AfD-Krach Petrys Welt

Bei Frauke Petry bekommt der AfD-Slogan „Mut zur Wahrheit“ eine ganz eigene Bedeutung, wenn Interviews nicht in ihrem Sinne laufen. Und das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit in der Welt der AfD-Bundesvorsitzenden.

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Die Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD): Von einem Tabubruch zum nächsten. Quelle: AP

Am 13. März war die Welt von AfD-Chefin Frauke Petry noch schwer in Ordnung. An diesem Tag zog ihre Partei mit zweistelligen Ergebnissen in drei weitere Landtage ein. Nun sitzen AfD-Abgeordnete in immerhin schon acht Parlamenten. Wenn das kein Grund zum Feiern ist für Petry & Co. Am Wahlabend schon. Als die ersten Hochrechnungen aus Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg über die Bildschirme flimmerten, brandete großer Jubel auf der Wahlparty in Berlin auf. Petry strahlte in die Kameras der Foto-Reporter, links neben ihr stand ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch, die brav mitlächelte. Wenige Tage später, so scheint es, ist nicht mehr viel übrig von der Feierstimmung.

Negativ-Schlagzeilen haben die AfD wieder eingeholt. Und diesmal geht es nicht etwa um den bekannten Rechtsausleger Björn Höcke aus Thüringen. Im Mittelpunkt steht diesmal die Parteichefin selbst. „Frauke Petry droht an sich selbst zu scheitern“, titelt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), „Zwischen Kopfschütteln und Fremdschämen“, schreibt die Online-Ausgabe der Zeit“, „Will die AfD Petry abschieben?“, fragt die „Bild am Sonntag“.

Hintergrund für die schlechte Presse ist offenbar, dass sich einiges getan hat in der Welt von Frauke Petry, etwa dass sie sich mit ihrem Pressesprecher überworfen hat, während der Rest des Parteivorstands keinen Grund sieht, die Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. Oder dass sie Politisches mit Privatem verknüpft und dies öffentlichkeitswirksam auf einer Bühne tut, mit der manche ihrer Parteifreunde nicht viel anfangen können: Petry posiert in der neuen Ausgabe des People-Magazins „Bunte“ mit ihrem Lebensgefährten Marcus Pretzell, dem Chef der NRW-AfD. Beide sprechen in dem Interview, das vor dem Wahltriumph der rechtspopulistischen Partei geführt wurde, ungewöhnlich offen über ihre Liebe in der Politik.

„Zwischen Fremdschämen und Kopfschütteln“ seien die Reaktionen gewesen, zitiert die Wochenzeitung „Zeit“ einen aus dem Kreis der AfD-Führung, der an eine ähnliche Geschichte von Verteidigungsminister Rudolf Scharping erinnerte. Der SPD-Politiker hatte sich auf Mallorca mit seiner neuen Lebensgefährtin, garniert mit Kuschel-Swimming-Pool-Fotos,  von der „Bunten“ interviewen lassen, während den Bundeswehrsoldaten ein Auslandseinsatz bevorstand.

Petry bewundert in dem Interview die „männliche Stärke“ ihres neuen Lebenspartners und er tut kund, das „dämonenhaft Schöne“ an ihr zu schätzen. Nebenbei, so scheint es, begleicht Petry dann noch zwei offene Rechnungen– mit von Storch und ihrem zweiten Stellvertreter Alexander Gauland, was, wie die „Zeit“ schreibt, „die AfD-interne Maxime verletzt, Vorstandskollegen nicht öffentlich vorzuführen“.


„Was Beatrix gesagt hat, war katastrophal. Ich will keine Toten.“

Von den „Bunte“-Reportern wird Petry gefragt, ob sie es nicht zynisch finde, dass Gauland in der Flüchtlingskrise ein Geschenk des Himmels für die AfD sehe. Petry weicht nicht aus, wie es sonst häufig in Interviews bei ihr der Fall ist, sie antwortet ohne Umschweife, spricht von einem „fatalen Satz“ Gaulands und schiebt zur Erklärung noch hinterher: „Man kann sich doch nicht über Entwicklungen freuen, die dem Land schaden“.

Gauland nimmt den Rüffel noch einigermaßen gelassen hin. „Wir sind halt verschieden, da gibt es auch mal Reibereien“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Von Storch reagiert da schon empfindlicher auf einen Seitenhieb Petrys gegen sie.

