Angela Merkel bei den Familienunternehmern „Wir haben ein konstruktiv kritisches Verhältnis“

Mehr Freihandel, ein Plan für G20 und den Brexit – bei ihrer Rede vor den Familienunternehmern sprach Angela Merkel über die großen politischen Fragen. Und musste sich Kritik anhören.

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Angela-Merkel Quelle: dpa

Den Vorwurf wollte die Angela Merkel nicht auf sich sitzen lassen. „Natürlich hat die CDU ein Wirtschaftsprogramm für die nächsten vier Jahre“, sagte die Kanzlerin bei ihrer Rede zu den Familienunternehmern am Freitag in Berlin. Zuvor hatte ihr Lutz Goebel, Vorsitzender des Verbandes, vorgeworfen, der CDU fehle eine „marktorientierte Wirtschaftspolitik“. Goebel fordert drei Dinge von der Vorsitzenden der Christdemokraten. Erstens, den flächendeckenden Glasfaserausbau. Zweitens, die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Und drittens, einen Schattenwirtschaftsminister der CDU für den Bundestagswahlkampf.

Das hat einen guten Grund. Am Abend zuvor war nämlich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries bei den Familienunternehmern zu Gast. Die Wirtschaftsvertreter machten aus ihrer Geringschätzung für Zypries und ihrer Politik keinen Hehl. Hubertus Porschen vom Verband der Jungen Unternehmern beklagte der Ministerin gegenüber, sie biete keine Antworten auf Fragen, die die Digitalisierung aufwirft. Die Kompetenzzentren des Bundes, die den Mittelstand in Fragen der Digitalisierung beraten sollen, sind aus Porschens Sicht „eine Katastrophe“. Zypries hielt dagegen und wurde ausgebuht

Die Kanzlerin wurde zwar freundlicher empfangen. Die Kritik an ihrer Politik, insbesondere an der Rente mit 63, die die große Koalition in der zu Ende gehenden Legislaturperiode beschlossen hatte, formulierten die Familienunternehmer aber selbstbewusst. Merkel verteidigte sich: Ohne diesen Kompromiss hätte es keine Koalition mit der SPD gegeben.

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Wer von Merkels Rede einen Plan für die kommenden vier Jahre erwartet hatte, wurde enttäuscht. Ja – auch Merkel will den Breitbandausbau beschleunigen. Ja – die Bürger sollen entlastet werden. Doch die Kanzlerin sprach bei den Familienunternehmern weniger darüber, was sie künftig vorhat, sondern viel lieber über die Bilanz. Die schwarze Null und keine Steuererhöhungen sieht sie als ihre wichtigsten Errungenschaften ihrer dritten Amtszeit. Hinzukommen Rekordbeschäftigung, die Ungleichheit der Gesellschaft, die nicht weiter gewachsen sei, mehr Geld für Forschung und Entwicklung und für die Familienunternehmer am wichtigsten: keine Vermögenssteuer.

Die Debatte um eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer nahm kürzlich wieder Fahrt auf. Mit der CDU unter Merkel werde es keine Vermögenssteuer geben, sagte die Parteichefin nun auf einem Familienunternehmerkongress.

Mehr innenpolitische Bekenntnisse ließ sich die Kanzlerin nicht entlocken. Viel lieber sprach sie über den anstehenden G20-Gipfel, an dem auch US-Präsident Donald Trump teilnehmen will und über die Brexit-Verhandlungen. „Das Ausscheiden aus der EU hat einen Preis, wenn man nicht bereit ist, die vier Freiheiten zu akzeptieren“, sagte Merkel. Nur wer die Freiheit des Warenverkehrs, der Arbeitskräfte, der Dienstleistungen und des Kapital- und Zahlungsverkehrs akzeptiert, könne Zugang zum Binnenmarkt bekommen. Und da die Briten die Zuwanderung stark begrenzen wollen, wird ihnen der wohl versperrt bleiben. Ein Freihandelsabkommen mit den Briten soll es gleichwohl geben.

Überhaupt Freihandel: Die Kanzlerin ermunterte die Unternehmer, sich weiter auf den Weltmärkten zu engagieren, damit es künftig noch mehr Weltmarktführer aus Deutschland gibt. „Wir setzen uns gegen protektionistische Tendenzen zur Wehr“, sagte Merkel. US-Präsident Trump fordert beispielsweise, dass das Handelsdefizit der USA gegenüber Deutschland reduziert werden soll. Merkel ging darauf indirekt ein: „Wir wollen die globale Wirtschaftsordnung gestalten“, sagte die Kanzlerin. Der Welthandel sei darauf die richtige Antwort. Von den sonst kritischen Familienunternehmen, mit denen sie ein „konstruktiv kritisches Verhältnis“ habe, bekam sie dafür Applaus.

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