AfD-Flüchtlingspolitik Deutsche Wirtschaft warnt vor Rechtspopulisten

In der Flüchtlingskrise plädiert die AfD für Abschottung, in der Europapolitik für eine Auflösung der Euro-Zone. Bei Wählern kommt das an. Wirtschaftsvertreter sehen dagegen große Gefahren für den Standort Deutschland.

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Umstrittene Wirtschaftspolitik: Frauke Petry und Jörg Meuthen, die beiden Parteivorsitzenden der AfD. Quelle: dpa

Berlin In wirtschaftspolitischen Fragen hat Frauke Petry innerhalb der AfD eigentlich immer eine Nebenrolle gespielt. Bernd Lucke gab stets den Ton an – bis der Wirtschaftsprofessor im vergangenen Sommer die Alternative für Deutschland im Streit mit seiner Mitvorsitzenden Petry verließ. Ohne wirtschaftspolitischen Flügel schien die AfD am Ende. Inzwischen ist sie in Umfragen drittstärkste Kraft im Bund. Die Flüchtlingskrise hat die Partei wieder nach oben gespült - und damit auch ihre radikale Wirtschaftspolitik.

Selbst in der Flüchtlingskrise vertritt die Partei Positionen, die den Standort Deutschland beeinträchtigen könnten. So torpediert die AfD den freien Handel in Europa mit ihrer Forderung, den Flüchtlingszustrom mit dauerhaften Pass- und Zollkontrollen an den Binnengrenzen zu anderen EU-Ländern zu drosseln. Damit würde das Schengener Abkommen de facto aufgekündigt, was wiederum den EU-Binnenmarkt und die deutsche Wirtschaft hart treffen könnte.

Petry, die derzeit schon wegen ihrer Äußerung, Flüchtlinge müssten notfalls mit Waffengewalt am illegalen Grenzübertritt gehindert werden, von allen Seiten unter Beschuss steht, sieht das allerdings anders. Das Erfolgsrezept des europäischen Binnenmarkts beruhe auf einer Zollunion, sagt sie im Gespräch mit dem Handelsblatt, und nicht primär darauf, dass die Grenzen seit Inkrafttreten des Schengen-Raumes unkontrolliert seien. Um jedoch die Migrationskrise bewältigen zu können, müssten die Mitgliedsstaaten der EU „zur Aufrechterhaltung des Rechtsstaates Grenzkontrollen wiedereinführen“.

Die AfD-Chefin räumt zwar ein, dass diese Maßnahme zu verlängerten Transportzeiten führen könne, der europaweite Handel werde aber dadurch letztlich nicht behindert, fügte sie hinzu. „Wohlstand entsteht sowohl durch regen Handel, aber ebenso durch stabile und rechtsstaatliche Standortbedingungen“, betont Petry. „Wenn unsere Gesellschaft an Wertezerfall, inneren Widersprüchen und mangelnder Freiheit zerbricht, kann es auch keinen freien Handel mehr geben.“

Auch Jörg Meuthen, Co-Bundeschef der AfD und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im am 13. März, ist bewusst, dass die Wiedereinführung von Grenzkontrollen de facto zu höheren Kosten führe, auch im Handel von Gütern. „Dies ist jedoch in der entstandenen Lage unvermeidbar, denn die enormen Kosten der Inkaufnahme einer weiterhin ungebremsten und ungesteuerten Zuwanderung von Migranten überstiegen die Kosten der Grenzkontrollen bei weitem“, sagt der Wirtschaftsprofessor dem Handelsblatt.

