AfD-Streit über Antisemitismus Petry-Gegner outen sich

Die AfD liefert sich einen heftigen Schlagabtausch über einen Antisemitismus-Fall in den eigenen Reihen. In dem Streit outen sich erstmals Gegner von Parteichefin Petry, indem sie dem Co-Vorsitzenden den Rücken stärken.

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Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), attackiert ihren Mitvorsitzenden Jörg Meuthen. Der wehrt sich - und erhält dafür Hilfe aus dem Bundesvorstand. Quelle: dpa

Berlin Der Fall des baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Gedeon, dem wegen antisemitischer Positionen der Fraktions- wie Parteiausschluss droht, legt die tiefen Gräben, die sich mittlerweile durch die Spitze der Bundespartei ziehen, schonungslos offen.

Jörg Meuthen, der die Stuttgarter AfD-Fraktion anführt und zugleich Co-Bundesvorsitzender ist, will Gedeon um jeden Preis loswerden und knüpfte sein politisches Schicksal daran, ob ihm seine Fraktionskollegen in dieser Frage folgen werden. Am Dienstag soll in Stuttgart über Gedeon abgestimmt werden.

Volle Rückendeckung erhält Meuthen von mindestens zehn führenden AfD-Politikern, darunter die Parteivizechefs Beatrix von Storch und Alexander Gauland sowie einige Vorstandsmitglieder wie Alice Weidel, André Poggenburg und Armin-Paul Hampel. „Wir stehen geschlossen hinter Jörg Meuthen“, schreibt von Storch auf ihrer Facebook-Seite.

Unter dem Satz prangt ein Bild mit den Konterfeis der Unterstützer. Darüber steht geschrieben: „Nein zu Antisemitismus!“ Und: „Antisemitismus hat keinen Platz in der AfD und auch nicht in unseren Fraktionen. Daher stehe wir uneingeschränkt hinter Jörg Meuthen und seinem konsequenten Kurs, diese rote Linie glaubwürdig zu ziehen.“

Nicht bei der Aktion dabei ist Meuthens Ko-Vorsitzende Frauke Petry. Vermutlich, weil sie dessen Vorgehen im Fall Gedeon für inakzeptabel hält. Auf ihrer Facebook-Seite machte sie eine Erklärung an alle Mitglieder öffentlich, in der sie Meuthen vorwirft, mit seiner öffentlichen Rückzugsdrohung einen Keil in die Stuttgarter AfD-Landtagsfraktion getrieben zu haben.

Vor einer Entscheidung über Gedeons Ausschluss aus der Fraktion wären „geordnete und seriöse Formen der Aufklärung“ nötig gewesen, etwa ein wissenschaftliches Gutachten zu den Antisemitismusvorwürfen gegen Gedeon. Petrys Facebook-Eintrag ist mit einem Bild versehen, auf dem sie selbst und der AfD-Vize-Chef Albrecht Glaser zu sehen sind. Überschrieben ist das Foto mit einem Spruch, ähnlich dem Bekenntnis der Meuthen-Unterstützer: „In Einheit gegen Antisemitismus“.

Meuthen warf Petry ein „bizarres Hineinregieren“ in die Landtagsfraktion vor. „Frauke Petry behauptet, es gäbe einen Beschluss der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion, man solle im Fall Gedeon zunächst ein wissenschaftliches Gutachten einholen. Diese Behauptung von Frauke Petry ist wahrheitswidrig“, sagte Meuthen der „Welt“. Ein Vorgehen mit einem Gutachten sei lediglich vorgeschlagen, nicht aber beschlossen worden.


Führende Mitglieder von Meuthens Fraktion proben den Aufstand

Der umstrittene AfD-Landtagsabgeordnete Gedeon, für dessen Fraktionsausschluss eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, hatte in einem Buch behauptet, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin diene der Erinnerung an „gewisse Schandtaten“. Zudem bezeichnete der Arzt Holocaust-Leugner als „Dissidenten“ und verglich sie so mit Menschen, die für ihr politisches Engagement in autoritären Regimen verfolgt werden.

Sein Rauswurf aus der Partei wird immer wahrscheinlicher. Der AfD-Landesvorstand beschloss am Samstag, Ordnungsmaßnahmen gegen Gedeon zu prüfen. Das Gremium kommt damit einer Aufforderung des Bundesvorstands nach. „Das konzentriert sich aber auf einen Parteiausschluss“, sagte Vorstandssprecher Lothar Maier.

