Andrea Nahles Nur leere Versprechen an Langzeitarbeitslose?

Andrea Nahles fordert im Wahlkampf von der Union zwei Milliarden Euro mehr für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser. Doch als Ministerin hat sie dafür gesorgt, dass die Mittel de facto gekürzt worden sind.

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Die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte der Kanzlerin und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgeworfen, ihr im nächsten Bundeshaushalt zwei Milliarden Euro vorzuenthalten, die nötig wären, um für 100.000 Langzeitarbeitslose ein öffentlich gefördertes Arbeitsangebot zu machen. Quelle: Reuters

Berlin „Der Mitteleinsatz für die Eingliederung Arbeitssuchender wird um 1,4 Milliarden Euro angehoben.“ So steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD von 2013. Erreicht werden sollte dieses Ziel nicht durch eine Erhöhung des entsprechenden Haushaltstitels selbst. Stattdessen sollten jedes Jahr in anderen Aufgabenbereichen Einsparungen in Höhe von bis zu 350 Millionen Euro, sogenannte Haushaltsreste, dem Haushaltstitel „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ im Folgejahr gut geschrieben werden, um so schrittweise auf die 1,4 Milliarden Euro Erhöhung zu kommen.

Tatsächlich passiert ist jedoch etwas anderes: Die Jobcenter haben seit 2013 jedes Jahr bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik sogar mehr als 350 Millionen Euro eingespart. Im Ergebnis kam es damit nicht zu einer Erhöhung des Eingliederungstitels, sondern es wurden nur immer wieder die gleichen 350 Millionen Euro ins nächste Jahr weitergereicht. Nur 2015 gab es Haushaltsreste in Höhe von 38,2 Millionen Euro zusätzlich aus dem Haushaltsmittel für „Zusätzliche Mittel für Bildungsmaßnahmen“. Dies ergibt sich aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen, die dem Handelsblatt vorliegt.

Unter dem Strich wurden die Fördermittel sogar gekürzt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 3,368 Milliarden Euro für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit ausgegeben. Das sind 166 Millionen Euro weniger als 2013, dem Haushaltsjahr vor Nahles‘ Amtsantritt. Zumindest bis Ende 2016 wurde damit entgegen dem Koalitionsvertrag weniger Geld für die Eingliederung ausgegeben. Für Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktexpertin der Grünen, lassen sich diese Fakten schwer mit aktuellen Forderungen von Nahles an den Bundesfinanzminister von zwei Milliarden Euro mehr für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen vereinbaren.

„Die Wahlkämpferin Nahles fordert Milliarden für Arbeitslose. Die Ministerin Nahles arbeitet dagegen mit einem haushaltspolitischen Bluff. Sie hat mehr Geld für die aktive Arbeitsmarktpolitik versprochen, angekommen ist bei den Arbeitslosen davon aber nichts“. Stattdessen seien nur immer wieder die gleichen Ausgabenreste weitergeleitet worden. „Mit dieser Art der Resteverwertung werden die Arbeitslosen hinters Licht geführt“, sagte Pothmer. Verschärfend komme hinzu, dass jedes Jahr sogar erheblich höhere Ausgabenreste gebildet, also eingespart worden seien. Laut Schreiben des Finanzministeriums beliefen sich die Einsparungen auf 730 bis 770 Millionen Euro pro Jahr.

Nahles hatte in der letzten Debatte des Bundestags vor der Wahl Anfang September der Kanzlerin und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgeworfen, ihr im nächsten Bundeshaushalt zwei Milliarden Euro vorzuenthalten, die nötig wären, um für 100.000 Langzeitarbeitslose ein öffentlich gefördertes Arbeitsangebot zu machen. „Statt sich jetzt als Opfer des Koalitionspartners zu gerieren, hätte Nahles dafür sorgen müssen, dass das für diese Legislaturperiode schon genehmigte Geld tatsächlich auch ausgegeben wird.“ Das hätte am Ende auch zusätzliche Milliarden für öffentlich geförderte Beschäftigung und neue Perspektiven für die 1,5 Millionen Langzeitarbeitslosen gebracht, sagte dazu Pothmer. Stattdessen habe Nahles – wenn auch unter Protest – gerade erst sogar einer Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im nächsten Jahr zugestimmt.

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