AfD-Krach Petrys Welt

Seite 3/3

"Jemanden wie Frauke möchte ich nicht mehr treffen"

Immerhin hätte der Zuschauer dann die Gelegenheit ein Interview mit Petry in der öffentlich-rechtlichen Phönix-Sendung „Unter den Linden“ noch einmal anzuschauen, das für kurze Zeit für Aufsehen sorgte. Denn in der dann folgenden Berichterstattung nährte Petry selbst Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Bei Phönix räumte sie zuerst eine Beteiligung von AfD-Mitgliedern an dem fremdenfeindlichen Protest gegen Flüchtlinge im sächsischen Clausnitz ein, kurze Zeit später wollte sie davon nichts mehr wissen.

In Clausnitz hatte vor wenigen Wochen eine pöbelnde Menschenmenge einen ankommenden Bus mit Flüchtlingen blockiert und „Wir sind das Volk“ skandiert.

In der AfD sorgte Petrys Zickzack-Kurs kurzzeitig für Irritationen. Noch bevor sie ihr Vorwürfe gegen Mitglieder ihrer Partei mit dem Hinweis wieder entkräftete, dass die ihr damals vorliegenden Informationen falsch gewesen seien, hatte sich etwa schon der Co-Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, veranlasst gesehen, die Position der AfD zu Migranten darzulegen, indem er betonte, dass seine Partei „jedwede Bedrohung“ in diese Richtung „kategorisch“ ablehne. „Soweit Mitglieder der AfD an dem Geschehen in Clausnitz beteiligt waren, wird dies für sie parteirechtliche Konsequenzen haben. Für menschenfeindliche Gesinnung ist in der AfD kein Platz“, so Meuthen.

Der Erfolg der AfD ist vor allem für CDU und SPD ein Problem. Die SPD wird in ihren Juniorrollen immer schwächer und die CDU bekommt Konkurrenz von rechts. Nur einer kann sich freuen: FDP-Chef Christian Lindner.
von Marc Etzold

Jede Menge Platz in der AfD ist aber immer wieder, so scheint es, für Attacken auf die „Lügenpresse“, wie die Medien verächtlich von den Anhängern der Partei beschimpft werden. Dies könnte den Eindruck nähren, bei der AfD handle es sich um eine unfehlbare Partei, die immer Recht hat und immer alles besser und richtiger weiß als die von ihr bekämpften „Altparteien“. Dafür hat sich die AfD auch den Slogan „Mut zur Wahrheit“ auf die Fahnen geschrieben.

Doch selbst in Petrys Welt ist das mit der Wahrheit nicht immer ganz so einfach. In der „Zeit“ nannte Heinrich Peuckmann Petry noch ein „kluges Mädchen“, wenige Tage später bezichtigte er sie der Lüge. Peuckmann ist Schriftsteller und Lehrer. Er hat Petry am Städtischen Gymnasium unterrichtet, nachdem sie als Teenager aus der Niederlausitz nach Bergkamen ins Ruhrgebiet gezogen war.

Und dieses Bergkamen hat Petry bei einer Pressekonferenz  Mitte März wegen des Flüchtlingszustroms quasi zu einer No-Go-Area erklärt. Peuckmann schildert den Vorgang auf seiner Facebook-Seite.

Petry habe gesagt, dass die Ethnisierung von Gewalt schon vor dem Ankommen von Flüchtlingen in manchen Städten zu Wohngebieten geführt habe, in die sich keine Polizei mehr traue. Auf Nachfrage, ob sie aus eigener Anschauung solche Viertel kenne, habe sie dann Bergkamen genannt. Das sei schon früher so gewesen und sei auch heute noch so. „Nun gibt es in Bergkamen durchaus Viertel, in denen sich soziale Probleme zuspitzen, aber ein Viertel, in das sich die Bergkamener Polizei nicht mehr traut, gibt es wirklich nicht“, stellte Petrys Ex-Lehrer klar und fügte hinzu: „Anderen Lügenpresse vorwerfen und selber lügen, wenn es darum geht, sein verschroben undifferenziertes und verachtenswertes Welt- und Menschenbild zu begründen, ist schon schäbig.“

Peuckmann will nunmehr auch nichts mehr mit Petry zu tun haben, wenngleich er sich immer freue, wenn er ehemalige Schüler treffe und sie ihm berichten, wie es weitergegangen sei mit ihnen. „Jemanden wie Frauke“, so Peuckmann, „mit so einem Menschenbild und mit plumper Verdrehung der Wahrheit möchte ich denn doch nicht mehr treffen.“


„Tabubrüche schaden der AfD momentan nicht"

Einiges über das Menschenbild Petrys sagt auch ihre Reaktion auf die Anschläge in Brüssel aus. Während viele Menschen in den sozialen Netzwerken unter den Hashtags #JeSuisBrussels oder #PrayforBrussels ihre Solidarität und Anteilnahme mit den Opfern zum Ausdruck brachten, attackiert Petry die Trauernden. Auf ihrem Facebook-Profil schreibt sie dazu: „Jetzt werden Sie nämlich wieder irgendetwas sein. Sie waren Charlie, sie waren Paris und jetzt sind alle Brüssel oder gar Belgien. Nun werden alle so damit beschäftigt sein, gegen rechte Hetzer aufzustehen und zu demonstrieren, dass sie dabei vergessen, etwas dagegen zu tun! Dann heißt es vielleicht bald: Ich bin Berlin, Rom, Malmö und Rotterdam!“

Dann schiebt die AfD-Chefin noch einen Rat an die Anteilnehmenden hinterher: „Damit Sie Ihre nutzlosen Bilder nicht immer austauschen müssen, ein kleiner Tipp: ‪#‎IchbinWelt. Das passt immer und vor allem immer öfter, ihr Heuchler.“

Immerhin, die Anteilnahme an Petrys Facebook-Kommentar vom 22. März scheint groß. Ihr Posting wurde inzwischen (29. März) knapp 5900 Mal geteilt – und rund 3500 Kommentare von Lesern finden sich darunter.

Ob die Debatten am Ende Petry oder ihrer Partei schaden, ist zwar noch nicht ausgemacht. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die AfD selbst in tiefer Zerstrittenheit noch in der Lage ist, den etablierten Parteien derart Paroli zu bieten, dass am Ende sogar Wahlerfolge möglich sind.

„Sicherlich prägen Personen die Außendarstellung“, sagt Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Doch bislang hätten die „Tabubrüche“ von einzelnen AfD-Akteuren wie Petry, Björn Höcke oder Beatrice von Storch der Partei an den Wahlurnen nicht geschadet. „Da die AfD sich nicht in Regierungsverantwortung befindet, sehe ich diese Gefahr auch für den Moment nicht“, sagte Lewandowsky.

Für den Politik-Experten liegt es zudem in der Natur der Sache, dass rechtspopulistische Parteien vom Tabubruch lebten. „Durch gezielte Provokation setzen sie sich in ihrer Außendarstellung von den etablierten Parteien ab“, erläuterte Lewandowsky. Bei den Landtagswahlen habe man beispielsweise sehen können, dass die Debatte um den Schusswaffengebrauch an der Grenze der Partei offenbar nicht geschadet habe.  „Ein stärker wirtschaftsliberales Profil birgt für die AfD hingegen ein enormes Risiko“, fügte der Wissenschaftler hinzu, „weil sie damit die Wähler verprellen könnte, die der AfD aufgrund sozialer Abstiegsängste ihre Stimme geben.“ 

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%