Der Landesvorstand forderte Gedeon zugleich auf, die Landtagsfraktion im Interesse der Gesamtpartei aus freien Stücken zu verlassen. Dazu ist dieser aber bisher nicht bereit. Gedeon hatte sich vor wenigen Tagen - trotz der Rückzugsdrohung Meuthens - noch zuversichtlich geäußert, dass die Fraktion für seinen Verbleib stimmt.

Drei führende Mitglieder von Meuthens Fraktion forderten diesen unterdessen auf, „auf die Sachebene der Causa Gedeon zurückzukehren und die Spaltung der Fraktion nicht billigend in Kauf zu nehmen“. Emil Sänze, Rainer Balzer und Bernd Grimmer erklärten, dass Meuthen ihrem Vorschlag nicht gefolgt sei, die Antisemitismusvorwürfe gegen Gedeon „durch ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten“ prüfen zu lassen. Aus Parteikreisen hieß es, das Abstimmungsergebnis sei noch völlig offen. „Ich denke, es wird knapp“, sagte Balzer.

Petry verschärfte am Montag noch einmal ihre Kritik an Meuthen. Sie warf ihrem Ko-Bundeschef vor, sich zu spät um die Antisemitismusvorwürfe gegen Gedeon gekümmert zu haben. „In der Tat hätte man vorher mit Herrn Gedeon umgehen können - er hat das versäumt“, sagte Petry. Sie wehrte sich zudem gegen Meuthens Anschuldigung, sie habe auf bizarre Art und Weise in seine Landtagsfraktion hineinregiert. Petry sagte, sie habe sich vielmehr zurückgehalten, weil es aus ihrer Sicht, „nicht hilfreich ist, in den Meinungsbildungsprozess der Fraktion einzugreifen“. Petry betonte: „Ich persönlich will keinen Antisemitismus in der AfD.“


Petrys Parteifreunde in Sachsen gehen auf Meuthen los

Dass Petry derart Front gegen Meuthen macht, hat eine Vorgeschichte. Als verschiedene Medien vergangene Woche übereinstimmend berichtet hatten, dass einflussreiche AfD-Politiker Petry als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 verhindern wollen, vermied es die AfD-Chefin, persönlich zu dem Thema Stellung zu beziehen. Stattdessen reagierte ihr sächsischer Landesverband – mit scharfen Attacken gegen Meuthen, der als einer der Drahtzieher hinter den Überlegungen vermutet wurde.

„Wenn Herr Meuthen seine persönliche Meinung über unsere Bundesvorsitzende öffentlich verbreitet, spricht dies gegen seine charakterliche Reife. Er und seine Mitstreiter treffen damit nicht nur die Bundesvorsitzende, sondern sie beschädigen die gesamte AfD", teilte Petrys Stellvertreterin an der Spitze der Dresdner Landtagsfraktion, Kirsten Muster, in einer Pressemitteilung mit. In der sächsischen AfD-Fraktion sei es gute Sitte, einen Streit nicht öffentlich über die Medien auszutragen.

Die gesamte Fraktion stehe zu 100 Prozent hinter Petry. „Sie wird sich nicht auf das Niveau von Jörg Meuthen herabbegeben und dessen Äußerung öffentlich kommentieren.“ Wer die AfD im kommenden Jahr als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf führe, entscheide zudem nicht Meuthen, sondern ein dafür legitimiertes Parteigremium.

Meuthen hatte zuvor die baden-württembergische AfD-Politikerin Alice Weidel als mögliche Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl 2017 ins Spiel gebracht.  Er sagte der „Bild“-Zeitung: „Ich könnte mir Alice Weidel sehr gut als Spitzenkandidatin vorstellen. Sie hat dafür das Format und wird sich in wenigen Tagen öffentlich äußern.“

Scharfe Kritik an Meuthen äußerte auch der Vorsitzende der sächsischen AfD-Jugend, Julien Wiesemann. Er warf Meuthen vor, mit seinem Vorgehen im Fall Gedeon die Partei beschädigt zu haben. Ursprünglich habe er zwar erklärt, im Landtag bleiben zu wollen und nicht für den Bundestag zu kandidieren. „Allerdings könnte es ja sein, dass er nun glaubt, sich bei einem vollzogenen Fraktionsaustritt als starker Mann an der Spitze der Bundespartei präsentieren zu können“, sagte Wiesemann. „Die Unterstützung dafür kann er sich allerdings getrost abschminken. Er hat sich durch die Erpressung seiner Fraktion und die öffentliche Beschädigung der Partei dafür disqualifiziert.“

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