Anders gesagt
Glückliches Neuseeland: Alleinerziehende Geringverdiener bekommen vom Staat noch Geld dazu. Quelle: imago images

Eine Steuersenkung wäre die beste Familienpolitik

Ferdinand Knauß Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Ferdinand Knauß Reporter, Redakteur Politik WirtschaftsWoche Online Zur Kolumnen-Übersicht: Anders gesagt

Die Sozialdemokraten behaupten, Familien „stärken“ zu wollen. Wie man das wirklich tun kann, zeigt der Blick nach Neuseeland oder Kanada. Dort zahlen gering verdienende Eltern kaum Steuern.

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Die Regierenden taten in dieser Woche besonders ausgiebig, was sie am liebsten tun: Sozialminister Hubertus Heil und Familienministerin Giffey lobten sich selbst. Der Anlass: das „Starke-Familien-Gesetz“.

Der vermutlich in den Führungsstäben der Ministerien oder im Willy-Brandt-Haus ersonnene Verkaufsname des Gesetzes soll wohl vor allem verschleiern, wie schlecht der deutsche Sozialstaat es mit den meisten Familien meint. Jene Familien nämlich, in denen Mütter und/oder Väter einer Erwerbsarbeit nachgehen und die von ihrem Einkommen einen im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich hohen Anteil als Steuern und Abgaben zahlen müssen. Sie werden vom deutschen Staat unterm Strich finanziell nicht gestärkt, sondern geschwächt. Das gilt auch für einkommensschwache Familien – zumindest sofern ein Elternteil oder beide erwerbstätig sind.  

Wenn Heil und Giffey tatsächlich Kinder und Eltern stärken und sie vor allem zu einem selbstständigen Leben in Würde ermuntern wollten, könnten sie sich an Neuseeland oder Kanada orientieren. Die OECD liefert dazu einfach zugängliche Informationen, nämlich den sogenannten „Steuerkeil“ (tax wedge) als Maß für den Zugriff des Staates auf Löhne und Gehälter. Das ist die Summe der Einkommenssteuer und der Sozialabgaben (inklusive des Arbeitgeberanteils) minus erhaltene Sozialtransfers, ausgedrückt als Anteil der Gesamtausgaben des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer.

Gerne reden deutsche Sozialpolitiker, vor allem sozialdemokratische und linke, von der Armutsgefahr etwa für Alleinerziehende. Also betrachten wir mit Hilfe der OECD einen alleinerziehenden Vater oder eine Mutter mit einem schwachen Einkommen von 67 Prozent des deutschen Durchschnitts. Der deutsche Fiskus und die Sozialversicherungen zweigen sich 31,5 Prozent dessen ab, was der Arbeitgeber für ihn an Lohn/Gehalt und Abgaben insgesamt aufwendet. Wohlgemerkt: Staatliche Sozialtransfers an den Alleinerziehenden (Kindergeld etc.) sind da schon abgerechnet. Dieser Mann oder diese Frau wird also nicht vom Staat gestärkt, sondern er selbst stärkt mit seinen ohnehin geringen Kräften umgekehrt den Staat. Durch das neue Starke-Familien-Gesetz dürfte sich daran allenfalls im Nachkommabereich in der nächsten OECD-Statistik vielleicht ein klein wenig ändern.

Dass es grundsätzlich anders geht, zeigt der Blick ins Ausland. Bleiben wir zunächst in Europa. In Irland kassiert der Staat nur 3,1 Prozent dessen ein, was der Arbeitgeber für einen Alleinerziehenden mit zwei Kindern und einem Einkommen von 67 Prozent des irischen Durchschnitts aufwendet.

Wem das besonders großzügig erscheint, der mag nach Kanada blicken, da zweigt sich der Staat gar nichts ab, sondern sorgt dafür, dass der geringverdienende Alleinerzieher noch 15,2 Prozent seines Lohns dazu bekommt. In Neuseeland sind es sogar 20,5 Prozent des Bruttolohns. Ein alleinstehender zweifacher Vater, für den seine Firma 40.441 Dollar im Jahr zahlt, erhält also nicht nur diese komplett, sondern noch mehr als 8000 Dollar vom Staat dazu. Eine neuseeländische Familie mit zwei Kindern und nur einem Verdiener mit Durchschnittsgehalt zahlt unterm Strich nur 1,9 Prozent an den Fiskus.

Der kanadische und der neuseeländische Staat können also tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, Familien minimal zu belasten, beziehungsweise wirklich zu stärken, wenn sie nur ein unterdurchschnittliches Arbeitseinkommen haben.

Wie das Beispiel aus Neuseeland und Kanada belegt, sind Staaten mit wenig ausgeprägten Umverteilungsapparaten keineswegs per se unsozial. Sie tun in der Regel weniger für die nicht Arbeitenden, schwächen aber auch nicht so sehr die wenig bis durchschnittlich verdienenden, arbeitenden Menschen – die Mittelschichtfamilien. Ein verwitweter oder geschiedener Lastwagenfahrer mit zwei kleinen Kindern kann in Neuseeland ein halbwegs bürgerliches Leben führen. In Deutschland dagegen gehört er, nachdem Fiskus und Sozialversicherungen zugeschlagen haben, eher zum Prekariat.

Eine der wirkungsvollsten Legenden in der sozialpolitischen Debatte in Deutschland und weiten Teilen Europas ist die von den vermeintlich unsozialen Niedrigsteuerländern. Diese Legende hat leider dafür gesorgt, dass der Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ im Gegensatz zur Intention seiner Schöpfer als Auftrag zum fortwährenden Ausbau eines gigantischen sozialstaatlichen Umverteilungsapparates uminterpretiert wurde, zu dessen größten Profiteuren die Sozialstaatsbürokraten selbst gehören.

Die Steuerpolitik, nicht der Ausbau des Sozialstaats, ist der Hebel für eine stabilisierende, an der Mittelschicht und vor allem Familien orientierte Gesellschaftspolitik.

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