In der „Bunten“ wird Petry auf eine von ihr selbst ausgelöste Debatte angesprochen. „Wollten Sie nicht sogar auf Flüchtlinge schießen lassen – als letztes Mittel?“, wollen die Reporter wissen. „Das habe ich nie gesagt“, entgegnet sie. Von der Schusswaffe Gebrauch machen, heiße nicht, auf Menschen zu schießen, das könne auch ein Warnschuss sein. Petry lässt auch den Einwand der Journalisten nicht gelten, dass die meisten ihre Aussagen anders verstanden hätten, etwa die AfD-Vize-Chefin von Storch, die ihr, Petry, „sofort helfend beigesprungen“ sei.

Dazu muss man wissen, dass von Storch bei Facebook auf die Frage „Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?“ kurz mit „Ja“ antwortete  - auch wenn sie dies später relativierte. Petry erklärte dazu in der „Bunten“: „Was Beatrix gesagt hat, war katastrophal. Ich will keine Toten.“

Von Storch sieht dagegen ihre Parteichefin in der Verantwortung. „Die Debatte um Schusswaffen hat Frauke Petry losgetreten“, betonte die Berliner AfD-Vorsitzende in der „Bild“-Zeitung. „Das war der Kardinalfehler.“

Was von Storch als Fehler Petrys erkennt, deutet in gewisser Weise auf ein grundsätzliches Dilemma der AfD-Vorsitzenden hin: In Petrys Welt bekommt der AfD-Slogan „Mut zur Wahrheit“ eine ganz eigene Bedeutung, wenn Interviews nicht in ihrem Sinne laufen. In der Debatte um einen Schusswaffen-Einsatz gegen Flüchtlinge wird das besonders deutlich.

In einem Interview mit dem „Mannheimer Morgen“ sagte Petry, Polizisten müssten Illegale Grenzübertritte von Flüchtlingen verhindern, „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So Steht es im Gesetz“.

Nach massiver Kritik warf sie der Zeitung vor, ihre Worte „verkürzt und völlig sinnentstellend“ zitiert zu haben. „Man wollte die Schlagzeile produzieren, dass die AfD auf Flüchtlinge schießen will“, sagte Petry. Sie halte das „für journalistisch total inakzeptabel“. Das Interview sei im „Stil eines Verhörs“ geführt worden. Der Chefredakteur vom „Mannheimer Morgen“, Dirk Lübke, betonte hingegen, dass „Frauke Petry uns selber das Interview angeboten hat“. Petry und ihr Sprecher hätten demnach „jedes Wort und jeden Satz mehrmals gelesen und schließlich zur Veröffentlichung freigegeben“.

"Sie wollen keine direkten Antworten geben"

Den AfD-Sprecher gibt es in Petrys Welt inzwischen nicht mehr. Sie hat die Zusammenarbeit mit Christian Lüth beendet. Was allerdings nur für sie selbst gilt. Die übrigen Bundesvorstandsmitglieder nehmen seine Dienste weiter in Anspruch. Petry begründete ihre Entscheidung mit Kritik an Lüths Arbeit, die übrigen Bundesvorstandsmitglieder schlossen sich dieser Kritik jedoch nicht an, wie die FAZ schreibt. In der Parteiführung werde der Vorgang dem Vernehmen nach als eines von mehreren Zeichen einer zunehmenden Isolierung von Petry gesehen. Dort sei ihre Amtsführung zuletzt immer offener kritisiert worden.

Die „Zeit“ berichtet, die Terminpanne am Tag nach den Landtagswahlen am 13. März, wo Petry trotz einer Zusage des Pressesprechers nicht zum Interview im ZDF-„Morgenmagazin“ erschienen war, habe letztlich ihre Entscheidung befördert, sich von Lüth zu trennen. Dass sich nach dem geplatzten Termin ein heftiger Disput zwischen Petry und dem ZDF entzündete, ist eine besonders bizarre Merkwürdigkeit in der Welt der AfD-Chefin.

Reaktionen aus den Ländern
Björn Höcke, AfD Quelle: REUTERS
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Quelle: dpa
Ralf Stegner, SPDSPD-Vize Ralf Stegner erwartet ungeachtet des schwachen Abschneidens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt keine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel. "Nein, kein Stück", sagte Stegner am Sonntag in der ARD. "Wir werden jetzt gemeinsam schauen, dass wir jetzt die nächsten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gut machen und im nächsten Jahr im Bund. Und der Rückenwind aus Mainz wird uns dabei helfen." In Rheinland-Pfalz sind die Sozialdemokraten stärkste Partei geworden. Zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD sagte Stegner: "Die AfD hat mit Angstmacherei Punkte gemacht. Wir rücken nicht nach rechts." Quelle: dpa
Alexander Gauland, AfD Quelle: dpa
Sigmar Gabriel, SPD Quelle: REUTERS
Frauke Petry, AfD Quelle: AP
Katrin Budde, SPD Quelle: REUTERS

