Angst vor Digitalisierung Warum wir mehr über künstliche Intelligenz reden müssen

Mehr Aufklärung hilft, Menschen die Angst vor künstlicher Intelligenz (KI) zu nehmen.   Quelle: imago images

Gehört hat schon fast jeder Mensch einmal von künstlicher Intelligenz – aber was sich dahinter verbirgt, wissen die wenigsten. Deshalb muss mehr Aufklärung geleistet werden. Dazu gehört, auch Sorgen ernst zu nehmen. Ein Gastbeitrag.

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Der Autor dieses Gastbeitrags, Karl Heinz Streibich, ist Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und Co-Vorsitzender der Plattform Lernende Systeme. Als Vorstandsvorsitzender der Software AG begleitete er 15 Jahre lang die digitale Transformation von Unternehmen. Streibich ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrats der Software AG und Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom, Münchener Rück und der Siemens Healthineers.

Die Coronapandemie zeigt uns seit mehr als neun Monaten, wie fragil unsere global vernetzte Wirtschaft und Gesellschaft ist. Auch bei uns wurden strukturelle Probleme sichtbar – sei es der auf Papier basierende Umgang mit Gesundheitsdaten oder der Nachholbedarf bei der Digitalisierung an Schulen und in der Verwaltung. Die Pandemie lehrt uns: Wir müssen resilienter werden, also widrige Ereignisse besser verkraften können und uns anzupassen lernen. Denn neue Krisen sind zu erwarten. Der Schlüssel für eine widerstandsfähige und nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft sind digitale Technologien einschließlich der künstlichen Intelligenz (KI).

Mithilfe von KI-Methoden lassen sich etwa Umweltdaten effizient auswerten und die Luftqualität verbessern. Eine KI erkennt Gleisdefekte im Schienenverkehr frühzeitig und trägt somit zu sicherer Mobilität bei. Aber wir müssen die Menschen mitnehmen. Dort, wo wir die Vorteile von KI für unser Leben unmittelbar spüren können, wo wir die Chancen sehen, aber auch Nutzen und Risiken abschätzen können, entwickeln wir Vertrauen und wollen KI auch anwenden.

Viel gehört – aber wenig verstanden

Knapp die Hälfte der Deutschen hat heute jedoch noch eine negative Grundhaltung gegenüber KI, wie eine Studie des TÜV-Verbands zeigte. Interessant dabei: Fast jeder der Befragten hat schon einmal von KI gehört, doch nur wenige wissen, was sich dahinter verbirgt. 

Deshalb gilt es KI verständlich zu machen und den Dialog mit der Öffentlichkeit zu fördern. Letztendlich sind es sichere und ethisch unbedenkliche KI-Systeme, denen die Menschen vertrauen. Eine Zertifizierung von KI-Systemen, die diesen Anforderungen Rechnung trägt, kann deshalb dazu beitragen, das gesellschaftliche Nutzenpotenzial sicher und gemeinwohlorientiert auszuschöpfen.

Daten selbstbestimmt sammeln

Die Basis für vertrauenswürdige KI ist zudem digitale Souveränität bei den Daten: Wir müssen selbstbestimmt unsere Daten sammeln und sicher auswerten können. Deshalb müssen wir eigene selbstbestimmte Datenräume in Europa aufbauen. Wir brauchen dazu unabhängige, durchlässige und vernetzte Dateninfrastrukturen, die Europas Selbstbestimmtheit auch in Krisenzeiten sicherstellen. Dazu gehört auch, Datenräume aufzubauen, in denen gemeinsame Spielregeln für einen vertrauensvollen Austausch von Daten gelten.



Wir müssen gemeinsam entscheiden, auf Basis guter Information, wo wir KI in Deutschland und Europa einsetzen wollen – und wo ganz bewusst eben nicht. Ein Beispiel: Ein Runder Tisch der Plattform Lernende Systeme hat gezeigt, dass Patientinnen und Patienten den Einsatz von KI im Gesundheitswesen überwiegend als Chance sehen. Sie sind für KI-Systeme in Medizin und Pflege grundsätzlich aufgeschlossen. Aber sie wollen an der Gestaltung beteiligt sein. Sie wünschen sich, dass die Sorgen und Bedürfnisse der Patienten Gehör finden.

Auswahl zwischen KI-Systemen bieten  

Grundlage und Ausgangspunkt für die Entwicklung von KI müssen die Bedürfnisse der Menschen sein. Ihre Bedenken und Wünsche, die hierzulande andere sind als in den USA oder China, müssen uns den rechtlichen und ethischen Weg für den Einsatz von KI weisen. Die Menschen müssen in der Lage sein, zwischen verschiedenen KI-Produkten das ihnen sicherer und unbedenklicher erscheinende auszuwählen, das heißt, sie müssen eine Alternative haben, um das Produkt zu wählen, das ihren persönlichen Wertvorstellungen entspricht. 

So können wir gute Lösungen auf Basis künstlicher Intelligenz entwickeln, die von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen sind – mit dem Potenzial, eine nachhaltige und resiliente Gesellschaft zu schaffen.


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Der Digitalgipfel der Bundesregierung will die beiden Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander verbinden. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Acatech initiierte KI-Plattform Lernende Systeme (PLS) präsentiert auf dem Gipfel KI-Anwendungen für mehr Nachhaltigkeit, die KI-Landkarte der PLS sowie ein neuer Acatech IMPULS informieren über „resiliente Vorreiter“.

Mehr zum Thema: Unternehmen fürchten sich vor künstlicher Intelligenz. KI-Trainer sollen ihnen die Sorgen nehmen.

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