AfD-Jargon CDU-Politiker fühlt sich an Nazi-Zeit erinnert

Politische Konkurrenten kanzelt die AfD als „Systemparteien“ ab, missliebige Medien nennt sie „Lügenpresse“. Der CDU-Politiker Polenz sieht darin gefährliche Propaganda, die gegen die Demokratie gerichtet sei.

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Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz: Warnung vor AfD-Propaganda. Quelle: picture-alliance/ dpadpa/ Martin Schutt

Berlin In der heißen Phase des Landtagswahlkampfes machte André Poggenburg massiv gegen die etablierten Parteien Front. Der Chef der Alternative für Deutschland (AfD) in Sachsen-Anhalt sprach von verbalen Anfeindungen, Ausgrenzung, bösartigen Unterstellungen und tätlichen Angriffen, die seine Partei erdulden müsse.

„Darin zeigt sich die Schwäche der verbrauchten Systemparteien“, sagte er und schob als ultimative Drohung hinterher: „Ihr werdet uns nicht mehr aufhalten.“ Deutschland müsse seine „Selbstgeißelung“ beenden, forderte Poggenburg. „Wir wollen mit einem gesunden Nationalbewusstsein leben dürfen, wie es in allen Ländern Europas eine Selbstverständlichkeit ist.“

Solche Sätze sind keine Seltenheit bei Poggenburg. Das AfD-Bundesvorstandsmitglied wird dem rechtsnationalen Flügel zugerechnet. Einer seiner engsten Mitstreiter ist der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der sich in seinen Reden ebenfalls gerne nationalkonservativer Rhetorik bedient, mitunter gespickt mit völkischen Parolen. Poggenburg nahm auch schon an Veranstaltungen von Jürgen Elsässer teil, dessen Monatsblatt „Compact“ Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten ein Forum bietet.

Poggenburgs Sympathie für rechte Positionen zeigt sich auch darin, dass er Anfang 2015 die Parteieintritte des neurechten Verlegers und Autors Götz Kubitschek und dessen Ehefrau Ellen Kositza befürwortet hat. Kubitschek, der auch mit Höcke befreundet ist, gilt als eine der zentralen intellektuellen Figuren der Neuen Rechten, er ist Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik in Schnellroda im südlichen Sachsen-Anhalt.

Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass sich Poggenburg, Höcke & Co. in der politischen Auseinandersetzung regelmäßig im Ton vergreifen und dabei eine Sprache verwenden, bei der sich der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz an eine Zeit erinnert fühlt, in der die Nationalsozialisten begannen, die Demokratie in Deutschland zu bekämpfen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verortet die AfD zudem in die Nähe autoritärer Staatschefs wie Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan.


„Erhebliche Parallelen zur heutigen AfD-Propaganda“

„Man dürfe die AfD nicht mit den Nazis vergleichen. Diesen manchmal sogar gut gemeinten Ratschlag hört man immer wieder“, so Polenz auf seiner Facebook-Seite. Es gebe aber nicht nur die Nazis nach Hitlers Machtergreifung 1933, sondern auch die davor, fügte der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag hinzu.

Deren völkisch-nationalistisches Denken, deren Abwertung der sogenannten Systemparteien - gemeint waren damit alle Parteien, die für die Weimarer Republik standen -, deren Forderung nach Ausgrenzung religiöser Minderheiten in den 20er Jahren „weisen erhebliche Parallelen zur heutigen AfD-Propaganda auf“, ist Polenz überzeugt. „Gerade damit Geschichte sich nicht wiederholt, muss auf diese Gefahren deutlich hingewiesen werden.“

Mit ihrem Vokabular ziele die Partei der Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen „gegen den Kompromiss in der Demokratie“. Auf diese Weise solle „unser „System“ diskreditiert werden.

