„Es ist für mich ganz zentral, dass Lucke Vorsitzender bleibt“, sagte der frühere Tübinger Professor für Wirtschaftspolitik und heutige Europaabgeordnete Joachim Starbatty der WirtschaftsWoche. „Die Mitglieder und unsere Anhänger wissen: Es ist Lucke, der die Partei zusammenhält.“
Auch der Mannheimer Volkswirtschaftsprofessor Roland Vaubel, AfD-Mitglied der ersten Stunde, wirbt: „Anders als mit Lucke an der Spitze geht es nicht.“ Bei der Neuwahl des einzigen Vorsitzenden im November könne er sich „nicht vorstellen, dass Frau Petry eine Chance hätte“.
Schließlich habe sie mit ihrem Kurs in der Pegida-Debatte „keine Punkte gemacht“. Vaubel ist froh, dass die Parteiführung beschlossen habe, sich nicht an den Pegida-Aufmärschen zu beteiligen. „Einen Religionskrieg zu führen ist nicht unsere Sache. Ich halte Pegida für einen Versuch der NPD, die AfD zu zerlegen“, mutmaßt der Mannheimer Volkswirt.
Die wichtigsten Köpfe in der AfD
Professor, Gründer des Plenums der Ökonomen
Der 51-Jährige wurde bei Gründung der AfD ihr Sprecher. Der Vater von fünf Kindern lehrt Makroökonomie an der Universität Hamburg. Über 300 Wissenschaftler schlossen sich seinem „Plenum der Ökonomen“ an, das als Netzplattform Wirtschaft erklärt. Nach 33 Jahren trat Lucke Ende 2011 aus der CDU aus. Er trat als Spitzendkandidat der AfD für die Europawahlen an und wechselte im Sommer 2014 nach Brüssel.
Anwältin, Gründerin der Zivilen Koalition
Die Juristin, die zunächst 2012 Mitglied der FDP war, ist seit 2013 Mitglied der AfD. Sie wird dem rechtskonservativen Flügel der Partei zugerechnet. Sie engagiert sich neben der Euro-Rettung vor allem für eine christlich-konservative Familienpolitik. Am 25. Januar 2014 wurde von Storch vom Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg mit 142 von 282 Stimmen auf Platz vier der Liste zur Europawahl gewählt - und zog anschließend ins Europaparlament ein.
Emeritierter Professor für Volkswirtschaft
Im Kampf gegen den Euro hat er die größte Erfahrung: 1998 klagte er gegen dessen Einführung vor dem Bundesverfassungsgericht, 2011 gegen die Rettungsmaßnahmen. Der 72-Jährige, einst Assistent von Alfred Müller-Armack, führt den wissenschaftlichen Beirat der AfD – so etwas hat keine andere Partei.
Promovierte Chemikerin und Unternehmerin
Nach dem Studium gründete die Mutter von vier Kindern 2007 ihr eigenes Chemieunternehmen Purinvent in Leipzig – mit dem Patent auf ein umweltfreundliches Dichtmittel für Reifen. Sie fürchtet, ihre demokratischen Ideale würden „auf einem ideologisierten EU-Altar geopfert“. Seit 2013 ist sie eine von drei Parteisprechern und Vorsitzende der AfD Sachsen
Journalist, Publizist, Altsprachler und Historiker
Bei den bürgerlichen Blättern – 21 Jahre im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“, sieben Jahre als politischer Chefkorrespondent der „Welt“ – erwarb er sich den Ruf als konservativer Vordenker. Sozial-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sind auch im Sprecheramt der AfD seine Schwerpunkte.
Beamter, Politiker, Herausgeber, Publizist
Der promovierte Jurist leitete die hessische Staatskanzlei unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann. Dann Geschäftsführer und Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam. Führte die brandenburgische AfD bei den Landtagswahlen zu einem überraschend starken Ergebnis und führt nun die Fraktion im Landtag an.
Der Unternehmensberater Gustav Greve, der im AfD-Bundesvorstand die Formulierung des Parteiprogramms koordiniert, verweist darauf, dass in Bund und Ländern noch eine ganze Reihe Professoren aktiv seien. „Wir haben uns nicht komplett gewandelt von einer analytischen Partei zu einer Partei des schrillen Wortes.“ Dirk Meyer, Professor für Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, setzt auf den amtierenden Vorsitzenden sowie den ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel, heute ebenfalls Europaabgeordneter der AfD.
„Für mich macht sich das an den Personen Lucke und Henkel fest“, sagt Meyer. „Wenn die verschwinden, sehe ich nicht, dass mein Sachverstand dort noch gebraucht wird.“ Meyer ist zwar nie der AfD beigetreten, arbeitet aber im wissenschaftlichen Beirat mit. „Wo kann ein Professor sonst sein Arbeitsfeld in die politische Praxis einbringen? Das ist ein schöner Transfer.“ Im Europawahlprogramm habe die Arbeit des Beirats „deutliche Spuren hinterlassen“.
Der Machtkampf an der Parteispitze rund um den Jahreswechsel habe „erhebliche Unruhe in die Partei reingebracht hat“, stellt Starbatty fest. Auch er geriet wegen seines Eintretens für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP in die innerparteiliche Kritik. „Das hat mich sehr gewundert. Als Ökonom denkt man: Den Freihandel stellt man nicht infrage.“ Zudem seien mit Anti-TTIP-Kampagnen irrationale Ängste in der Öffentlichkeit geschürt worden. „Die Leute haben Angst vor amerikanischen Chlorhühnchen, aber bei uns sind die Hühnchen mit Antibiotika vollgepumpt.“