Auslöser war, dass die die Moderatorin der Sendung, Dunja Hayali, sich über die sozialen Medien verwundert über die Erklärungen der AfD gezeigt hat, woraufhin Petry in einer Pressemitteilung loswetterte. Hayali warf sie vor, „zunehmend mehr als politische Aktivistin denn als professionell arbeitende Journalistin“ aufzutreten, unter anderem wegen ihres Engagements für die Vereine „Gesicht zeigen!“ und „Respekt! Kein Platz für Rassismus“. Die Attacke Petrys gipfelte schließlich in der indirekten Aufforderung an den Sender, Hayali von der Moderation des „Morgenmagazins“ abzuziehen. Das ZDF wies die Angriffe ebenso als abwegig zurück wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV).

Nicht wirklich in Petrys journalistisches Weltbild passt auch ein Interview mit ihr in der Deutsche-Welle-Sendung „Conflict Zone“ - geführt von dem britischen Journalisten Tim Sebastian. Der frühere Europa-Korrespondent der BBC interviewte auch schon die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und Jimmy Carter, Erzbischof Desmond Tutu und den ehemaligen Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow.

Sebastian war eigens für das Petry-Interview nach Leipzig gekommen. Eine knappe halbe Stunde lang sprach er mit ihr auf Englisch über die AfD, Flüchtlinge und Pegida. Sebastian will in dem Gespräch etwa wissen, wie Petry das mit ihrer Schusswaffen-Äußerung gemeint hat. Und er gibt sich dabei nicht mit ausweichenden Antworten zufrieden. Als Petry ausdrücklich betont, dass sie nie gefordert habe, auf Flüchtlinge zu schießen, legt er nach: „Sie haben aber nicht gefordert, in die Luft zu schießen, oder?“

Eine konkrete Antwort bleibt aber aus, was Sebastian ihr mit den Worten vorhält: „Sie wollen keine direkten Antworten geben.“ Doch auch das hilft wenig. Am Ende dieses Themas resümiert er: „Ich habe versucht, eine direkte Antwort aus Ihnen herauszubekommen, aber ich habe es nicht geschafft.“


„Aber Sie heißen Frauke Petry?“ - „Auch das habe ich nie so gesagt!“

In diesem Zusammenhang merkt Petry an, Sebastian solle sie besser dazu befragen, wie die AfD deutsche und europäische Politik verändern will, woraufhin dieser mit dem bezeichnenden Satz antwortet: „Ich werde die Fragen stellen, die ich stellen möchte, denn das ist, was eine freie Presse tut.“ Im Netz ist das Interview zum großen Hit avanciert. Viele sind überzeugt, Petry habe sich und ihre Partei damit selbst entlarvt, weil sie herumlaviert und bestimmte Aussagen nicht so gemeint oder nicht so gesagt zu haben. Die NDR-Satiresendung „Extra 3“ geht sogar so weit, dass sie in Sprechblasen, die in das Interview hineinmontiert sind, Petry von sich selbst distanzieren lässt. Sebastian fragt demnach: „Aber Sie heißen Frauke Petry?“ Und Petry antwortet: „Auch das habe ich nie so gesagt!“

Petry schaltete sich via Twitter in die rege Debatte ein und erklärte: „Ich finde es immer amüsant, wenn Journalisten darauf hinweisen müssen, dass nur sie selbst die Fragen stellen!“ Und sie äußerte, versehen mit einem Smiley, Zweifel, ob permanente Suggestivfragen auch journalistisch souverän seien.

Dass Petry und ihre Partei ein grundsätzliches Problem mit der Berichterstattung hierzulande haben, schimmert immer wieder in Stellungnahmen durch. Beim AfD-Bundesparteitag im November vergangenen Jahres nahm sich die Parteichefin wieder einmal die Journalisten zur Brust und forderte von ihnen, weniger Kritik an ihrer Partei zu äußern. Dafür sollten sie mehr Verständnis und mehr Humor an den Tag legen.

Immer wieder hatte sich die AfD über unsachliche Berichterstattung beklagt. „Liebe Vertreter der Pinocchio-Presse“, sagt Petry in Hannover in Anspielung an die Holzpuppe Pinocchio, der wegen ihrer Lügen eine lange spitze Nase wächst. Lügenpresse light also. „Lachen Sie auch einmal über sich selbst“, riet Petry. Das kühle Verhältnis der AfD zur Presse hat sich dadurch allerdings nicht entspannt. Im Gegenteil, in ihrem geplanten Grundsatzprogramm lässt die Partei ein klares Bekenntnis zu Pressefreiheit vermissen.

