AfD, Pegida und NPD Werden Bewegungen vom rechten Rand gesellschaftsfähig?

Es sind längst nicht mehr nur Wutbürger, die mit extremen Positionen im Internet, auf der Straße und am Stammtisch auffallen, sondern auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Warum Bewegungen wie AfD, Pegida und NPD trotzdem ums Überleben kämpfen.

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Parteien aus der Mitte der Gesellschaft? Quelle: dpa

Es lässt sich nur schwer verbergen, dass es zwischen den politischen Positionen von AfD, Pegida und NPD Parallelen gibt. Parallelen, die auch Bundesjustizminister Heiko Maas schon Anfang des Jahres gesehen hat: „Die AfD ist nicht viel besser als Pegida - oder die NPD", sagte Maas damals. Auch im Programm der AfD stecke viel Ausländerfeindlichkeit.

Aber ist es nicht viel mehr als die feindliche Einstellung gegenüber Ausländern, die diese Menschen eint – und rechtes Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft transportiert? „Manche Dinge sind in unserer Gesellschaft mit Tabus belegt. Das heißt, wenn ich etwa plötzlich offen rechtsextrem agiere, muss ich damit rechnen, dass ich dafür Ärger bekomme - in meinem Freundeskreis, bei der Arbeit vielleicht, schlimmstenfalls sogar durch die Polizei“, sagt Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung.

Die Köpfe der Pegida-Bewegung

Eine Stiftung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine zivile Gesellschaft zu fördern und anti-demokratischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. „Wenn durch ein paar geschickte Umformulierungen mein Rassismus, mein Hass auf Muslime oder auf sexuelle Vielfalt plötzlich als "Sorge" oder "Angst" wahr- und ernstgenommen wird - und genau das ist bei Pegida geschehen - erscheint das plötzlich sagbar und normal.“ Es sei nicht verwunderlich, dass es diese Ressentiments in der Gesellschaft gebe, aber es sei ebenso wichtig, dass sie nicht ausgelebt werden – schon gar nicht mit Gewalt.

Pegida-Positionen kaum bekannt

Bis zu 25.000 Menschen hat Pegida Woche für Woche in Dresden auf die Straße gelockt. Dem rasanten Aufstieg folgte ein Streit an der Spitze der Bewegung. Heute bekommt die Pegida kaum mehr als 1000 Menschen auf die Straße.

Zuletzt aber hat die Bewegung wieder bewiesen, dass sich mit Populismus zumindest ein Achtungserfolg erzielen lässt. Anfang Juni holte die Kandidatin der Bewegung bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden immerhin zehn Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang, im zweiten trat sie dann nicht mehr an.

Es darf vermutet werden, dass es auch in Zukunft einen harten Kern geben wird, der Woche für Woche für Pegida auf die Straße geht. Trotzdem sind die Positionen der Pegida-Bewegung kaum bekannt: Nur zwischen den Zeilen klingt latenter Rassismus durch, trotzdem schafft es die Bürgerbewegung nicht, sich wirklich von rechtsextremen Positionen abzugrenzen. Auf Demonstrationen haben mehr als einmal NPD-Funktionäre eine aktive Rolle gespielt, und auch bei Facebook sind fremdenfeindliche Äußerungen zu finden, die unwidersprochen stehen bleiben.

Noch haben weder AfD, noch NPD oder Pegida die Schlagkraft, die Stimmung in Deutschland umzudrehen. Aber es gibt Anzeichen: In Freital protestieren „besorgte Bürger“ gegen ein neues Flüchtlingsheim, die Proteste in den sozialen Netzwerken nehmen zu.

25 Prozent rassistisch eingestellt

Verschiedene Studien zeigen schon seit Jahren, dass bundesweit bis zu einem Viertel der Bevölkerung rassistisch eingestellt ist. Neu ist jedoch, dass die Rassisten ihre Meinung auch öffentlich kundtun und vor Gewalt nicht zurückschrecken. Der Hass werde sichtbarer, sagt Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung. „Erstens: Weil die Rechtspopulisten sehr strategisch und engagiert versuchen, ihren Hass möglichst weit zu verbreiten. Und zweitens: Das sorgt Demokraten und deshalb beobachten sie ihn nicht nur, sondern machen ihn auf Monitoring-Seiten in seiner ganzen gewaltaufrufenden Dimension für viele sichtbar", sagt Rafael. Da sei aber auch der beste Anstoß, um darüber zu diskutieren und sich aktiv zu engagieren, damit „die demokratische Kultur“ gewahrt werde.

Die NPD ist am äußersten rechten Rand zu finden und gefährlich, keine Frage - vor allem seit sie versucht, sich als eine „Kümmer-Partei“ zu inszenieren, wie sie es etwa in Mecklenburg-Vorpommern tut. Die NPD setzt dort an, wo man traditionellen Parteien ein Versagen vorwerfen kann, bietet Fahrdienste für ältere Menschen an, organisiert Feste für Kinder. Um sich dauerhaft zu halten, dürften es solche „Dienstleistungen“ sein, mit der die Partei langfristig Mitglieder an sich bindet.

Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?

Aber die NPD ist nicht unangreifbar und ausgerechnet Parteien oder Bewegungen wie AfD und Pegida holen potenziell rechtsextreme Wähler ab: "Pegida ist ein Aufschrei von Menschen, dass sich ihre Heimat verändert und sie dabei den Anschluss verlieren. Allerdings rückt eine Bewegung wie diese Rassismus in die Mitte der Gesellschaft - und das ist noch gefährlicher als eine NPD," sagt Dierk Borstel, Professor für praxisorientierte Politikwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund.

"Hohe Bereitschaft, Migranten zu diskriminieren"

AfD und Pegida haben es geschafft, die NPD in den Schatten zu stellen, und in Sachsen 2014 sogar den Wiedereinzug in den Landtag verhindert. Es ist vor allem der Pegida gelungen, Menschen zu mobilisieren und auf die Straße zu bringen.

"Extremistische Parteien sind allerdings kein ostdeutsches Phänomen. Aber im Osten gibt es andere Demokratieerfahrungen als im Westen und das hinterlässt bis heute Spuren", sagt er weiter. Beispielsweise fehle die Erfahrung im Umgang mit Migranten und die Zivilgesellschaft ist deutlich schwächer ausgeprägt. Der Protest gegen Asylunterkünfte in Deutschland kann als eine der größten Demonstrationswellen seit 1989 und den Protesten gegen die Hartz-Reformen von 2001 verstanden werden.

„Wir haben bundesweit eine sehr hohe Bereitschaft, Migranten zu diskriminieren, wenn sie entweder als Muslime wahrgenommen werden oder wenn sie als auf Solidarität hoffende Flüchtlinge hierherkommen. Es tritt aber im Osten offener in Erscheinung“, sagt Oliver Decker vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig.

An dieser Stelle setzt auch die AfD mit ihren politischen Konzepten an: Sie bietet enttäuschten Mitgliedern von Volksparteien eine neue Heimat, in der auch extreme Positionen wieder gesellschaftsfähig werden – und in manchen Bundesländern auch schon die Politik mitbestimmen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich AfD, Pegida und NPD als Splittergruppen auch in Zukunft am Rande des politischen Spektrums befinden werden – und deren Positionen nicht noch gesellschaftsfähiger werden.

Mit Material von Reuters.

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