AfD "Wir sind keine populistische Partei"

Die Alternative für Deutschland startet parallel den Wahlkampf und die Mitgliederbefragung über die politischen Leitlinien. Ein Vor-Ort-Termin folgt einer ungewöhnlichen Agenda.

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AfD-Parteichef Bernd Lucke (l) und Hans-Olaf Henkel versuchen rechtspopulistische Parteimitglieder wieder loszuwerden Quelle: dpa

Die Plakate hängen schon: „Mehr Freiheit – weniger Brüssel“ prangt auf dunklem Blau. „Solide Währung statt Euro-Schuldenwahn“, heißt es gleich daneben. „Washington spioniert, Brüssel diktiert, Berlin pariert.“ Kurz, knackig und wenig zimperlich geht die Alternative für Deutschland in den nächsten sechs Wochen bis zur Europawahl am 25. Mai auf die Straße. „Alle Macht geht vom Volke aus. Wann bei uns?“

Der Termin in der Berliner AfD-Landesgeschäftsstelle beginnt ein wenig ungewöhnlich. Pressesprecher Götz Frömming stellt zuerst nicht die Protagonisten der Alternative für Deutschland vor, die den Europawahlkampf der jungen Partei präsentieren sollen, sondern namentlich jeden einzelnen Pressevertreter – als sei man froh und stolz, welche Journalisten gekommen sind. Ganz besonders freut er sich über Nina Apin, Redakteurin der linksalternativen „taz“, die „zum ersten Mal in der Landesgeschäftsstelle“ zu Besuch sei. Dann geht es zur Sache.

Gegen Mindestlohn und Euro

Hans Olaf Henkel, der frühere BDI-Präsident und nun die Nummer zwei auf der AfD-Europaliste, er- und durchlebt gerade seinen ersten aktiven Wahlkampf. Zwischen 200 und 500 Menschen kämen zu den Veranstaltungen, wissbegierig und mit klugen Fragen. Störungen durch Linksradikale oder Punker, die in Hamburg gerade wieder einen Wahlkampfstand angegriffen haben, habe es bisher bei ihm nicht gegeben. Er wehrt sich vor allem gegen den Vorwurf, die Alternative sei populistisch. Mindestlohn und Euro seien bei der Mehrheit beliebt, die AfD sei aber dagegen – „mit diesen Themen können wir keine populistische Partei sein“.

Er sieht viel mehr „eine interessante Liste von liberalen Positionen“ im Europaprogramm seiner neuen politischen Heimat. Das klare Nein zur Vorratsdatenspeicherung hätten sonst nur FDP und Grüne, die AfD sei als einzige Partei gegen die Zwangsmitgliedschaften der Unternehmen in Handels- und Handwerkskammern. „Asylbewerber dürfen arbeiten – auch diese Position traut sich keine andere Partei.“ Die Europaprogramme der Wettbewerber seinen dagegen „alles Lachnummern: Alle reden vom Abbau der Bürokratie, aber alle bauen sie auf. Alle sind gegen die Vergemeinschaftung von Schulden – aber genau das machen sie.“ Und den Beamtenapparat bei den europäischen Institutionen, den „Wasserkopf in Brüssel“, möchte die Alternative gern innerhalb von sieben Jahren halbieren. „Das ist möglich, genau das verlangt Europa ja von Griechenland.“

