Amok in München Politiker fordern schärfere Waffengesetze

Die Politik beginnt nach dem Attentat in München eine Sicherheitsdebatte. Nicht nur über schärfere Waffengesetze wird nachgedacht. Bayerns Innenminister fordert in „extremen Situationen“ gar den Einsatz der Bundeswehr.

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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU, links) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ziehen erste Konsequenzen nach dem Attentat in München. Quelle: dpa

Frankfurt Nach dem Amoklauf in München setzt die politische Debatte ein, wie solche Bluttaten künftig verhindert werden können. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach sich dafür aus, die Einsatzkonzepte der Polizei noch einmal unter die Lupe zu nehmen. „Das wird sicher jetzt noch einmal überprüft werden müssen“, sagte der CDU-Politiker am Samstagabend in der ARD. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte in der „Welt am Sonntag“, dass „wir in extremen Situationen“ wie Terroranschlägen „auch in Deutschland auf die Bundeswehr zugreifen können“.

In den Blickpunkt rücken zudem die Waffengesetze: De Maizière sagte der „Bild am Sonntag“, zunächst müsse ermittelt werden, wie der Amokläufer an die Tatwaffe gelangt sei. „Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt.“ Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Waffenkontrolle ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren.“ Der SPD-Politiker sagte zudem, Staat und Gesellschaft müssten bei psychisch instabilen Menschen „hinsehen und intervenieren - gerade bei Jugendlichen“.

Am Freitagabend hatte ein 18 Jahre alter Einzeltäter vor und im Olympia-Einkaufszentrum kaltblütig neun Menschen - darunter sechs Jugendliche - erschossen und sich dann vor den Augen von Polizisten selbst getötet. Er hatte nach Behördenangaben noch 300 Schuss Munition übrig. In der Wohnung des jungen Mannes wurde nach Aussage de Maizières Material gefunden worden, das Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vor genau fünf Jahren vermuten lasse. Einen zunächst befürchteten Bezug der Bluttat zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schlossen die Behörden aus.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich schockiert. Zugleich lobte sie - wie Politiker aller Parteien - die Einsatzkräfte für ihre „hoch professionelle“ Arbeit. Nun gehe es darum, die Morde vollständig aufzuklären. Deutschland trauere „mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden“, sagte Merkel. Sie fügte an die Adresse der Angehörigen hinzu: „Wir denken an Sie, wir teilen Ihren Schmerz, wir leiden mit Ihnen.“

Nahe dem Tatort in München legten zahlreiche Menschen zum Gedenken an die Opfer Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Der Eiffelturm in Paris erstrahlte am Samstagabend in den deutschen Nationalfarben Schwarz, Rot und Gold. Präsidenten und Regierungschefs sowie Prominente und Sportler weltweit drückten den Hinterbliebenen ihr Beileid aus und verurteilten den Amoklauf scharf.

Auf Hass dürfe nicht mit Hass reagiert werden, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller der „Welt am Sonntag“. Außerdem könne eine Großstadt wie Berlin nicht an jede Ecke einen Polizisten stellen. „Ebenso wenig können Sozialarbeiter überall einen Blick hineinwerfen“, sagte der SPD-Politiker.


Seehofer: Alles tun, um Bevölkerung zu schützen

Der Täter war für die Sicherheitsbehörden ein unbeschriebenes Blatt. „Gegen ihn waren bisher keine polizeilichen Ermittlungen bekannt“, sagte de Maizière. „Und es gibt auch keine Erkenntnisse der Nachrichtendienste über diese Person.“ Möglicherweise sei der junge Mann gemobbt worden. De Maizière machte brutale Internetvideos und Computerspiele für Gewaltexzesse wie in München mitverantwortlich.

Der Amokschütze, der in München aufgewachsen ist und zur Schule ging, hatte nach ersten Erkenntnissen von Ermittlern eine Erkrankung „aus dem depressiven Formenkreis“. „Wir haben einige Hinweise dafür, dass eine nicht unerhebliche psychische Störung bei dem Täter vorliegen könnte“, sagte auch Bayerns Innenminister Herrmann.

Die Getöteten stammten nach Angaben des Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä alle aus München und Umgebung. Zwei 15-Jährige und drei 14-Jährige seien ums Leben gekommen, so die Ermittler. Weitere Opfer seien 17, 19, 20 und 45 Jahre alt gewesen. Unter den neun Todesopfern seien drei Frauen. Drei Tote stammten aus dem Kosovo. Der Präsident des Balkanstaates, Hashim Thaci, ordnete für Sonntag Staatstrauer an.

„Einen Tatort zu begehen, geht ins Mark. Um die Eltern zu wissen, die um ihre Kinder weinen, die Freunde, die um ihre Schulkameraden trauern. All das ist bitter“, sagte de Maizière in München. Er appellierte an die Menschen in Deutschland und Europa, ruhig zu bleiben. „Ich verstehe, dass die Bevölkerung besonders aufgewühlt ist. Nach Nizza, Würzburg nun München - es ist sehr wichtig, dass wir jeden Fall einzeln aufklären, dass wir die Hintergründe verstehen und die richtigen Konsequenzen ziehen können.“

Die bayerische Landesregierung will nach dem Amoklauf die Polizei besser ausstatten, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sondersitzung des Kabinetts in München sagte. „Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir als politisch Verantwortliche alles Erdenkliche tun werden, um unsere Bevölkerung zu schützen.“ Seehofer ließ durchblicken, dass es mehr Geld für die Polizei geben soll - sowohl für zusätzliche Stellen als auch neue und bessere Ausrüstung. Am Freitagabend waren etwa 2300 Polizisten im Einsatz gewesen, darunter auch die Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei.

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