Einerseits plädiert die AfD für eine „vielfältige“ Medienlandschaft, „die freie Information und kritische Diskussion ermöglicht“. Andererseits zieht sie in Zweifel, dass der öffentlich‐rechtliche Rundfunk (ARD und ZDF) seinen Informations‐ und Bildungsauftrag parteipolitisch neutral und staatsfern erfüllt. „Daher“, so die AfD in dem vom Bundesvorstand abgenickten Grundsatzprogramm-Entwurf, der Ende April auf einem Parteitag beschlossen werden soll, „sind Programme, Finanzierung, Organisation und die Kontrolle durch Rundfunk‐ und Fernsehräte grundlegend zu reformieren sowie Entscheidungsprozesse transparent zu machen.“ Die Petry-Partei will deshalb die Staatsverträge kündigen, mit denen die Landesregierungen die Finanzen und die Kontrolle des Rundfunks regelten.

Außerdem soll die Zahl der öffentlich‐rechtlichen Fernseh‐ und Rundfunkprogramme „deutlich verringert werden, auch deswegen, um die Entwicklung einer leistungsfähigen privaten Medienlandschaft nicht durch unfaire Konkurrenz zu behindern“. Einmal ausgestrahlte Sendungen müssten überdies „vollständig, unverändert und unbegrenzt in den Mediatheken der Sender abrufbar sein (…).“

"Jemanden wie Frauke möchte ich nicht mehr treffen"

Immerhin hätte der Zuschauer dann die Gelegenheit ein Interview mit Petry in der öffentlich-rechtlichen Phönix-Sendung „Unter den Linden“ noch einmal anzuschauen, das für kurze Zeit für Aufsehen sorgte. Denn in der dann folgenden Berichterstattung nährte Petry selbst Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Bei Phönix räumte sie zuerst eine Beteiligung von AfD-Mitgliedern an dem fremdenfeindlichen Protest gegen Flüchtlinge im sächsischen Clausnitz ein, kurze Zeit später wollte sie davon nichts mehr wissen.

In Clausnitz hatte vor wenigen Wochen eine pöbelnde Menschenmenge einen ankommenden Bus mit Flüchtlingen blockiert und „Wir sind das Volk“ skandiert.

In der AfD sorgte Petrys Zickzack-Kurs kurzzeitig für Irritationen. Noch bevor sie ihr Vorwürfe gegen Mitglieder ihrer Partei mit dem Hinweis wieder entkräftete, dass die ihr damals vorliegenden Informationen falsch gewesen seien, hatte sich etwa schon der Co-Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, veranlasst gesehen, die Position der AfD zu Migranten darzulegen, indem er betonte, dass seine Partei „jedwede Bedrohung“ in diese Richtung „kategorisch“ ablehne. „Soweit Mitglieder der AfD an dem Geschehen in Clausnitz beteiligt waren, wird dies für sie parteirechtliche Konsequenzen haben. Für menschenfeindliche Gesinnung ist in der AfD kein Platz“, so Meuthen.

Der Erfolg der AfD ist vor allem für CDU und SPD ein Problem. Die SPD wird in ihren Juniorrollen immer schwächer und die CDU bekommt Konkurrenz von rechts. Nur einer kann sich freuen: FDP-Chef Christian Lindner.
von Marc Etzold

Jede Menge Platz in der AfD ist aber immer wieder, so scheint es, für Attacken auf die „Lügenpresse“, wie die Medien verächtlich von den Anhängern der Partei beschimpft werden. Dies könnte den Eindruck nähren, bei der AfD handle es sich um eine unfehlbare Partei, die immer Recht hat und immer alles besser und richtiger weiß als die von ihr bekämpften „Altparteien“. Dafür hat sich die AfD auch den Slogan „Mut zur Wahrheit“ auf die Fahnen geschrieben.

Doch selbst in Petrys Welt ist das mit der Wahrheit nicht immer ganz so einfach. In der „Zeit“ nannte Heinrich Peuckmann Petry noch ein „kluges Mädchen“, wenige Tage später bezichtigte er sie der Lüge. Peuckmann ist Schriftsteller und Lehrer. Er hat Petry am Städtischen Gymnasium unterrichtet, nachdem sie als Teenager aus der Niederlausitz nach Bergkamen ins Ruhrgebiet gezogen war.