Rechte Mitglieder wieder loswerden

Die größten Euro-Gegner
Hans-Olaf Henkel war Industrie-Chef und sieht Europa durch den Euro bedroht. Die aktuelle Krisenbewältigung schränke die Demokratie in den Eurostaaten erheblich ein. Henkel hofft auf ein Einlenken der Bundeskanzlerin. "Die Bereitschaft der Deutschen, weitere Griechenland-Rettungspakete und demnächst Portugal und Italien zu finanzieren, ist weniger verbreitet als die Bereitschaft, die Kernenergie zu unterstützen. Das heißt: Wenn Angela Merkel beim Euro eine Art Fukushima-Effekt erlebt, dann traue ich ihr zu, blitzschnell den Kurs zu ändern", sagte Henkel im Interview mit der WirtschaftsWoche. Quelle: AP
Der Ökonom und Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn hält viele Euro-Mitgliedsländer für nicht wettbewerbsfähig. Er plädiert für einen Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion und warnt eindringlich vor einer Bankenunion und Eurobonds. Im vergangenen Jahr hat er einen Brandbrief von rund 200 deutschen Ökonomen mitunterzeichnet. Innerhalb der Bundesregierung hat er sich damit keine Freunde gemacht. Doch das wird Sinn nicht stören. Einer, der den ifo-Chef gut kennt sagte, "Sinn würde zu seinen Thesen stehen, auch wenn andere daran zweifeln". Bevor Sinn sich und seine Thesen präsentiert, bereitet er sich stundenlang vor und feilt an seinen Formulierungen. Quelle: dapd
Alexis Tsipras ist Vorsitzender des griechischen Links-Bündnisses "Syriza" und der mächtigste Kritiker der griechischen Regierung. Er ist strikt gegen das Sparprogramm, das sein Land mit den internationalen Geldgebern verhandelt hat. Sein jüngster Vorschlag: Die griechische Regierung solle schlichtweg die Gespräche mit der Troika (IWF, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank) verweigern. Die fortschreitende Privatisierung von Staatsbetrieben will Tsipras eigenen Worten zufolge "kriminalisieren". Die griechische Regierung soll im Eiltempo öffentliche Unternehmen verkaufen. Bei der Wahl im vergangenen Jahre erreichte seine Partei 17 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft im Land. Umfragen sehen Tsipras inzwischen noch stärker. Quelle: dapd
Peter Gauweiler ist CSU-Politiker und profiliert sich vor allem als Euro-Skeptiker. Er stimmt gegen den Eurorettungsschirm und möchte die "Grenzüberschreitung" bei den europäischen Verträgen verhindern. Gauweiler war Mitkläger gegen die Euro-Hilfen, die vom Verfassungsgericht aber bestätigt wurden. Der CDU-Politiker befürchtet, dass sich die Ereignisse bei den Rettungsversuchen "überschlagen". Deshalb wisse er auch nicht, ob Angela Merkel selbst am Rettungsschirm weiterhin festhalten werde. Quelle: dpa/dpaweb
Silvio Berlusconi ist Unternehmer und ehemaliger italienischer Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen in Italien holte er fast 30 Prozent der Stimmen und konnte so eine linke Regierung verhindern. Berlusconi punktete im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Sparprogramme seines Vorgängers Mario Monti rückgängig zumachen. Auch für seine populistischen Thesen gegen den Euro erhielt er Applaus. Den Euro zu verlassen, sei keine Blasphemie, sagt Berlusconi. Quelle: REUTERS
Timo Soini ist Mitglied des Europaparlaments und Präsident der Partei "Basisfinnen". Sie lehnt Finanzhilfen für Griechenland ab. Mit seiner Euro-skeptischen Haltung weiß Soini viele seiner Landsleute hinter sich. In Finnland wächst die Sorge, dass die wohlhabenden Länder Europas den Süden dauerhaft alimentieren müssen.
Der Chef der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) Geert Wilders hat sich erfolglos am Euro abgearbeitet. Er geißelte die Sparregeln als "ein Diktat Brüssels", an denen sich jedes Land kaputtspare. Doch bei den Wahlen im September 2012 wurde Wilders von den Bürgern abgestraft und flog aus der Regierung. Quelle: REUTERS

Sorge machen Henkel nach eigenen Angaben noch einzelne rechtslastige Mitglieder der Alternative für Deutschland. Die Altparteien hätten sofort versucht, die AfD sofort in die rechtspopulistische Ecke zu stellen – „das ist ihnen mit Hilfe der Medien auch gelungen“. Nur deshalb seien „viele – zu viele“ in die AfD eingetreten, die genau eine solche Gruppierung gesucht hätten. „Das sind diejenigen, die sich am meisten zu Wort melden, am meisten schreien.“ Nun müssten Landes- und Bundesvorstände eben versuchen, diese Mitglieder wieder los zu werden. Man müsse nun bei der Programmarbeit aufpassen, denn es bestehe die „Gefahr, dass wenn einige Leute zufällig zusammen sitzen, irgendein Blödsinn beschlossen wird“.

Ein Mittel dagegen soll die breite Beteiligung der Anhänger an der Entwicklung des Programms sein. Gerade ist die Mitgliederbefragung über die Leitlinien der Partei gestartet, die noch bis zum 20 April läuft. Nachdem der Parteitag am 23. März den Plan der Führung gestoppt hatte, sofort über die vorgelegten Thesen abzustimmen, sollten die Mitglieder selbst Beiträge zum Entwurf leisten. Innerhalb von nur vier Tagen, berichtet Gustav Greve, der redaktionelle Koordinator, seien 1570 Formulierungsvorschläge eingegangen. „Da wurde was überlegt, da ist eine Vision dahinter“, sagt er nicht ohne Stolz.

Zusammen mit einem Kollegen hat der Unternehmensberater, der seit dem letzten Bundesparteitag auch Mitglied im Bundesvorstand ist, alle Eingaben gesichtet und zu Textvorschlägen verdichtet. „Es gab nur drei oder fünf Vorschläge, bei denen wir gesagt haben: völlig daneben.“ Jetzt sollen die Mitglieder zwischen den verschiedenen Formulierungsvorschlägen auswählen, danach wird noch einmal das gesamte Programm in der endgültigen Form zur Abstimmung gestellt. Bei der Verabschiedung des Europa-Wahlprogramms hatten sich 5500 Parteimitglieder beteiligt.

Dass viele AfD-Anhänger liberal dächten, knüpft Greve an den Rücklauf zu den Leitlinien-Formulierungen. Die meisten Änderungsvorschläge – 108 genau – gingen zu dem Passus ein, dass der Mensch nicht nur für die Arbeit da sei. Es gab Widerspruch, „weil die Partei den Leuten nicht vorschreiben soll, wie man seine Freizeit organisiert“, sagt Greve. „Das haben unsere Mitglieder sofort registriert.“

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