Affäre Wendt Recht und Ordnung in eigener Sache

Ob bei der Vergütung und den Nebentätigkeiten von Polizeigewerkschafter Wendt alles nach Recht und Gesetz zuging, wird noch geklärt. Eins ist aber klar: Ein Gewerkschafter im Sold des Arbeitgebers macht sich nicht gut. Ein Kommentar.

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Nur keine Neiddebatte. Quelle: dpa

Berlin Rainer Wendt ist der Lautsprecher unter Deutschlands Gewerkschaftern. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft teilt gerne aus: gegen Fußballvereine, die ihre Fans nicht im Griff haben, gegen „schöngeistige Rechtspflege“ vor Gericht, gegen Sozialarbeiter, gegen Flüchtlinge. Durch seine Dauerpräsenz in den Talkshows gilt Wendt als das Gesicht der deutschen Polizei. Nicht wenige wären wahrscheinlich traurig, wenn dem ewigen Besserwisser mal so richtig eins ausgewischt würde. Aber was ist wirklich dran an der Affäre um die Bezahlung und die Nebeneinkünfte des Gewerkschaftschefs?

Wendt saß im Aufsichtsrat des Versicherungskonzerns Axa und kassierte dafür und für weitere Mandate knapp 78.000 Euro im Jahr. Das Geld darf er behalten, denn beim Beamtenbund, zu dem die Deutsche Polizeigewerkschaft gehört, gibt es keine Abführungsregelung. Anders bei den im  Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengeschlossenen Arbeitnehmervertretungen. So sind Verdi-Vorstände etwa verpflichtet, Vergütungen für Aufsichtsratstätigkeiten, die eine Freigrenze von 5.000 Euro übersteigen, zu 90 Prozent an die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung beziehungsweise das Verdi-Bildungswerk abzuführen. Für die anderen DGB-Gewerkschaften gelten ähnliche Regelungen, auch für die Gewerkschaft der Polizei, die mit Wendts Organisation konkurriert.

Fragwürdig bleibt das Axa-Mandat dennoch. Denn Wendt hat nicht nur die Geschäfte des Versicherers kontrolliert, sondern in Interviews auch intensiv für die Produkte einer Axa-Tochter geworben, die vor allem Beamte gegen Lebensrisiken absichert. Hier entsteht schon der Eindruck, dass sich da jemand vor allem selbst gegen das Risiko der Verarmung schützen wollte. Und Wendt hat den Aufsichtsratsposten bei seinem Dienstherrn nicht gemeldet, was ihm nun ein Disziplinarverfahren einbringt. Wie naiv muss man sein, um das zu tun? Oder hatte Wendt freie Hand bei Nebentätigkeiten? Das ist nicht die einzige offene Frage, die seine Vereinbarung mit dem Land Nordrhein-Westfalen aufwirft.

Auch das Bezahlmodell ist äußerst fragwürdig. Wendt arbeitet voll als Gewerkschafter, bezieht aber weiter 3.550 Euro Teilzeit-Besoldung im Monat von der Polizei. Die Gewerkschaft selbst zahlt ihrem Chef nur eine Aufwandsentschädigung von 520 Euro. Selbst wenn damit das Gehalt eines Polizeihauptkommissars unterschritten wird, stellt sich schon die Frage, warum das Land dem Gewerkschafter diesen Gefallen tut. Um Chancengleichheit zwischen der Deutschen Polizeigewerkschaft und der doppelt so großen Gewerkschaft der Polizei herzustellen, argumentiert das Land.

Aber ist es Aufgabe eines Dienstherrn, eine Gewerkschaft aufzupäppeln? Ungute Erinnerungen an die „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB) werden wach, deren Vertreter von Siemens bezahlt wurden und die als Gegenkraft zur mächtigen IG Metall aufgebaut werden sollte. Oder war es dem nordrhein-westfälischen Innenminister vielleicht ganz recht, dass da jemand beständig und lautstark für mehr Personal bei der Polizei trommelte? Bezahlen muss es in der Tarifrunde dann ja schließlich der Finanzminister, der mit den Gewerkschaften am Verhandlungstisch sitzt. Oder ging es dem Polizeigewerkschafter schlicht darum, durch das Teilzeit-Dienstverhältnis seine Pensionsansprüche aufzubessern?  

Kann Wendt weiter glaubwürdig Gewerkschaftspolitik machen? Sollte das Disziplinarverfahren ergeben, dass er seine Nebentätigkeiten ohne Genehmigung ausübte, dürfte es eng werden für den Lautsprecher. Eine weiße Weste hat Deutschlands bekanntester Polizist schon heute nicht mehr. Zunächst hatte er bestritten, vom Land und seiner Gewerkschaft bezahlt zu werden – und damit gelogen. Dann weigerte er sich lange, seine Nebeneinkünfte offen zu legen, weil dies nur zu einer „Neiddebatte“ führen würde. Von einem Vorkämpfer für Recht und Ordnung dürfen die Gewerkschaftsmitglieder und die Öffentlichkeit mehr Offenheit und Transparenz erwarten.

Und die Deutsche Polizeigewerkschaft sollte sich überlegen, ob sie ihren Vorsitzenden künftig nicht doch lieber selbst bezahlen will. Ein Gewerkschafter, der zum größten Teil im Sold des Arbeitgebers steht, macht sich einfach nicht gut.      

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