Und dieses Bergkamen hat Petry bei einer Pressekonferenz  Mitte März wegen des Flüchtlingszustroms quasi zu einer No-Go-Area erklärt. Peuckmann schildert den Vorgang auf seiner Facebook-Seite.

Petry habe gesagt, dass die Ethnisierung von Gewalt schon vor dem Ankommen von Flüchtlingen in manchen Städten zu Wohngebieten geführt habe, in die sich keine Polizei mehr traue. Auf Nachfrage, ob sie aus eigener Anschauung solche Viertel kenne, habe sie dann Bergkamen genannt. Das sei schon früher so gewesen und sei auch heute noch so. „Nun gibt es in Bergkamen durchaus Viertel, in denen sich soziale Probleme zuspitzen, aber ein Viertel, in das sich die Bergkamener Polizei nicht mehr traut, gibt es wirklich nicht“, stellte Petrys Ex-Lehrer klar und fügte hinzu: „Anderen Lügenpresse vorwerfen und selber lügen, wenn es darum geht, sein verschroben undifferenziertes und verachtenswertes Welt- und Menschenbild zu begründen, ist schon schäbig.“

Peuckmann will nunmehr auch nichts mehr mit Petry zu tun haben, wenngleich er sich immer freue, wenn er ehemalige Schüler treffe und sie ihm berichten, wie es weitergegangen sei mit ihnen. „Jemanden wie Frauke“, so Peuckmann, „mit so einem Menschenbild und mit plumper Verdrehung der Wahrheit möchte ich denn doch nicht mehr treffen.“


„Tabubrüche schaden der AfD momentan nicht"

Einiges über das Menschenbild Petrys sagt auch ihre Reaktion auf die Anschläge in Brüssel aus. Während viele Menschen in den sozialen Netzwerken unter den Hashtags #JeSuisBrussels oder #PrayforBrussels ihre Solidarität und Anteilnahme mit den Opfern zum Ausdruck brachten, attackiert Petry die Trauernden. Auf ihrem Facebook-Profil schreibt sie dazu: „Jetzt werden Sie nämlich wieder irgendetwas sein. Sie waren Charlie, sie waren Paris und jetzt sind alle Brüssel oder gar Belgien. Nun werden alle so damit beschäftigt sein, gegen rechte Hetzer aufzustehen und zu demonstrieren, dass sie dabei vergessen, etwas dagegen zu tun! Dann heißt es vielleicht bald: Ich bin Berlin, Rom, Malmö und Rotterdam!“

Dann schiebt die AfD-Chefin noch einen Rat an die Anteilnehmenden hinterher: „Damit Sie Ihre nutzlosen Bilder nicht immer austauschen müssen, ein kleiner Tipp: ‪#‎IchbinWelt. Das passt immer und vor allem immer öfter, ihr Heuchler.“

Immerhin, die Anteilnahme an Petrys Facebook-Kommentar vom 22. März scheint groß. Ihr Posting wurde inzwischen (29. März) knapp 5900 Mal geteilt – und rund 3500 Kommentare von Lesern finden sich darunter.

Ob die Debatten am Ende Petry oder ihrer Partei schaden, ist zwar noch nicht ausgemacht. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die AfD selbst in tiefer Zerstrittenheit noch in der Lage ist, den etablierten Parteien derart Paroli zu bieten, dass am Ende sogar Wahlerfolge möglich sind.

„Sicherlich prägen Personen die Außendarstellung“, sagt Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Doch bislang hätten die „Tabubrüche“ von einzelnen AfD-Akteuren wie Petry, Björn Höcke oder Beatrice von Storch der Partei an den Wahlurnen nicht geschadet. „Da die AfD sich nicht in Regierungsverantwortung befindet, sehe ich diese Gefahr auch für den Moment nicht“, sagte Lewandowsky.

Für den Politik-Experten liegt es zudem in der Natur der Sache, dass rechtspopulistische Parteien vom Tabubruch lebten. „Durch gezielte Provokation setzen sie sich in ihrer Außendarstellung von den etablierten Parteien ab“, erläuterte Lewandowsky. Bei den Landtagswahlen habe man beispielsweise sehen können, dass die Debatte um den Schusswaffengebrauch an der Grenze der Partei offenbar nicht geschadet habe.  „Ein stärker wirtschaftsliberales Profil birgt für die AfD hingegen ein enormes Risiko“, fügte der Wissenschaftler hinzu, „weil sie damit die Wähler verprellen könnte, die der AfD aufgrund sozialer Abstiegsängste ihre Stimme geben.“ 

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