
Sein oder Nichtsein. Das ist für die AfD die Frage. Nach den ersten großen Wahlerfolgen entscheidet sich jetzt, ob die neue Partei mittelfristig überleben, also in weitere Landesparlamente und schließlich 2017 in den Bundestag einziehen kann. Oder ob ihr das Schicksal blüht, das ihr die etablierten Parteien zugedacht haben: der Untergang. Die „Alternative für Deutschland“ wäre dann nur eine weitere Episode in der langen Reihe kurzlebiger Protestparteien.
Bernd Lucke ist der Mann, der im Zentrum dieser Frage steht. Lucke hat jetzt öffentlich seinen Abschied von der Dreier-Spitze in Aussicht gestellt. Verbunden mit der Forderung, aus drei Parteisprechern einen einzigen Vorsitzenden plus Generalsekretär zu machen. Angeblich hat er parteiintern schon öfter mit seinem Rückzug gedroht, um den Laden zusammenzuhalten. Jetzt tut er es wenig verklausuliert öffentlich.
Die wichtigsten Köpfe in der AfD
Professor, Gründer des Plenums der Ökonomen
Der 51-Jährige wurde bei Gründung der AfD ihr Sprecher. Der Vater von fünf Kindern lehrt Makroökonomie an der Universität Hamburg. Über 300 Wissenschaftler schlossen sich seinem „Plenum der Ökonomen“ an, das als Netzplattform Wirtschaft erklärt. Nach 33 Jahren trat Lucke Ende 2011 aus der CDU aus. Er trat als Spitzendkandidat der AfD für die Europawahlen an und wechselte im Sommer 2014 nach Brüssel.
Anwältin, Gründerin der Zivilen Koalition
Die Juristin, die zunächst 2012 Mitglied der FDP war, ist seit 2013 Mitglied der AfD. Sie wird dem rechtskonservativen Flügel der Partei zugerechnet. Sie engagiert sich neben der Euro-Rettung vor allem für eine christlich-konservative Familienpolitik. Am 25. Januar 2014 wurde von Storch vom Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg mit 142 von 282 Stimmen auf Platz vier der Liste zur Europawahl gewählt - und zog anschließend ins Europaparlament ein.
Emeritierter Professor für Volkswirtschaft
Im Kampf gegen den Euro hat er die größte Erfahrung: 1998 klagte er gegen dessen Einführung vor dem Bundesverfassungsgericht, 2011 gegen die Rettungsmaßnahmen. Der 72-Jährige, einst Assistent von Alfred Müller-Armack, führt den wissenschaftlichen Beirat der AfD – so etwas hat keine andere Partei.
Promovierte Chemikerin und Unternehmerin
Nach dem Studium gründete die Mutter von vier Kindern 2007 ihr eigenes Chemieunternehmen Purinvent in Leipzig – mit dem Patent auf ein umweltfreundliches Dichtmittel für Reifen. Sie fürchtet, ihre demokratischen Ideale würden „auf einem ideologisierten EU-Altar geopfert“. Seit 2013 ist sie eine von drei Parteisprechern und Vorsitzende der AfD Sachsen
Journalist, Publizist, Altsprachler und Historiker
Bei den bürgerlichen Blättern – 21 Jahre im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“, sieben Jahre als politischer Chefkorrespondent der „Welt“ – erwarb er sich den Ruf als konservativer Vordenker. Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sind auch im Sprecheramt der AfD seine Schwerpunkte.
Beamter, Politiker, Herausgeber, Publizist
Der promovierte Jurist leitete die hessische Staatskanzlei unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann. Dann Geschäftsführer und Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam. Führte die brandenburgische AfD bei den Landtagswahlen zu einem überraschend starken Ergebnis und führt nun die Fraktion im Landtag an.
Lucke muss auf einer Rasierklinge reiten. Die AfD als höchst unwillkommener Neuling im politischen Geschäft muss unter besonders erschwerten Bedingungen die für jede Partei unabdingbare Balance zwischen innerparteilicher Disziplinierung und Meinungsfreiheit finden. Für neue Parteien ohne etablierte Institutionen der Macht und Rituale der Entscheidungsfindung ist dies besonders schwierig ist. Die Piraten waren so naiv zu glauben, dass sie ganz ohne Macht auskommen. Darum sind sie schon jetzt fast vergessen. Zu dieser generellen Hürde kommt noch erschwerend hinzu, dass sich die AfD in der thematischen Todeszone der deutschen Politik befindet. In den von der CDU verlassenen Gefilden nämlich, in denen stets die Schmähung als „Rechter“ droht. Vor tatsächlich radikalen falschen Freunden und ihrer rufschädigenden Wirkung ist man in dieser Zone selten sicher.
Die AfD und ihr Erfolgsgeheimnis
In der AfD ist die Disziplinierung besonders schwierig, da ein allzu schalldichter Maulkorb an der Basis leicht ebenjenen Antrieb ersticken kann, der zur Gründung der Partei geführt hatte: nämlich der Widerstand gegen angebliche Alternativlosigkeiten der etablierten Politik. Die Kakophonie ist auch das Erfolgsgeheimnis der AfD. Gerade in den Landesverbänden der früheren DDR reagieren viele AfDler mit realsozialistischer Lebenserfahrung sehr störrisch auf Vorgaben von oben.