„So öffnen wir die Tür für eine enkelfitte Rente!“, schrieb der Rentenexperte der FDP, Johannes Vogel, nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags auf Twitter. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Pläne der neuen Bundesregierung belasten weiter vor allem die jüngere Generation.
Das Positive vorweg: Die Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen will den Nachholfaktor in der Rentenberechnung wieder aktivieren. Was technisch klingt, hat einen wichtigen Effekt: Sorgt die Rentengarantie dafür, dass bei sinkenden Löhnen in einer Krise die Renten nicht gekürzt werden, gleicht der Nachholfaktor bei wieder steigenden Löhnen die verhinderte Rentenkürzung aus. Das sorgt in Krisen für Fairness zwischen den Generationen.
Was der Koalitionsvertrag darüber hinaus nennt, um die Rente „generationengerecht abzusichern“, ist jedoch leider eine Farce: Deutschland soll im kommenden Jahr in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. In der Theorie ist das ein vielversprechendes Modell: Die gesetzliche Rente könnte dann in Zukunft über Aktien und Anleihen auch von Wohlstand und Produktivität in aller Welt profitieren. In Schweden beispielsweise wird die gesetzliche Rente zusätzlich zum Umlagesystem schon seit gut 20 Jahren durch einen mit einem Plus von im Schnitt 17 Prozent pro Jahr seit 2011 sehr erfolgreichen (und dabei günstigen) Aktienfonds ergänzt.
Für Deutschland kommt eine gesetzliche Aktienrente in der Praxis 2022 allerdings Jahrzehnte zu spät; oder, sagen Experten, 20 Jahre zu früh. Gegenwärtig jedenfalls gibt es viele ältere und wenige junge Leute. Wird jetzt eine teilweise Kapitaldeckung eingeführt, zahlt die junge Generation doppelt: über das Umlageverfahren für ihre Eltern und Großeltern – und für sich selbst, indem sie mühsam den Kapitalstock aufbaut. Beschließt die künftige Bundesregierung, dafür einen Teil der Beiträge zu verwenden, schwächt das sogar die sonstige Finanzierung der Rente zusätzlich.
Vor allem ein Satz aus dem Koalitionsvertrag entlarvt die angebliche Generationengerechtigkeit der Pläne: „Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben.“
Schon 2020 zahlte der Bund gut 75 Milliarden Euro als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung, um das System zu stützen. Werden die geltenden Haltelinien für Rentenniveau und Beiträge beibehalten, müsste er künftig 60 Prozent des Bundeshaushalts für die Rente aufwenden, zeigen Berechnungen des Ifo-Instituts. Also würden jüngere Generationen über ihre Steuern zur Kasse gebeten.
Das muss die künftige Regierung verhindern. Dazu gehört, zuzugeben, dass die Rentenversprechen auf Dauer nicht zu halten sind. Und dafür zu sorgen, die zu erwartenden Kosten fair zu verteilen.
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