritte von AfD-Politikern bei Pegida untersagen ist das falsche Signal.“

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