AfD in Thüringen Angst vor einer Moschee

Noch sind es nur Pläne. Und noch ist nicht sicher, ob in Erfurt die erste Moschee Thüringens gebaut wird. Doch es gibt schon Widerstand. An die Spitze des Protestes hat sich die AfD gesetzt.

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Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht in den Plänen für den Neubau einer Moschee in Erfurt eine Bereicherung des religiösen Lebens. Die AfD sieht das anders. Quelle: dpa

Erfurt Noch ist es eine Wiese in saftigem Grün vor den Toren Erfurts. Längst aber tobt ein Streit darüber, ob darauf eine Moschee gebaut werden darf. Es wäre der erste Neubau in Thüringen, dem Kernland der Reformation. Die AfD wittert darin „ein langfristiges Landnahmeprojekt“ und hat die Parole ausgerufen: „Nein zur Moschee“. Die bundesweit erste Landesregierung unter einem linken Ministerpräsidenten wehrt sich nun gegen die Rechtspopulisten und betont das hohe Gut der Religionsfreiheit. Viele Thüringer haben dennoch Vorbehalte, auch weil ihnen Religionen fremd sind.

Der Alternative für Deutschland scheinen die Baupläne angesichts ihres jüngst beschlossenen Anti-Islam-Kurses wie gerufen zu kommen. AfD-Landeschef Björn Höcke gibt unumwunden zu, dass seine Partei ein neues Thema gefunden habe. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, wird er nicht müde zu betonen. Der Islam habe eine Heimat, aber „diese Heimat heißt nicht Erfurt“.

Der erste Praxistest des neuen Kurses hat jedoch mit einem Dämpfer begonnen. 700 Menschen folgten am Mittwochabend Höckes Aufruf zu einer Kundgebung in der Thüringer Landeshauptstadt – weit weniger als bei AfD-Demonstrationen zuvor. Ein Thema war der geplante Moscheebau. Höcke bot sich „als Partner einer etwaigen Bürgerinitiative“ an.

Es geht um die Pläne der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde. Noch befindet sich das Projekt im Stadium einer Bauvoranfrage. Damit ist nicht sicher, ob die Moschee mit Kuppel und einem elf Meter hohen Minarett in einem Gewerbegebiet an einer Bundesstraße überhaupt realisiert wird. Die Gemeinde zählt etwa 70 Mitglieder. Mit ihren Plänen geht sie transparent um und traf sogar Vertreter der AfD.

„Die Bevölkerung soll darüber abstimmen“, findet die Erfurterin Erika Barich. „Dann werden sie ihr blaues Wunder erleben.“ Die 71-Jährige lehnt nach eigenem Bekunden das Vorhaben ab, weil „uns die arabischen Länder hinausgejagt hätten, wenn wir dort eine evangelische Kirche bauen wollten“. Andere wie ein 72-jähriger Mann, der seinen Namen nicht lesen möchte, stören sich am Minarett – nach dem Motto, so lange die Moschee nicht wie eine Moschee aussieht, ist alles gut.


„Die geben sich doch alle Mühe“

Viele Erfurter haben aber keine Bauchschmerzen. „Die Brachfläche kann durch die Moschee nur schöner werden“, ist Falko Stolp überzeugt. Für ihn ist die Politik ein Stück weit verantwortlich für die Ängste vor dem Islam: „Die geben sich doch alle Mühe – von der AfD bis zur CSU.“ Diana Leischner aus Erfurt sieht es so: „Religionsfreiheit gehört zu unseren Werten.“

Ähnlich argumentiert Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). „Glaube braucht Orte, um sich entfalten zu können, das gilt für Kirchen, Moscheen und buddhistische Tempel gleichermaßen“, sagt er. Der AfD hält er vor, sie lebe von Feindbildern. „Jetzt, wo die Flüchtlingszahlen zurückgehen, wird der Islam zur Gefahr fürs Vaterland erhoben.“

Die Ahmadiyya-Gemeinschaft betreibt in Deutschland derzeit rund 50 Moscheen. Sie plant auch in Leipzig einen Neubau. Dort gab es in der Vergangenheit immer wieder Proteste. Im Februar wurde auf dem Baugelände ein totes Schwein abgelegt. Im sächsischen Chemnitz hatte die Stadt kürzlich einen Bauvorantrag der Gemeinde abgelehnt.

Der Islamwissenschaftler Jamal Malik von Universität Erfurt ist nicht überrascht, dass immer wieder Vorbehalte gegenüber dem Islam geäußert werden. „Welche Gesellschaft liebt ihre Minderheiten?“ fragt er. Die Ursachen dafür gehen nach seiner Ansicht zum Teil auf die DDR-Zeit zurück, als die Menschen abgeschottet gewesen seien. Zudem hätten viele Menschen keinen Bezug zur Religion. Laut Statistik gehören fast 70 Prozent der Thüringer keiner Religionsgemeinschaft an.

Der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), kann der geplanten Moschee auch aus einem anderen Grund etwas abgewinnen. Erfurt werde wegen seiner vielen Kirchen Stadt der Türme genannt, erinnerte er in der jüngsten Landtagssitzung. Mit der Moschee würde dieser Beiname eine neue Dimension erhalten.

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