AfD-„Pressemoratorium“ „In welcher Welt lebt Björn Höcke eigentlich?“

Der AfD-Führungsstreit nimmt groteske Züge an. Unklar ist, wer nun die „echte“ AfD ist. Die Klärung dieser Frage soll abgeschottet von der Presse stattfinden. Der Vorstoß des Thüringer Landeschefs Höcke stößt auf Kritik.

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Will der Partei „ein grundsätzliches und allgemeingültiges Pressemoratorium“ verordnen: Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke. Quelle: dpa

Berlin Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Thüringens AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke scharf dafür kritisiert, dass er seiner Partei angesichts des Führungsstreits geraten hat, gegenüber Pressevertretern keine Erklärungen mehr abzugeben. „In welcher Welt lebt Björn Höcke eigentlich?“, sagte DJV-Chef Frank Überall dem Handelsblatt. „Ein Pressemoratorium ist zum einen mit dem verfassungsmäßigen Auftrag der Parteien zur politischen Willensbildung unvereinbar, zum anderen halten das die AfD-Politiker doch gar nicht durch.“

Höcke hatte vorgeschlagen, dass der Bundesvorstand „ein grundsätzliches und allgemeingültiges Pressemoratorium“ ausspricht. Er selbst werde sich in den Medien nicht weiter zur Situation der AfD äußern, kündigte er am Mittwoch zugleich an. Die AfD und die Fraktion in Baden-Württemberg brauchten nun Zeit für sich. Sie dürften sich nicht in die Rolle des Getriebenen drängen lassen.

Nach der Spaltung der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist ein Machtkampf der beiden AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry ausgebrochen. Die beiden fanden am Mittwoch keinen Kompromiss über die künftige Vertretung im Stuttgarter Landtag.

Einen Tag nach seinem Austritt aus der AfD-Landtagsfraktion gründete ihr ehemaliger Vorsitzender Meuthen am Mittwoch eine neue Fraktion mit dem Namen „Alternative für Baden-Württemberg“. Ihr schlossen sich weitere 13 der ehemals 23 AfD-Fraktionsmitglieder an. Acht verbleiben in der Rumpf-Fraktion.

Die ursprüngliche AfD-Fraktion war am Dienstag im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Abgeordneten Wolfgang Gedeon zerbrochen. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf Gedeons aus der Fraktion war die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen. Daraufhin zogen Meuthen und zwölf Abgeordnete die Konsequenz mit ihrem Austritt, ein weiterer Abgeordneter folgte am Mittwoch.


Meuthen: „Wir sind die AfD“ - Petry: „Dies hier ist die AfD-Fraktion“

Die „Alternative für Baden-Württemberg“ sei bei der Landtagsverwaltung angemeldet worden, die ihm eine schnelle juristische Prüfung zugesagt habe, sagte Meuthen. Die Fraktion habe bereits eine Satzung und einen Vorstand. Der neue Vorsitzende sei er selbst.

Zwischen Meuthen und Petry entbrannte ein Streit, welche Fraktion künftig die Interessen der Partei im Landtag vertreten wird. „Wir sind die AfD“, betonte Meuthen. Petry, die gemeinsam mit Meuthen die Bundespartei führt und als seine innerparteiliche Widersacherin gilt, widersprach umgehend. „Dies hier ist die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg“, sagte sie mit Blick auf die verbliebenen acht Abgeordneten in der AfD-Restfraktion.

Nach einem Gespräch von Petry mit der Restfraktion am Dienstagabend hatte Gedeon seinen Austritt erklärt. Damit sei ein „starkes Signal“ gegen Antisemitismus gesetzt worden, betonte Petry. AfD-Fraktionsvize Emil Sänze betonte mit Blick auf die ausgetretenen ehemaligen Fraktionskollegen: „Wir bieten ihnen eine Heimkehr an und freuen uns auf sie.“

Mit ihrer Unterstützung der Rumpf-AfD stellt Petry sich auch gegen ihre Kollegen des Bundesvorstands. Zehn anwesende von insgesamt 13 Mitgliedern des Vorstands hatten sich von der Rest-AfD-Fraktion distanziert. Sie hatten Meuthen und seine Gruppe als Vertreter der AfD im Landtag anerkannt.


„Das war von vornherein ein Irrweg“

Petry war am Mittwoch zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Meuthen gekommen, der ihr Einmischung vorwirft. Er hatte versucht, ihr Hausverbot im Landtagsgebäude zu erteilen, wo sich beide Gruppen zu getrennten Sitzungen getroffen hatten. Die Gespräche werden nach Petrys Worten voraussichtlich die nächsten Tage andauern.

Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland kritisierte den Eingriff Petrys in den Streit in Baden-Württemberg. Dass der Bundesvorstand in Bezug auf die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Landtagsabgeordneten Gedeon nicht mit einer Stimme gesprochen habe, sei „nicht sehr hilfreich“ gewesen. „Dadurch ist eine Sachfrage plötzlich zur Machtfrage geworden“, sagte Gauland im Interview mit dem Handelsblatt.

So sei es „nie zielführend“ gewesen, eine Expertenkommission zum Fall Gedeon einzuberufen, wie das auch von Petry gefordert worden war. „Wenn jemand behauptet, dass das Talmud-Judentum der innere und der Islam der äußere Feind des christlichen Abendlandes ist, muss ich keine Kommission befragen, um das als antisemitisch zu werten“, sagte Gauland.

„Das war von vornherein ein Irrweg. Frauke Petry wollte aber diesen Weg gehen – und wie sich jetzt zeigt, war diese Entscheidung falsch.“ Eine sofortige Entscheidung über einen Ausschluss Gedeons wäre besser gewesen, betonte Gauland.

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