AfD Alexander Gaulands Krieg

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Für einen Prozentpunkt mehr oder zwei

Wie aber kann eine Partei den Ball flach halten, die in den Worten ihres ehemaligen Sprechers Konrad Adam längst „in Teichen fischt“, in denen eine „demokratische Partei ihre Netze nicht auswerfen darf“? In der die vulgärrassistische Entgleisung zum Stilmittel gehört und eine Sprache gesprochen wird, die schwitzt vor tümelnder Bedeutsamkeit? Gauland selbst gehört zu denen, die gern in Sütterlin reden, um am rechten Rand mitzunehmen, was möglich ist. Deutschland ist „nicht verhandelbar“, sagt Gauland. „Das Boot ist voll“. Die „Horden junger Männer“, die an Deutschlands Bahnhöfen von „nützlichen Idioten“ willkommen geheißen werden, zeigen „oft keine Spur der ‚strapaziösen Flucht‘, die sie angeblich hinter sich hatten“, sagt Gauland und: Die AfD ist eine Partei für Leute, die „eben kein Asylbewerberheim neben sich haben wollen“. Für Brandanschläge sind „in erster Linie die Politiker der Altparteien“ verantwortlich, weil sie die Flüchtlingskrise nicht in den Griff bekommen, sagt Gauland und: Deutschland droht unterzugehen – wie ehemals das Römische Reich durch die „Völkerwanderung“ der „Barbaren“.

Björn Höcke, AfD-Politiker: „Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.“ Quelle: dpa

Zu den schönsten Marginalien im Leben von Alexander Gauland gehört, dass der Schriftsteller Martin Walser ihm vor 20 Jahren einen Romananfang gewidmet hat: „Finks Krieg“ basiert auf der „Gauland-Affäre“, auf dem Feldzug eines Ministerialdirigenten gegen den damaligen Staatssekretär in Hessen: „Er spielte den Engländer. Und das nicht nur mit seinen Anzügen und Manieren. Auch was er über Politik verfasste, war immer aus feinstem englischen Stoff.“

Gauland kann immer noch der Anglo-Kavalier aus Potsdam sein, der gedanklich mit dem Alten Fritz spazieren geht und Edmund Burke in Gespräche verwickelt. Und doch hat er für die AfD Benimm und Anstand über Bord geworfen, seinen Ruf ruiniert. Der Essayist für große Tageszeitungen … Der Herausgeber der Märkischen Allgemeinen … Der Gentleman in den Salons der Hauptstadt … – Gaulands Karriere als Dr. Bildungsbürger von blauem Geblüt ist dahin. Ehemalige Freunde zucken ratlos mit den Schultern. Altersstarrsinn? Angry old man? Wie konnte das passieren?

Vier Jahrzehnte lang war Alexander Gauland mit Leib und Seele Christdemokrat. Dann kam Hermann Gröhe. Über die Kernkraft und die Wehrpflicht haben er und seine Mitstreiter im konservativen „Berliner Kreis“ mit Merkels General damals reden wollen, über die Homo-Ehe und die Euro-Rettungspolitik – über die Erosion der Prinzipien und Grundsätze in der Union. Aber Gröhe hat uns gar nicht zugehört, sagt Gauland, und uns behandelt wie den letzten Dreck: Da wusste ich, dass ich meine politische Heimat verloren habe. Seither herrscht „Gaulands Krieg“. Sein Rechtsruck hat auch was mit verletztem Stolz, mit Rache zu tun. Natürlich würde er das nie so sagen. Aber natürlich gibt es keinen anderen Grund, warum Gauland den unbedingten Erfolg sucht – und sei es auf Kosten der Redlichkeit. Warum er immer wieder giftet, raunt und wiegelt – für einen Prozentpunkt mehr oder zwei.

Beatrix von Storch, AfD-Abgeordnete: „Ich nehme Wetten an: Wenn sie (Bundeskanzlerin Angela Merkel) bald zurücktritt, wird sie das Land verlassen. Aus Sicherheitsgründen.“ Quelle: dpa

Der umfassende Triumph der AfD

Sein Triumph ist fürs Erste vollständig. Die Union ist angesichts von Merkels Sturheit verängstigt, panisch – und lustvoll in einen Überbietungswettbewerb der rhetorischen Fremdenfeindlichkeit eingestiegen. „In NRW werden Frauen wie Freiwild verfolgt“, sagte CDU-Präside Jens Spahn nach der Silversternacht von Köln. Und CDU-Vizechefin Julia Klöckner, die restdeutsche Antwort auf bajuwarischen Dirndl-Partriotismus, verlangt jetzt endlich ein „Zeichen an Flüchtlinge“, dass man nach Deutschland „nicht einfach so reingeschwappt kommt“.

Wenn aber Spahn und Klöckner nicht mehr rechtschaffen rechts sein können (oder wollen) im Deutschland der brennenden Flüchtlingsheime – besteht dann nicht der größte Erfolg der AfD darin, dass sie die übrigen Parteien längst auf ihr semantisches Spielfeld gezwungen hat? Dass sie den rechten Ton in Deutschland vorgibt – auch und gerade dann, wenn andere über sie reden?

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