Altmaier auf Fachkräfte-Werbetour Können Vietnamesen Deutschlands Fachkräfte-Mangel lindern?

„Vietnam ist für Deutschland ein zentraler Wirtschaftspartner in Asien“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier vor seiner Reise nach Vietnam. Quelle: BMWi/BILDKRAFTWERK

Auf seiner Vietnam-Reise wirbt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier um Fachkräfte. Die jungen Leute dort seien motiviert – und besonders technikaffin. Einige deutsche Firmen setzen schon auf die Ausbildung vor Ort.

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Konzentriert sitzen etwa 20 junge Frauen und zwei jungen Männer in roten Trainingsjacken über ihre Nähmaschinen gebeugt. In der Produktionshalle rattern ihre und die Maschinen der vielen Näherinnen, die außerhalb von Hanoi im Norden Vietnams Hemden der deutschen Marke van Laack herstellen.

Über der Gruppe hängt ein Schild, „Training Centre“ steht darauf. Die Anfang-20-Jährigen werden hier nach deutschem Vorbild in Zusammenarbeit mit der Außenhandelskammer zu Modeschneidern ausgebildet, gerade arbeiten sie an hellblauen Hemden.

Da nähern sich die Direktorin von van Laack in Asien und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Altmaier hat gern mit Menschen zu tun, er geht auch jetzt freundlich auf die jungen Leute zu, begrüßt sie, zeigt Interesse. Warum sie sich für diese Ausbildung entschieden habe, will er von einer der jungen Frauen wissen. Sie kenne Textilunternehmen aus ihrer Heimatstadt, antwortet sie.

Der Wirtschaftsminister ist für zwei Tage in Vietnam und eines der Themen, das er bei seinen Treffen mit seinen vietnamesischen Kollegen anspricht, ist die Fachkräfteeinwanderung. Die Bundesregierung hat im Dezember einen entsprechenden Gesetzesentwurf verabschiedet. Die beteiligten Ministerien, neben Altmaiers Haus das Innen- und das Arbeitsministerium, hätten gern, dass das Gesetz Anfang 2020 in Kraft tritt.

Gerade hat die Koalition allerdings eine geplante Beratung über das Gesetz verschoben. Union und SPD sind uneins über die geplanten Reformen bei Abschiebungen, die an das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gekoppelt werden sollen.

Der Inhalt des Gesetzes: Menschen von außerhalb der Europäischen Union, die gewisse Deutschkenntnisse und berufliche Qualifikationen nachweisen können, sollen leichter in Deutschland arbeiten können. Denn wenn Altmaier und seine Altersgenossen, die Babyboomer, in Rente gehen, werden den deutschen Unternehmen noch mehr Fachkräfte fehlen, als sie es derzeit schon beklagen.

Nur: Selbst mit dem entsprechenden Gesetz müssen Menschen im Ausland auf die neuen Möglichkeiten erst aufmerksam gemacht werden. Selbst dann braucht es Strukturen, damit auch kleinere Unternehmen ohne weltweit bekannten Namen im Ausland Mitarbeiter finden.

Eine Möglichkeit sind Abkommen mit einzelnen Ländern, wie Deutschland sie beispielsweise mit den Philippinen geschlossen hat. Dort werden Pflegekräfte darauf vorbereitet, in Deutschland zu arbeiten, und lernen Deutsch, bevor sie dann nach Deutschland kommen. So etwas, das wird auf der Reise deutlich, könnte sich Altmaier auch für Vietnam vorstellen.

In den nächsten Monaten wolle man auf die zuständigen Ministerien zugehen, hat er am Vortag seines Besuchs bei van Laack gesagt, und darüber sprechen, wie auch Vietnamesen schon in ihrem Heimatland Sprach- und berufliche Kenntnisse erwerben könnten. Vietnam könne zum Beispiel zu einem Hub für Gesundheitsberufe werden. Die Bereitschaft des Landes sei da, die Integrationsfähigkeit der Menschen gut.

Der deutsche Krankenhausbetreiber Vivantes unterhält gemeinsam mit einem vietnamesischen Regierungspartner bereits ein Internat für Pflegekräfte, es liegt 45 Fahrminuten außerhalb von Hanoi. Das in der Stadt ansässige Goethe-Institut organisiert die Sprachkurse. Morgens um sieben fahren zwölf Lehrer des Goethe-Instituts an die Schule, ein Jahr lang unterrichten sie jeden Jahrgang. Insgesamt seien das 1100 Stunden Deutschunterricht, einschließlich der Fachsprache, wie man sie in Krankenhäusern und Pflegeheimen brauche, sagt Matthias Jakus, der Leiter der Spracharbeit des Instituts.

Das Kalkül der Vietnamesen

400 junge Vietnamesen nehmen pro Jahrgang an den Kursen teil. Das samt Kost und Logis bereitzustellen sei schon teuer, sagt Jakus. Kleine Träger könnten sich das eher nicht leisten. Doch es ist eine Investition, die sich für deutsche Unternehmen lohnen dürfte: Sechs von zehn Vietnamesen sind jünger als 30 Jahre, jedes Jahr entlassen die Schulen eine Million junge Leute auf den Arbeitsmarkt.

Für die regierende Kommunistische Partei ist es daher essenziell, ihnen eine Perspektive zu bieten und Projekte wie das Vivantes-Internat einzugehen – schon allein, damit junge Vietnamesen nicht anfangen, die Legitimität des Ein-Parteien-Systems in Frage zu stellen. Das Kalkül scheint zu sein: Solange das Wachstum stimmt – und das lag in den vergangenen fünf Jahren stets bei sechs Prozent oder mehr –, bleibt auch die Bevölkerung zufrieden und unpolitisch.

Die vietnamesische Regierung zeigt sich daher auch sehr interessiert an der deutschen Berufsausbildung wie sie beispielsweise der Hemdenhersteller van Laack in seinem Werk eingeführt hat. Das Programm richtet sich an Studenten der Technischen Universität Hanoi, die parallel einen Bachelorabschluss als Textilingenieure und den deutschen Berufsabschluss erwerben.

Im Betrieb lernen sie die Praxis kennen, die ihnen an der Universität fehle. Das berichtet die Leiterin von van Laacks Asiengeschäft. „Es ist Ihnen gelungen, eine Umgebung zu schaffen, wo Können wichtig ist“, sagte Altmaier. Solche Programme könnten auch für andere Branchen von Interesse sein. Junge Vietnamesen seien technik- und mathematikaffin, sagt Frauke Schmitz-Bauerdick von der bundeseigenen Außenwirtschaftsgesellschaft GTAI.

Viele der mit Altmaier mitreisenden deutschen Unternehmensvertreter loben die motivierten und engagierten Mitarbeiter in Vietnam. Anders als in anderen asiatischen Ländern hielten sie ihren Arbeitgebern auch länger die Treue, sagt Helmut Bode, Asien-Pazifik-Chef des Zulieferers Schaeffler. So betrage die Fluktuation bei Schaeffler in Vietnam weniger als drei Prozent, während sie anderswo in der Region bei zehn Prozent lag.

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