Altersvorsorgepflicht für Selbstständige 30 Jahre lang 550 Euro pro Monat einzahlen – für eine Rente in Höhe der Grundsicherung

Knapp 200.000 Euro Beiträge für eine Rente gerade auf Höhe der Grundsicherung. Lohnt sich das? Quelle: imago images

Selbstständige sollen künftig verpflichtend fürs Alter vorsorgen, über die gesetzliche Rente oder ein privates Produkt. Was es sie kosten würde, die Vorgaben zu erreichen – und wann Alternativen eine echte Wahl wären.

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Für Menschen, die sich künftig selbstständig machen, soll es eine Pflicht geben, sich fürs Alter abzusichern. So plant es die neue Bundesregierung. Ihr Ziel: Selbstständige sollen später nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Gerade während der Coronapandemie verloren viele Selbstständige Aufträge, mussten ihre Läden schließen, konnten in der Folge kaum Geld fürs Alter zurücklegen oder mussten sogar Rücklagen auflösen.

Die neue Bundesregierung will Selbstständige auch daher in Zukunft gesetzlich rentenversichern – wenn sie dem nicht widersprechen und stattdessen ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Ausgenommen sollen Freiberufler wie Ärztinnen, Schauspieler und Hebammen sein, die bereits anderweitig pflichtversichert sind. Das private Vorsorgeprodukt müsse „insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen“, das sieht der Koalitionsvertrag vor.

Reicht Menschen im Alter das Geld nicht, um ihren Lebensunterhalt zu decken, bekommen sie vom Staat auf Antrag einen bestimmten Betrag (2022 sind es 449 Euro für eine Person), er übernimmt Miete und Heizkosten und zahlt gewisse Zuschläge – das ist die sogenannte Grundsicherung. Gerade wegen regional verschiedener Wohnkosten fällt sie unterschiedlich hoch aus; den durchschnittlichen Bruttobedarf bei der Grundsicherung im Alter gab das statistische Bundesamt 2021 mit 831 Euro an.

Lesen Sie auch: Was die Bundesregierung in Sachen Altersvorsorgepflicht für Selbstständige plant

Wie viel und wie lange Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssten, um dieses Niveau zu erreichen, zeigt eine Berechnung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für die WirtschaftsWoche. Eine Nettorente von 831 Euro entspricht demnach einer Bruttorente von 933 Euro: Bei krankenversicherungspflichtigen Rentnern gehen derzeit elf Prozent der Rente an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen ab; Kinderlose zahlen zudem 0,35 Prozent Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung.

45 Jahre lang einen Beitrag von 370 Euro pro Monat

Um also eine Bruttorente von 933 Euro zu erzielen, müssten Selbstständige nach derzeitigem Stand 45 Jahre lang monatlich 370 Euro einzahlen, rechnet die DRV vor – damit erreichten sie eine künftige monatliche Rente von etwa 21 Euro pro Beitragsjahr. Wollten Selbstständige dieses Niveau in 30 Jahren erreichen, müssten ihre jährlichen Beiträge ihnen etwa 31 Euro monatliche Rente einbringen. Dafür müssten sie 30 Jahre lang etwa 550 Euro pro Monat in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Das sind insgesamt knapp 200.000 Euro – die Rentenzahlungen eben nur auf Höhe etwa der Grundsicherung einbringen, also dem geforderten Minimum. Für künftige Selbstständige wird sich daher die Frage stellen, ob sie von der Wahlmöglichkeit Gebrauch machen und lieber – weil einträglicher – privat vorsorgen.

Die Bundesregierung will Selbstständige zur Altersvorsorge drängen. Doch viele lehnen die vermeintlich notwendige Hilfe ab. Sie befürchten eine Versicherungspflicht durch die Hintertür – und renditeschwache Modelle.
von Sophie Crocoll

Für Rentenberater und WiWo Coach Andreas Irion hängt das besonders davon ab, welche Alternativen zur gesetzlichen Rente der Gesetzgeber zulassen wird und wie diese ausgestaltet sein müssen: „Müssen Versicherer und Fondsgesellschaften wie bei Riester den Erhalt der eingezahlten Beträge garantieren, besteht die Wahlmöglichkeit nur auf dem Papier“, sagt Irion. Gerade im Umfeld niedriger Zinsen brächten solche Produkte dann zu wenig ein, die gesetzliche Rente sei im Vorteil.

Anders sei es, wenn zwar die Verpflichtung bestehe, einen gewissen Betrag einzuzahlen, Selbstständige aber das Risiko tragen dürften, dass es auch Verluste geben könnte, beispielsweise bei einem Aktienfonds. „Das wäre eine tatsächliche Alternative, die mit großer Wahrscheinlichkeit höhere Renditen erwirtschaften kann.“

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Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Bundesregierung eine Vorsorge will, die „insolvenz- und pfändungssicher“ ist, sagt Irion. Der Gesetzgeber könne verbieten, dass Anbieter während der Laufzeit Verträge auszahlen. „Dann ist sicher, dass das Produkt dem vorgesehenen Zweck dient: der Absicherung im Alter.“

Mehr zum Thema: Was die Bundesregierung in Sachen Altersvorsorgepflicht für Selbstständige plant – und warum die sich sorgen, in die gesetzliche Rentenversicherung gedrängt zu werden.

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