Air Berlin und die Folgen Sorge vor weiteren Airline-Pleiten

Nach der Air-Berlin-Insolvenz sind weitere Airline-Pleiten nicht ausgeschlossen. In einem Brief an die EU-Kommission mahnt deshalb die Bundesregierung einen besseren Schutz für Flugpassagiere an.

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Die Airline hat mehr als 8.000 Beschäftigte. Mitte August hatte die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung hat vor den Folgen weiterer Airline-Pleiten für Flugpassagiere gewarnt und die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert. Das geht aus einem Brief des Staatssekretärs im Verbraucherschutzministerium, Gerd Billen, an den Chef der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der EU-Kommission, Henrik Hololei, hervor.

In dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt, weist Billen auf die Insolvenz von Air Berlin hin, die in Deutschland eine Diskussion um eine mögliche Insolvenzsicherung für Fluggäste, die nicht im Rahmen einer Pauschalreise befördert werden, neu entfacht habe. „Dabei ist die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz von Flugunternehmen im europäischen Luftverkehrsmarkt nach meiner Wahrnehmung in den letzten Jahren gestiegen“, so Billen. „Dem Wettbewerb in der Luftfahrtbranche können möglicherweise nicht alle Marktteilnehmer standhalten.“

Bislang sah die EU-Kommission keine Notwendigkeit, den Schutz von Verbrauchern bei Luftbeförderungen außerhalb einer Pauschalreise zu verbessern. Vielmehr sollten die bestehenden unionsrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsregelungen effektiver angewendet werden. Da die Solvenz eines Luftfahrtunternehmens staatlicher Kontrolle unterliegt, so die Auffassung Brüssels, hängt davon auch die Erteilung und das Fortbestehen der Betriebsgenehmigung für das Luftfahrtunternehmen ab. Gleichwohl wollte die Kommission prüfen, ob für den Schutz der Fluggäste bei Insolvenzen dennoch eine Rechtsetzungsinitiative erforderlich ist. Die Prüffrist ist vor zwei Jahren abgelaufen.

Billen macht in seinem Brief an die Kommission nun Druck, dass die Ergebnisse der Prüfung vorgelegt werden. Außerdem erwartet er eine Aussage darüber, ob es ein Schließen der Schutzlücke „angezeigt“ sei. „Dabei sollten auch die zwischenzeitlichen Entwicklungen des Luftverkehrsmarktes in die Prüfung einbezogen werden“, betont er. Und zwar sowohl die jüngsten Insolvenzen europäischer Luftfahrtunternehmen und ihre Folgen für die Verbraucher, als auch die Folgen einer obligatorischen Insolvenzsicherung für die europäischen Luftfahrtunternehmen angesichts der gegenwärtigen Wettbewerbssituation.

Aktuell genießen Fluggäste, die nicht im Rahmen einer Pauschalreise befördert werden, keinen Insolvenzschutz. Dazu zählen laut Billen insbesondere Privatreisende, das heißt Verbraucher, „die aufgrund der Tarifstrukturen vieler Fluggesellschaften zu frühzeitigen Flugbuchungen mit Vorauszahlungen motiviert werden“. Bereits geleistete Zahlungen wären aber im Insolvenzfall „vermutlich ebenso wenig abgesichert, wie gegebenenfalls zusätzliche Kosten für die Rückbeförderung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen“, so Billen in seinem Brief.


Vorerst nur Verhandlungen mit Lufthansa und Easyjet

Im Fall von Air Berlin will die insolvente Airline bis zum 12. Oktober vorerst nur mit der Lufthansa und Easyjet über den Verkauf von Unternehmensteilen verhandeln. Dies hätten die Gläubiger-Ausschüsse bei ihrer Sitzung am Donnerstag entschieden, teilte Air Berlin mit. Später sollten Verkaufsverhandlungen auch mit weiteren Bietern über sonstige Teilbereiche der Fluggesellschaft geführt werden. Angebote gibt es unter anderem von der Thomas-Cook-Tochter Condor, dem früheren österreichischen Rennfahrer Niki Lauda und einem chinesischen Unternehmer.

Laut Medienberichten soll die Lufthansa den größten Teil von Air Berlin übernehmen. Sie hatte allerdings erklärt, aus kartellrechtlichen Gründen keine Langstreckenflugzeuge zu kaufen. Air Berlin hat mehr als 8.000 Beschäftigte. Mitte August hatte die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet.

Neben dem SPD-geführten Verbraucherschutzministerium hatte sich auch schon Wirtschaftsminister Brigitte Zypries (SPD) für einen besseren Insolvenzschutz für Flugpassagiere stark gemacht. Der Verbraucher werde derzeit nicht für bereits gekaufte Tickets entschädigt, wenn eine Fluggesellschaft insolvent geht. „Da müssen wir auf EU-Ebene eine bessere Lösung finden“, sagte Zypries in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Verbraucherschützer setzen in dieser Frage auf die neue Bundesregierung. „Verbraucherschutz muss in der nächsten Koalitionsvereinbarung einen wichtigen Part darstellen. Denn Verbraucher brauchen Sicherheit auch bei Flugreisen“, sagte Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen bei Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), dem Handelsblatt. „Deshalb muss die nächste Bundesregierung eine nationale oder europäische Lösung dafür finden, dass im Voraus gezahlte Kundengelder im Falle von Flugbuchungen vor Insolvenz geschützt sind.“

Die Grünen knüpfen einen solchen Pleiteschutz an Bedingungen. „Die Airlines müssen dafür sorgen, dass ihre Kunden bestmöglich geschützt sind. Deshalb müssen sie auch für den Fall einer Insolvenz vorsorgen und das Risiko versichern und zwar kostenneutral für die Kunden“, sagte der Grünen-Verkehrspolitiker Markus Tressel dem Handelsblatt. „Das ist nicht nur eine Frage des Verbraucherschutzes, sondern auch der Kundenfreundlichkeit.“

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