Ampel-Koalition Das ist Politik wie im billigen Western

Rund 15 Monate nach der Bildung der Ampel ist wenig von der Regierung übrig, die vieles besser machen wollte. Quelle: dpa

Die Ampel wollte vieles besser machen. Heute inszeniert sie ihre Konflikte, feiert sich für überfälligen Pragmatismus – und verpasst die Chance, hehre Ansprüche mit klugem Regierungshandeln zu erfüllen. Ein Kommentar.

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Es gibt einen alten Scherz in der Politik, und der geht so: „Kommen wir zu den Sachfragen: Was wird aus mir?“ Natürlich, ein blödes Klischee: Politiker, die nur an sich denken, an ihren eigenen Vorteil und den ihrer Parteien. Was aber, wenn das Klischee zur Wirklichkeit wird, mehr noch: die Handelnden geradezu einen lustvollen Tauchgang durch das ölverschmierte Meer der Vorurteile unternehmen?

SPD, Grüne und FDP sind selbst schuld, wenn die 16 Seiten ihres Ergebnispapiers nach wochenlangen Scharmützeln nun gelesen werden wie politisches „Schiffe Versenken“. Kein rigoroses Ölheizungsverbot, Technologieoffenheit – Treffer für die Liberalen! Milliarden für die Bahn, höhere Lkw-Maut – da haben die Grünen den anderen aber auch einen vor den Bug gesetzt! Wir lassen keinen im Stich, sozialer Ausgleich für Mieterinnen und Mieter – die Genossen erreichen den sicheren Hafen! Das ist Politik – und nebenbei: auch Politikbeobachtung – wie im billigen Western: Wer hat am Ende mehr Kerben am Colt?

Grundgütiger! 30 Stunden, so haben es fleißige Kolleginnen und Kollegen handgestoppt, saßen sie also zusammen, die Partei- und Fraktionsspitzen der Ampel. Und weiter weg vom Pathos und Aufbruchswillen und Erneuerungsehrgeiz ihres seligen Anfangs, damals Ende November 2021, dürften sie nie gewesen sein. Wenn es das schon war mit dem Fortschritt, dann vielen Dank auch.

Nach dreitägigen Beratungen hat die Ampel-Koalition Streitpunkte vor allem beim Klimaschutz und im Verkehrssektor ausgeräumt. Hier finden Sie das Papier als PDF zum Download.

Die Einigung des gestrigen Abends, deren Entstehung sich anfühlte wie aberwitzig verdichtete Koalitionsverhandlungen, ist an vielen Stellen kaum mehr als eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, bei denen man ausrufen möchte: na, dann macht doch endlich! Oder von Common Sense. Oder auch von seltsamen Wiederholungen. Beispiel: dass das Klimaschutzgesetz in letzter Konsequenz „sektorübergreifend“ Emissionseinsparungen bilanzieren soll, stand so schon längst im Koalitionsvertrag. Dass alle Sektoren, also auch der Verkehr, doch einen Beitrag leisten sollen und müssen, ist ebenfalls keine Neuigkeit und auch kein Paradigmenwechsel – das wird weiter für Streit sorgen, jede Wette. 

Und aus den dürren Zeilen zur Wärmewende und der Umsetzung von Sanierungen meint man weiterhin geradezu die Hilflosigkeit von Koalitionären herauslesen zu können, die auch immer noch nicht wissen, wie Klimaschutz in Häusern und Wohnungen funktionieren soll, ohne dass dabei die Mittelschicht auf die Barrikaden geht. Fördern first, Konsequenz second. Und ein bisschen Daumen drücken. Klingt irgendwie mehr nach GroKo, als der Ampel lieb sein kann.

von Dieter Schnaas

Dass drei Parteien am Ende mehr bilden könnten als nur die Schnittmenge ihrer Programme, mit dieser Hoffnung und diesem Anspruch war die Ampel einmal angetreten. Eine Regierung wollten sie sein, die einen gesellschaftlichen Willen zum Aufbruch nicht nur umsetzen, sondern auch verkörpern könnte.

Rund 15 Monate später ist davon nur noch eine so genannte Koalition übrig, die nicht zuerst das Verbindende sucht, sondern das Trennende für einen schnellen öffentlichkeitswirksamen Geländegewinn inszeniert. Eine Regierung, die eben nicht stellvertretend Konflikte bestmöglich auflöst, sondern hingebungsvoll auskostet. Heraus kommt Politik fürs eigene Publikum durch das rot, grün oder gelb lackierte Schaufenster. 

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Das eigene Milieu für die Argumente der anderen zu öffnen, damit die anderen das Gleiche tun – das sollte den Fortschritt ausmachen. Was wird aus uns? Aus uns allen? Vielleicht stellt der Kanzler seiner Regierung das nächste Mal besser diese Fragen.

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