AfD in den Landtagen Bloß nicht zu Märtyrern machen

Die etablierten Parteien ringen mit sich und der Frage: Soll man die AfD politisch ausgrenzen - oder sich mit ihr auseinandersetzen? Für Experten ist die Antwort klar.

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Die Rechtspopulisten sitzen mittlerweile in mehreren Landtagen – ein Politologe rät zur politischen Auseinandersetzung. Quelle: dpa

Stuttgart/Mainz Ignorieren kann man die AfD nicht. Nicht mehr. Das sollten die etablierten Parteien inzwischen wissen. Vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz weigerte sich die SPD-Spitzenkandidatin und Ministerpräsidentin Malu Dreyer noch, an einer Fernsehdebatte mit der AfD teilzunehmen. Das können sich die etablierten Parteien nach dem „Super-Wahltag“ am 13. März mit weiteren Abstimmungen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wohl nicht mehr leisten: Denn die Wähler schickten die rechtskonservative Partei in alle drei Parlamente - insgesamt ist sie damit in acht Landtagen vertreten. Nun ringen die etablierten Parteien mit sich und der Frage: die AfD politisch ausgrenzen - oder sich mit ihr auseinandersetzen?

Die AfD in der Märtyrer-Rolle, „das darf nicht passieren“ - so formulierte es der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Wolf nach einem Treffen mit SPD, Grünen und FDP vor einigen Wochen in Baden-Württemberg, wo die Alternative für Deutschland aus dem Stand satte 15,1 Prozent holte. Wolf empfahl eine formal korrekte Behandlung der AfD - inhaltlich aber eine Abgrenzung von der rechtspopulistischen Partei. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke sagte, für seine Fraktion im Stuttgarter Landtag sei klar, „dass es keine Zusammenarbeit, weder in Regierung noch Opposition, mit der AfD geben wird“.

Die SPD in Rheinland-Pfalz sieht es ähnlich: „Eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der AfD lehnen wir ab“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Pörksen nach der Wahl, bei der die von vielen unterschätzten Newcomer 12,6 Prozent der Stimmen gewannen. Auch die CDU, die möglicherweise die größte Oppositionspartei werden wird, will keine Kooperation etwa bei gemeinsamen Anträgen.

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden aber warnt: „Mit der Nichtbefassung erreicht man oft genau das Gegenteil dessen, was man bewirken will.“ Der richtige Umgang mit AfD-Positionen sei die kritische Auseinandersetzung mit ihnen, nötigenfalls im politischen Streit. „Wer die AfD weiter fördern will, der braucht ihr bloß freie Bahn zu lassen, in dem er sich mit ihr nicht inhaltlich auseinandersetzt.“

Dies habe sich etwa im sächsischen Landtag gezeigt, wo die rechtspopulistische Partei 2014 ins Parlament eingezogen war. Ihre Abgeordneten treten gemäßigt auf und wehren sich dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Die anderen Parteien wiederum würden sich bemühen, der AfD möglichst nicht zuzuhören und ihre Anträge abzulehnen, sagt Patzelt. „Das hat aber der Popularität der AfD in Sachsen bislang keinen Abbruch getan.“

Trotz der Ansage der Fraktionen, der AfD alle Rechte zuzugestehen, steht dies in Baden-Württemberg teilweise zur Debatte. Bislang stellte dort nach einem ungeschriebenen Gesetz die größte Fraktion den Landtagspräsidenten, die beiden Vize-Posten gingen an die zweit- und drittstärkste Fraktion - nach dieser Vorgehensweise müsste also auch die AfD bedacht werden. Nun suchen die Parteien aber nach einer anderen Lösung. „Für uns wäre es sehr schwierig, uns von einem AfD-Abgeordneten vertreten zu lassen“, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler.


Die Praxis ist das ignorieren

In einigen anderen Parlamenten, in denen die AfD bereits sitzt, wird sie ausgegrenzt. In Brandenburg hat die AfD zwar entsprechend ihrer Stärke zwei Vorsitze in Ausschüssen und stellt zwei Stellvertreter. Doch sie ist politisch weitgehend isoliert, vor allem nachdem Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland bei Debatten über die Asylpolitik mehrfach für Eklats gesorgt hat.

In Hamburg fühlt sich die Partei ebenso isoliert. „Offiziell werden wir so weit ausgegrenzt, wie das gerade noch mit der Geschäftsordnung vereinbar ist“, sagte AfD-Fraktionschef Jörn Kruse. So verweigern die Abgeordneten der anderen Fraktionen der AfD einen Sitz in der Härtefallkommission. Dies wird nun vom Hamburgischen Verfassungsgericht geprüft.

Auch ein neues Gesetz in Bremen hat einen Streit über die Gleichbehandlung der Parteien entfacht. Nach dem Gesetz, das die Bremische Bürgerschaft im März verabschiedet hatte, dürfen nur noch Parteien im Rundfunkrat von Radio Bremen vertreten sein, die in der Bürgerschaft einen Fraktionsstatus haben – den die AfD aber nicht hat. Die Partei kritisiert, damit solle sie absichtlich aus dem Kontrollgremium rausgehalten werden.

Aus Patzelts Sicht ist ein Ausschluss der AfD von bestimmten Ämtern oder Gremien unklug. „Beim Fußballspiel kommt ja auch keiner auf die Idee, die Regeln bloß deswegen zu ändern, weil unter den bestehenden Regeln der Gegner Vorteile hätte.“ Der Partei bestimmte Parlamentspositionen vorzuenthalten, führe lediglich zu einer weiteren Solidarisierung mit der AfD - und es wäre aus Patzelts Sicht eine Blamage für die etablierten Parteien.

„Wenn ein nennenswerter Teil der Wähler meint, die AfD in die Parlamente schicken zu sollen, dann wäre es eine völlige Missachtung den Wählern gegenüber, sich nicht mit dieser Partei zu befassen“, sagt der Politologe.

Das hat auch Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz erkannt. „Wir werden im Parlament einen Umgang mit der AfD finden müssen und uns sehr stark auf Inhalte beziehen“, sagte sie dem Sender Phoenix. Ihr Ziel: AfD-Wähler zurückgewinnen.

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