Der Präsident des deutschen Außenhandelsverbands, Anton F. Börner, hält solche Ansichten jedoch für hochgefährlich für die deutsche Wirtschaft. Genauso wie andere wirtschaftspolitische Überzeugungen der AfD, etwa ihre Eurofeindlichkeit und ihre Ablehnung des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP). „Nach wie vor sind offene Märkte in der Welt und insbesondere in Europa existenziell für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Der von der AfD propagierte Rückzug aus der Euro-Zone und die damit verbundene Destabilisierung der gesamten Europäischen Union ist daher der völlig falsche Weg“, sagte Börner, dem Handelsblatt. „Unser Fundament ist die wirtschaftliche Stabilität der Euro-Zone, Tendenzen von Nationalismus und politischer Abschottung führen unserer Ansicht nach zu Instabilität.“


„AfD verfolgt ein Programm zur Wohlstandsvernichtung“

Börner sieht zudem in der sozialen Marktwirtschaft und in einer liberalen Handelspolitik den Kern des soliden wirtschaftlichen Wachstums in Deutschland. „Für die Sicherung des Wohlstandes in Europa und Deutschland brauchen wir aber möglichst offene Märkte“, betonte er. Dies gelte insbesondere für unseren größten Handelspartner, die Vereinigten Staaten. „Daher zeigt auch die populistische Ablehnung des geplanten europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommens TTIP, dass der AfD billig erlangte Wählerstimmen wichtiger sind als die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes.“ Der BGA, so Börner, sehe „in protektionistischen und globalisierungsfeindlichen Tendenzen eine wesentliche Gefahr für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland“.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte es gar „verrückt“, das Schengen-Abkommen zu beenden oder die Freizügigkeit auf wenige Staaten zu begrenzen. „Das wäre politisch fatal und würde die europäische Ordnung nachhaltig gefährden“, sagte der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) dem Handelsblatt (Freitagausgabe). Zentral ist für ihn die Sicherung der EU-Außengrenze: Zwar müssten die Kosten dafür grundsätzlich fair verteilt werden. Wenn aber Deutschland keine Binnengrenzen schützen müsse, könne es sich durchaus an den Außengrenzen finanziell stärker engagieren, etwa in Griechenland oder Italien. „Der Schengen-Raum ist kein Sparmodell. Wir können es nicht den Sizilianern überlassen, Südeuropa abzusichern.“

Deutlich härter geht der Ökonom Gustav Horn mit der AfD ins Gericht. Er hält das Wirtschaftsprogramm der rechtspopulistischen Partei in seinem Kern für neoliberal-nationalistisch, wobei das Nationale einen deutlich breiteren Raum einnehme. „Fatal ist, dass die AfD mit diesem Ansatz ein Programm zur Wohlstandsvernichtung breiter Bevölkerungsschichten verfolgt“, sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK) dem Handelsblatt. „Die Renationalisierung vernichtet Exportchancen und der binnenwirtschaftliche Neoliberalismus geht zusätzlich zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung.“

Besonders sorgt Horn, dass nach den Vorstellungen der AfD die Wirtschaftspolitik vor allem anderen wieder renationalisiert werden solle. „Dabei knüpft sie an das weit verbreitete Gefühl in der Bevölkerung an, die Politik EU und auch die Europäische Währungsunion seien gegen die Interessen weiter Teile der Bevölkerung gerichtet“, sagte er. Paradox erscheine aber, dass die AfD dann gleichzeitig die neoliberalen Steuerkonzepte eines Paul Kirchhoff aufgreife. „Dies lässt den Verdacht zu, dass die AfD tatsächlich auch eine neoliberale Wirtschaftspolitik betreiben will, allerdings nur in nationalem Rahmen.“

Zurückhaltend äußerte sich der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. „Nach dem Rückzug von Professor Lucke und seiner Mitstreiter sind die wirtschaftspolitischen Positionen der AfD in Bewegung geraten und deshalb schwer zu beurteilen“, sagt Krämer dem Handelsblatt. Alles in allem habe er aber den Eindruck, „dass protektionistische und anti-kapitalistische Positionen in der AfD auf dem Vormarsch sind, womit sich ihre wirtschaftspolitischen Positionen insbesondere beim Thema Freihandel denen der Linkspartei anzunähern scheinen“.


