Altersarmut Mindestlohn reicht nicht für Grundrente

Viele Menschen fürchten Armut im Alter. Nun zeigen neue Berechnungen: Mit einem Einkommen auf Mindestlohn-Niveau reicht es auch nach 45 Beitragsjahren nicht für eine Rente oberhalb der Grundsicherung.

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So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Ein Gehalt auf Mindestlohn-Niveau reicht auch nach 45 Beitragsjahren nicht für eine Rente oberhalb der Grundsicherung. Vielmehr müsste der Stundenlohn dafür bei 11,68 Euro liegen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorlag. Heute gilt ein Mindestlohn von 8,50 Euro.

Die 11,68 Euro werden demnach gebraucht, um eine Nettorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach der ab Sommer geltenden Rente zu bekommen, die über dem durchschnittlichen Bruttobedarf in der Grundsicherung im Alter in Höhe von 788 Euro monatlich liegt. Zugrundegelegt werden bei der Rechnung eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden und 45 Arbeitsjahre.

Der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst, der die Frage gestellt hatte, sagte: „Der Mindestlohn soll vor Armut schützen - gerade auch im Alter. Doch mit 8,50 Euro wird dieses Ziel nicht annähernd erreicht.“ Wer einen Mindestlohn erhalte und 45 Jahre einen vollen Job mache, habe im Rentenalter nur Anspruch auf Sozialhilfe. „Das ist eine Blamage für unseren Sozialstaat.“ Der Mindestlohn müsse deutlich steigen.

Zuständig für die künftige Höhe der Lohnuntergrenze ist die Mindestlohnkommission. Das Gremium aus Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften soll bis Mitte des Jahres eine Anpassung der Höhe beschließen, die Anfang 2017 kommen soll.

Gewerkschaftsnahe Forscher hatten für eine Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens 9 Euro plädiert. Die Kommission hat sich laut gesetzlichen Vorgaben an der Tariflohnentwicklung zu orientieren. Einen Zeitungsbericht, nach dem der Mindestlohn auf 8,80 bis 8,85 Euro steigen könnte, war in Kommissionskreisen als „Spekulation“ bezeichnet worden.

Der Präsident des Ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hatte sich in der „Süddeutschen Zeitung“ gegen eine Anhebung des Mindestlohns ausgesprochen - und damit Protest von Gewerkschaften ausgelöst.

Allerdings ist die vom Lohn abhängige gesetzliche Rente nicht der einzige Schutz vor Altersarmut. Darauf verweist das Bundessozialministerium in seiner Antwort an Ernst: „Diese Betrachtung vernachlässigt (...) zusätzliche Altersvorsorge beziehungsweise weitere Einkommen neben der gesetzlichen Rente im Alter.“

Trotz der Rentenerhöhung zum 1. Juli um 4,25 Prozent im Westen und 5,95 Prozent im Osten Deutschlands warnen Sozialverbände und Gewerkschaften vor zunehmender Altersarmut. Die Koalition will Kleinrenten aufwerten und Betriebsrenten verbreiten. Darüber hinaus diskutiert sie Reformen zugunsten der Riesterrente, eine Stabilisierung des Rentenniveaus und eine Kopplung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung.

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