Der Kaufpreis von 77 Millionen Euro ist auch für die Landesregierung kümmerlich. Denn er reicht nicht annähernd aus, um die Fehlinvestitionen aus der Ära Kurt Beck (SPD) auszugleichen. Bei der EU-Kommission läuft ein Verfahren wegen vermuteter Beihilfen des Landes in Höhe von einer halben Milliarde Euro. Allein 330 Millionen Euro davon flossen in einen 2009 eröffneten Freizeitpark mit Achterbahn, Veranstaltungshallen, der Shopping-Mall „Ring Boulevard“ sowie Hotels, Restaurants, Disco und Ferienhaus-Dorf. Die Bauten waren der wesentliche Grund für den Bankrott der Nürburgring GmbH, die zu 90 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz und zu zehn Prozent dem Landkreis Ahrweiler gehört.
Für die derart teuer errichteten Spaßbauten sind 77 Millionen Euro ein Schnäppchenpreis – erst Recht, wenn es dazu auch noch das Tafelsilber der beiden Rennpisten Nordschleife und Grand-Prix-Strecke obendrein gibt. Noch peinlicher wird es für das Land, wenn der Käufer Capricorn ankündigt, die kostspielige Achterbahn verschenken zu wollen und den für viel Geld errichteten Verlustbringer „Grüne Hölle“ mit Hotel, Disco und diversen Restaurants gleich ganz abzureißen.
Die aktuelle rot-grüne Landesregierung um Kurt Becks Nachfolgerin Malu Dreyer und den für den Nürburgring zuständigen Innenminister Roger Lewentz (beide SPD) kann bei derartigen Nachrichten froh sein, dass sie sich wenigstens nicht für einen Billig-Verkauf an einen Finanzinvestor rechtfertigen muss. Mit dem Verkauf an Capricorn ist nach Ansicht von Dreyer ein Neustart möglich. Der Verkauf könne den Nürburgring wieder aufwerten, sagte sie am Mittwoch. Mit Blick auf den Freizeitpark räumte sie frühere Fehler der SPD-Landesregierung ein: „Zu groß, zu viel, mit handwerklichen Fehlern ist gebaut worden.“ Sie betonte: „Wir bedauern das.“ Nach dem Verkauf sieht sie aus der Region nicht nur schlechte Rückmeldungen: „Es gibt auch ein großes Aufatmen.“
„Legenden verkauft man nicht!“
Unangenehm für die Mainzer Politik ist jedoch auch, dass von den 77 Millionen Euro nur eine wesentlich geringere Summe an das Land zurückfließen wird. Das Land ist zwar Hauptgläubiger, allerdings wollen auch noch einige andere Gläubiger ihren Anteil. Zudem müssen aus dem Erlös noch die Kosten des Insolvenzverfahrens und des Verkaufsprozesses beglichen werden. Für eine Schlussabrechnung ist es fraglos noch zu früh, doch Beobachter halten es für nicht ausgeschlossen, dass am Ende nur 50 Millionen Euro oder sogar noch weniger in die Landeskasse fließen werden.
Bleibt noch die Frage, wo die Verkaufsgegner einzusortieren sind, die sich etwa im gemeinnützigen Verein „Ja zum Nürburgring“ um ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm sowie in der Initiative „Wir sind Nürburgring“ organisiert haben. Auf den ersten Blick zählen auch sie zu den Verlierern, doch hier ist die Situation vielschichtiger. Vor dem Koblenzer Hotel, in dem die Verkaufs-Pressekonferenz stattfand, protestierte ein kleines Grüppchen mit „Legenden verkauft man nicht!“-Plakaten.
Ihre größte Sorge war indes, dass mit HIG ein Finanzinvestor den Ring übernehmen und wie eine Zitrone ausquetschen könnte. In den Unmut darüber, dass der Ring überhaupt verkauft wird, mischte sich bei manchen der Demonstranten aber auch spürbare Erleichterung, dass wenigstens das aus ihrer Sicht schlimmste Szenario nicht eingetreten war.