Angehörigen-Entlastungsgesetz „Eine notwendige, finanzielle Entlastung“

Entlastung für Kinder von Pflegebedürftigen beschlossen Quelle: dpa

Kinder von Pflegebedürftigen müssen sich ab 2020 erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen, besagt das neue Angehörigen-Entlastungsgesetz. Das Kabinett kommt damit einer alten Forderung von Wohlfahrts- und Pflegeverbänden endlich nach.

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Pflegebedürftige Angehörige, seien es Eltern oder erwachsene Kinder, sind eine Herausforderung, häufig gar eine Belastung für die Betroffenen. Emotional, physisch und bislang oft auch finanziell. Für Letzteres forderten Interessenvertreter schon seit Jahren Entlastung – per Gesetz.

Bislang mussten sich viele Angehörige aufgrund des sogenannten Unterhaltsrückgriffs an den Pflegekosten ihrer pflegebedürftigen Verwandtschaft beteiligen, wenn deren eigenes Vermögen und die Mittel der Pflegeversicherung nicht ausreichten. Bei Singles waren im Jahr knapp 22.000 Euro Selbstbehalt nicht anrechenbar, bei einem Ehepaar knapp 39.000 Euro. Ähnliches galt bislang für Eltern, die für erwachsene Kinder mit Behinderung haften. Nur für ältere und erwerbsgeminderte Angehörige galt bereits eine recht hohe Selbstbeteiligungsgrenze.

Nun verschiebt die Bundesregierung diese Grenze durch das neue Angehörigen-Entlastungsgesetz nach oben und entlässt viele Angehörige aus der finanziellen Verantwortung für ihre pflegebedürftigen Eltern oder erwachsenen Kinder. Ab 2020 sollen nur noch diejenigen an den Pflegekosten beteiligt werden, deren Brutto-Jahreseinkommen bei 100.000 Euro oder mehr liegt. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch. Profitieren sollen nach Angaben des Ministeriums von Arbeitsminister Hubertus Heil Angehörige von rund 275.000 Leistungsbeziehern. Vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen könnten unmittelbar entlastet werden, heißt es. Diese Entlastung sei „längst überfällig“, sagte Heil den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor der Verabschiedung.

So sehen es auch viele Sozial- und Wohlfahrtsverbände, in deren Forderungskatalog die finanzielle Entlastung Angehöriger seit Jahren ganz weit oben stand. Der Präsident des Sozialverbands SoVD, Adolf Bauer, bezeichnete die Verabschiedung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes als einen „Silberstreifen am Horizont“ für Angehörige von Pflegebedürftigen, die zunehmend von Armut bedroht seien. „Das ist nicht nur eine notwendige, finanzielle Entlastung, sondern auch eine überfällige Wertschätzung von Menschen, die pflegebedürftige Angehörige haben“, lobte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, den Kabinettsbeschluss. Auch der Sozialverband VdK begrüßte das Gesetz. Es helfe älteren Menschen aus einer schwierigen Lage, sagte Präsidentin Verena Bentele in den Funke-Zeitungen. „Sie gehen nicht ins Heim, obwohl sie zu Hause nicht mehr ausreichend versorgt werden können, damit ihre Kinder nicht belastet werden.“

Die Kommunen befürchten derweil Belastungen in Milliardenhöhe und pochen auf das Solidaritätsprinzip des Sozialhilferechts. „Die Städte rechnen derzeit mit Mehrbelastungen zwischen einer halben und einer Milliarde Euro pro Jahr“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, dem „Handelsblatt“. „Diese Mehrbelastungen der Kommunen müssen vollständig ausgeglichen werden.“ Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der Funke-Mediengruppe: „Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegenseitig füreinander einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden.“

Der Bund schätzt die Mehrkosten der Gesetzesänderung für Länder und Kommunen als Träger der Sozialhilfe auf etwa 300 Millionen Euro jährlich.

Mit Material von dpa und Reuters

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