Amazon-Kritik „Wer von der sozialen Marktwirtschaft profitiert, muss sie selbst leben“

Amazon im Fokus der Koalitionsparteien Quelle: imago images

Die Kritik am Internetriesen Amazon wächst auch in der Berliner Regierungskoalition – und zwar nicht nur in der SPD, sondern auch in der Union.

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Amazon und die deutsche Politik, das ist ein kompliziertes und spannungsreiches Verhältnis. Der Konzern wird, meist im Stillen, durchaus bewundert. Aber angefeindet wird er eben auch, und das dann meist ziemlich laut. Den Innovationshunger, das Tempo und den unbedingten Willen, in nahezu alle digitalen Wirtschaftsbereiche einzudringen, bewundern die einen. Die anderen prangern die unersättliche Datenkrake an, den miesen Arbeitgeber und Tod des Einzelhandels, der zu allem Überfluss im Ruf steht, kaum Steuern zu zahlen, in Europa allemal.

Das war die Gemengelage in der Hauptstadt schon vor der gegenwärtigen Krise. In der Coronarezession werden viele dieser zuletzt eher unterschwellige Gerechtigkeitsdebatten plötzlich scharf stellt, werden Fragen von Verteilung und Profit, Fairness und Teilhabe in lang unbekannter Schärfe aufgeworfen. Und was bemerkenswert ist: durchaus in beiden Koalitionsparteien.

Zuallererst von der SPD. „Mit einem Klick sind viele Dinge schnell bestellt. Daran verdienen viele Unternehmen - gerade auch Amazon in Deutschland. Klar ist, wer hier von der sozialen Marktwirtschaft profitiert, muss sie auch selbst leben - das gilt bei den Mitbestimmungsrechten im Betrieb und Konzern ebenso wie bei der Frage der Versteuerung der Wertschöpfung“, sagt SPD-Bundestagsfraktionsvize Katja Mast der WirtschaftsWoche. Und damit nicht genug, Mast will noch einen Punkt setzen: „Nicht jedes legale Steuerschlupfloch steht einem Konzern gut zu Gesicht, der in Deutschland weiter gute Umsätze machen will.“

von Jacqueline Goebel, Max Haerder, Henryk Hielscher, Matthias Hohensee

Da ist es wieder, das Steuerthema. Wenn es eines nicht mehr allzu fernen Tages darum gehen wird, wer die immensen Lasten dieser Krise zu tragen, die milliardenschweren Schulden abzubezahlen hat, dürfte es noch hitziger werden. Man kann sich die Debatte um die Rolle global agierender, sich schnell entziehender Digitalkonzerne in einem Wahljahr 2021 schon gut vorstellen.

Der Koalitionspartner formuliert es etwas zurückhaltender, aber durchaus ebenso unmissverständlich. „Amazon hat als größter Onlinehändler der Welt und als Gewinner der Coronakrise eine besondere Verantwortung für die Einhaltung sozialer Standards“, mahnt Christian Bäumler gegenüber der WirtschaftsWoche an. Bäumler ist Vize-Chef der CDA, dem Arbeitnehmerflügel der CDU. „Das gilt für die Arbeitsbedingungen, den Gesundheitsschutz aber auch für die Bezahlung“, sagt Bäumler weiter. „Die Beschäftigten müssen an den Gewinnen stärker beteiligt werden.“

Er steht damit keinesfalls allein. Das Bundeswirtschaftsministerium unter einem CDU-Minister hat in den vergangenen Monaten an einer Novelle des Wettbewerbsrecht gearbeitet, die vor allem auf die Machtverhältnisse im digitalen Raum abzielt. Das Gesetz aus dem Hause Peter Altmaiers wird gerade innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Wenn es Kabinett und Bundestag passiert hat, wird der Zugriff der Politik und des Kartellamtes gerade auch auf das Gebaren großer Digitalkonzerne größer sein, die Bürger mehr Souveränität über ihre Daten besitzen. Auch Altmaiers Entwurf enthält also eine Menge Skepsis, gerade gegenüber der drohenden Allmacht der Giganten.

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