„Deutschland braucht den Euro nicht“

Was die AfD tatsächlich will, lässt sich derzeit noch nicht in einem Parteiprogramm nachlesen. Daran arbeitet die Partei noch. In diesem Jahr sollen die Arbeiten zum Abschluss gebracht werden. Ohne näher beschriebene Inhalte steht die AfD aber nicht da. Mit ihrer Gründung vor drei Jahren hat die Partei ihre programmatische Marschroute bereits in groben Zügen festgezurrt, größtenteils nachzulesen in ihren „Politischen Leitlinien“ und den Bundestags- und Europawahlprogrammen der Partei.

„Die AfD nimmt Themen auf, die Menschen bewegen“, hat Petry einmal gesagt. Und sie meint damit nicht nur die Flüchtlingsproblematik. „Die Fragen um den Euro bleiben für uns sehr wichtig.“ Die Auflösung der Euro-Zone ist daher auch für die promovierte Wissenschaftlerin und ihren Mitparteivorsitzenden Meuthen eine der wichtigsten Forderungen ihrer Partei.

„Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro“, heißt es auf der AfD-Webseite. Stattdessen wollen Petry und Meuthen eine Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Aufteilung der EU in kleinere Währungsverbünde. Diese Forderung vertreten due AfD-Akteure jedoch nicht mehr allzu laut - angesichts einer großen Zustimmung in der deutschen Bevölkerung zum Euro erscheint dies nachvollziehbar.

Experten halten überdies ein Auseinanderbrechend der Euro-Zone oder eine Aufspaltung in zwei oder drei Währungsräume auch auf längere Sicht für extrem unwahrscheinlich. Die Verwerfungen an den Kapitalmärkten sowie die sonstige Konsequenzen wären zu gravierend, als dass dieses Risiko eingegangen werden könnte, sagen sie.


AfD-Chef Meuthen nennt Euro-Währungsgebiet eine „Fehlkonstruktion“

Meuthen dagegen redet die Risiken klein. „Die Sichtweise, das würfe Deutschland wirtschaftlich zurück, ist und bleibt falsch“, ist der AfD-Vorsitzende überzeugt. Denn, so seine Begründung, der Anteil der deutschen Exporte in die Staaten des heutigen Euro-Währungsgebietes sei seit Einführung des Euro ohnehin „stetig zurückgegangen“. Der weitaus größte Teil der deutschen Exporte gehe heute zudem in die Staaten außerhalb des Euro-Währungsverbunds.

„Andere EU-Staaten, die nicht dem Euro-Raum angehören, haben darüber keinerlei wirtschaftlichen Schaden genommen“, betont Meuthen. Daher glaubt er fest daran, dass das Euro-Währungsgebiet eine „Fehlkonstruktion“ sei, die in dieser Form auf Dauer keinen Bestand haben werde.

Petry betont zudem die Vorteile einer Euro-Auflösung. Entweder könnten dann kleinere Währungsverbünde zwischen Ländern vergleichbarer Wirtschaftskraft entstehen oder es könnten bei Rückkehr zu nationalen Währungen gemeinsame Verrechnungseinheiten wie dem Ecu genutzt werden. „Hieraus resultierte eine deutliche Aufwertung der deutschen Währung, die zu einem deutlichen Anstieg der Binnennachfrage und einer größeren Attraktivität von Investitionen in Deutschland führen, gleichzeitig aber auch zu einer Verteuerung deutscher Exporte“, sagt sie.

Daher sei im Gegenzug die Stärkung deutscher Innovationskraft und die Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze von großer Bedeutung, um sich nicht zu stark in Konkurrenz zu Produkten aus Niedriglohnländern zu geraten. „Diese Hochtechnologie-Strategie“, resümiert Petry, „hat Deutschland viele Jahre vor der Euro-Einführung zum wirtschaftlich stärksten Land Europas gemacht und sollte auch nach der Auflösung des Euro wieder zur Maxime deutscher Wirtschaftspolitik werden.“

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