Gauland hält seinen Vortrag wieder und wieder in diesen Wahlkampfwochen. Er braust mit seinem Jaguar von Potsdam nach Karlsruhe über Ludwigsburg, Friedrichshafen und wieder zurück, die Woche darauf nach Frankfurt, Heidelberg, Rems-Murr … Es ist anstrengend, gewiss, auch die Arbeit als Landes- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg will erledigt sein. Aber die nationalverliebten Zuhörer lohnen ihm jede noch so unbequeme Nacht in winkligen Stadthotels und Landgasthöfen, weiß Gott: Sie stehen von ihren Sitzen auf und jubeln ihm zu.
Die Flüchtlingskrise – ein „Geschenk“ für die AfD?
Walter Wallmann, Gaulands Mentor, ehemals Oberbürgermeister von Frankfurt, hessischer Ministerpräsident und Kabinettsmitglied von Kanzler Kohl, würde sich wundern. Politiker werden Sie nie, hat er Gauland einmal gesagt: Sie können nicht auf Menschen zugehen. Da ist was dran, auch heute noch. Aber Gauland muss in diesen Wochen auch nicht auf Menschen zugehen. Die Menschen gehen auf ihn zu. Das reicht.
Und auf die AfD versteht sich. Gauland hat die Flüchtlingskrise einmal als Geschenk für seine Partei bezeichnet. Man kann das als Ausdruck moralischer Kälte lesen oder machtpolitischer Nüchternheit, aber auch als Ausdruck ironischer Selbstehrlichkeit: Ohne Asylanten und Flüchtlinge, ohne Syrer, Afghanen und Albaner kann die AfD einpacken.
Gauland läuft zur Hochform auf, wenn er seine Partei und ihren momentanen Erfolg rezensiert. Gott sei Dank, sagt er dann mit Blick auf die tagelange Diskussion, ob AfD-Politiker zu Fernsehrunden eingeladen werden sollen: Gott sei Dank, was Besseres konnte uns gar nicht passieren. Gott sei Dank, sagt er dann mit Blick auf den „Rechtspopulismus“, den die übrigen Parteien der AfD vorhalten: Gott sei Dank holt der „Rechtspopulismus“ der Bundesregierung die Asylpolitik der AfD mit ein paar Monaten Verspätung nach.
Gauland weiß: Es gibt die AfD nicht, weil wir so toll sind, sondern weil die anderen versagen.
Die Bundesregierung sei verliebt ins Scheitern – warum soll er ihr dafür nicht dankbar sein? Die AfD will nicht regieren. Sie will Opposition sein, Protest, dagegen. Will Merkel zwingen, sich wenigstens ein bisschen zu bewegen. Für den Moment ist alles Nötige getan, findet Gauland. Die Regierung gibt ihre Planlosigkeit jeden Abend in den Nachrichten zu Protokoll. Deshalb muss die AfD bis zu den Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt jetzt nur noch maßhalten, stillhalten, bloß nicht von sich Reden machen.
Stimmenanteil rechter Parteien
PiS
37,7 Prozent
Partei für die Freiheit
37 Prozent*
*Umfrage
FPÖ
33 Prozent*
*Umfrage
Front National
31 Prozent*
*Umfrage
SVP
29,4 Prozent
Die Finnen
18 Prozent
AfD
10,5 Prozent
Zehn Tage Indien also. Zehn Tage Zeit mit seiner Tochter, einer linken evangelischen Theologin, sagt Gauland und lächelt: Sie ist vor ein paar Monaten aus Nairobi nach Deutschland zurückgekehrt und hat eine Stelle als Pfarrerin in Rüsselsheim angetreten. Diskussionen gibt es viele zwischen uns beiden, sagt Gauland. Konflikte nicht. Die Politik berührt unser Leben, sagt Gauland. Aber nicht unser gutes Verhältnis.
Ob auch Frauke Petry, die Parteichefin, einen Gang zurückschaltet? Jeder macht mal Fehler, sagt Gauland und schüttelt den Kopf wie ein Internatsleiter, der seinem Zögling gleich die Ohren lang ziehen wird. Das mit dem Einsatz von Schusswaffen an der Grenze sei ihr falsch rausgerutscht. Ziemlich aufgeregte Briefe habe er erhalten. Nein, habe er geantwortet: Von Waffen Gebrauch machen wollen wir nicht. Bestimmt nicht. Ganz sicher nicht. Man werde der AfD das Petry-Zitat wieder und wieder aufs Brot schmieren in den nächsten Wochen, gewiss. Aber irgendwann werden die Leute sagen, dass es jetzt auch mal wieder gut sein müsse, sagt Gauland: In ein Umfrageloch fallen wir nicht. Zehn, elf, zwölf Prozent, vielleicht auch wesentlich mehr. Wenn wir den Ball jetzt flach halten.