Es sind nicht nur Poggenburg und Höcke, die sich in dieser Weise betätigen. Es ist die ganze Partei. Ihre auf dem Stuttgarter Programmparteitag getroffenen religionspolitischen Beschlüsse kollidieren nach Einschätzung von Staatsrechtlern klar mit dem Grundgesetz. So steht im ersten Grundsatzprogramm der AfD der umstrittene Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Die Partei wendet sich unter anderem gegen die Vollverschleierung von Frauen, sogenannte Burkas, den Bau von Minaretten und das Schächten von Tieren, die von Juden und Muslimen praktizierte Schlachtung.

Der Direktor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, Joachim Wieland, sagte hierzu kürzlich dem Handelsblatt: „Die Beschlüsse der AfD sind nicht mit der im Grundgesetz gewährleisteten Religionsfreiheit vereinbar. Diese Freiheit umfasst nicht nur das Haben einer religiösen Überzeugung, sondern auch deren Betätigung, auch in der Öffentlichkeit.“

Auch der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart sagte: „Man mag über einzelne der Programmpunkte durchaus diskutieren – in ihrer Gesamtheit offenbaren sie doch eine deutlich gegen den Islam gerichtete Grundtendenz, die meines Erachtens mit dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht vereinbar ist.“


Höcke: „Nein. Die Religionsfreiheit ist kein Supergrundrecht.“

Solche juristische Expertise dürfte den Thüringer AfD-Fraktionschef Höcke wohl kaum beeindrucken. Er hat seine eigene Sicht auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. In einem Beschluss seiner Fraktion vom 22. März heißt es: „Die Religionsfreiheit ist kein „Supergrundrecht“, das sämtliche Aspekte des Islam unter den Schutz der Verfassung stellt. Sie gewährt nicht das Recht, eine politische Agenda durchzusetzen und schützt auch nicht ohne weiteres alle weltlichen Aktivitäten von Religionsgemeinschaften. Der Moscheebau etwa ist nicht allein am Recht der freien Religionsausübung zu bemessen, weil Moscheen auch weltliche Zentren sind – nämlich Versammlungs-, Wirtschafts- und Unterrichtsgebäude muslimischer Gemeinden.“

In einem Interview mit der Thüringischen Landeszeitung vom 26. März wurde Höcke noch deutlicher. Auf die Frage „Den Islam unter die Religionsfreiheit zu stellen, das kommt für Sie nicht Frage.“ antwortete Höcke: „Nein. Die Religionsfreiheit ist kein Supergrundrecht.“

Und Höckes rechtsnationale AfD-interne Organisation „Der Flügel“ erklärte am 14. Mai auf seiner Facebook-Seite: „Lassen Sie sich in der Debatte um den Islam nicht von Gutmenschen beirren, die nur auf die Religionsfreiheit des Art. 4 GG verweisen können. Der Islam ist keine Religion im westlichen Sinne. Er ist (auch) eine politische Ideologie. Moscheen sind also eher politische Kaderschmieden als Gotteshäuser. Sie sind Ausbildungszentren für die Boten einer perfiden Eroberungsideologie.“

Justizminister Maas glaubt denn auch, die AfD über ihr Grundsatzprogramms entzaubern zu können. „Sie muss sich an ihren Worten festhalten lassen. Das AfD-Programm ist der Fahrplan in ein anderes Deutschland, in das Deutschland von vorgestern“, schreibt Maas für in einem Gastbeitrag für „Spiegel Online“.

Der Minister ist zwar einerseits dafür, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD zu führen. Andererseits betont er aber auch, dass es nicht einfach sei, „mit Menschen zu diskutieren, die Fakten ignorieren, überall 'Elitenbetrug' oder 'Lügenpresse' wittern und ihre Realität aus den Verschwörungszirkeln des Internets zusammenklauben“. Kein Wunder, dass Maas dann zur Attacke auf die Partei neigt. „Die AfD“, schreibt er, „das sind Brüder im Geiste von Wladimir Putin, Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan: nationalistisch, autoritär und frauenfeindlich.“

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