Anschlag auf BVB-Bus Verdächtiger offenbar Islamist aus Wuppertal

Die Bundesanwaltschaft geht bei dem Sprengsatz-Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus von einem Terroranschlag aus. Ein Iraker aus Wuppertal wurde verhaftet. Das Wichtigste im Überblick.

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Polizisten stehen am 12.04.2017 vor dem Trainingsgelände von Borussia Dortmund in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). Quelle: dpa

Drei Sprengsätze detonieren am Dienstagabend nahe dem Mannschaftsbus von Borussia Dortmund. Das Team hatte sich gerade auf den Weg zum Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco gemacht. Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist passiert?

Die Mannschaft von Borussia Dortmund ist kurz vor der Champions-League-Begegnung gegen den AS Monaco mit drei Sprengsätzen angegriffen worden. Der BVB-Bus war gerade vom Mannschaftshotel in Richtung Stadion losgefahren, um das Team zum Viertelfinale der Fußball-Königsklasse gegen den AS Monaco zu bringen, als die in einer Hecke versteckten Sprengsätze detonierten. "Die Sprengsätze hatten eine Sprengwirkung von mehr als hundert Metern", sagte Frauke Köhler, Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Man könne von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert sei.

Dortmunds Abwehrspieler Marc Bartra wurde schwer an Hand und Arm verletzt und operiert. Ein Polizist erlitt ein Knalltrauma und einen Schock. Die Partie wurde kurzfristig abgesagt und auf Mittwoch (18.45 Uhr) verschoben.

Steht schon fest, dass Islamisten oder die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hinter dem Anschlag stehen?

Keineswegs. Die Polizeibehörden gehen zahlreichen Tathypothesen nach. Neben dem islamistisch-salafistischen Hintergrund wollen sie am Mittwoch nicht ausschließen, dass es ganz andere Motive gibt. Die Spannbreite reicht von gewaltbereiten Fußballfans über Rechtsextreme oder auch Erpresser. Aus Sicherheitskreisen wird zur Zurückhaltung gemahnt: Dass die Festgenommenen tatsächlich mit dem BVB-Anschlag zu tun haben, sei noch keineswegs bewiesen.

Lediglich bei einem in der Nacht im Internet verbreiteten zweiten Bekennerschreiben bestehen laut der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe „erhebliche Zweifel an der Echtheit“. In dem Schreiben war ein linksextremistischer Hintergrund behauptet worden.

Was ist so ungewöhnlich an den am Tatort hinterlassenen Bekennerschreiben?

Viel. Ermittler merken schon deswegen auf, weil überhaupt solche Schreiben zurückgelassen wurden. Das ist untypisch für Anschläge, die womöglich mit dem Islamischen Staat zusammenhängen. Bei jüngsten Attentaten wie dem Berliner Weihnachtsmarkt-Anschlag von Anis Amri mit zwölf Toten hat es das nicht gegeben. Üblich war bislang, dass das IS-Sprachrohr Amak Tage später ein Video-Bekenntnis ins Internet stellt.

Was könnten die Ermittler aus dem Schreiben noch herauslesen?

In Sicherheitskreisen wird von einem für Islamisten generell untypischen Vorgehen gesprochen. So gebe es auf dem Schreiben keinerlei IS-Symbole wie etwa die typische Fahne, die sonst oft zu finden ist. Der oder die Täter hätten keine der beliebten IS-Insignien hinterlassen.

Das Bekennerschreiben wurde in gleich dreifacher Ausfertigung gefunden. Warum?

Auch darüber rätseln die Ermittler. Ein solches Vorgehen gilt ebenfalls als nicht szene-typisch. Dass der oder die mutmaßlichen Täter ihren Zettel mit dem angeblichen Bekenntnis gleich drei Mal im Umkreis des Anschlagsorts ausgelegt haben, deute darauf hin, dass sie unbedingt wollten, dass er schnell gefunden wird. Warum, ist unklar.

Was sagen die Rechtschreibfehler im Bekennerschreiben aus?

Das Schreiben ist auf deutsch formuliert. Die 15 Zeilen enthalten einige Rechtschreibfehler - die Ermittler sind von Bekennerbriefen aus diesen Kreisen jedoch eigentlich weit mehr Fehler gewohnt. Zudem ungewöhnlich sei es auch, welche Rechtschreibfehler gemacht wurden. So habe der Verfasser schwierige Wörter richtig geschrieben, dafür aber ziemlich simple Fehler etwa bei der Groß- und Kleinschreibung gemacht.

Auch die Wortwahl dürfte manchen Ermittler zu denken geben. So werde die in dem Schreiben verwendete Bezeichnung „Untertan“ in der Islamisten-Szene eigentlich nicht benutzt, heißt es.

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Wie gehen die Ermittler vor?

Nach Angaben der Sprecherin des Generalbundesanwalts, Frauke Köhler, sind die Wohnungen von zwei verdächtigen Islamisten durchsucht worden. In der Regel beschlagnahmt die Polizei in solchen Fällen Computer und Mobil-Telefone. Sie werden dann auf Verbindungen zu Kontaktleuten des Islamischen Staats in Syrien oder zu anderen Islamisten in Deutschland und Europa ausgewertet. So sollen auch mögliche Netzwerke aufgedeckt werden. Das dürften die Sicherheitsbehörden auch in diesem Fall so gemacht haben.

Werden jetzt die Überwachungsmaßnahmen gegen Islamisten verstärkt?

Üblicherweise klopfen Anti-Terror-Ermittler nach Terrordrohungen oder Anschlägen zunächst jene Verdächtigen in der Islamisten-Szene ab, die sie sowieso schon auf dem Schirm haben. Etliche sogenannte Gefährder, von denen die Behörden glauben, dass sie jederzeit einen Anschlag begehen können, werden routinemäßig abgehört, deren Internet-Kommunikation wird überwacht. In einem akuten Fall wie in Dortmund schalten sich die Ermittler dann gerne auch „live“ in die Überwachung ein. Sie wollen sehen, ob es Bewegung in der Szene gibt. Das dürfte auch jetzt der Fall sein.

Was haben die Durchsuchungen ergeben?

Die beiden Verdächtigen wurden befragt und schließlich ein Mann festgenommen, heißt es von Seiten der Bundesanwaltschaft. Es werde geprüft, ob gegen den Festgenommenen Haftbefehl beantragt werde. Es handelt sich nach Informationen von „Express“, „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Deutscher Presse-Agentur um einen 25-jährigen Iraker aus Wuppertal. Den Medienberichten zufolge wird ihm eine Nähe zur terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ vorgeworfen. Bei dem zweiten Tatverdächtigen handelt es sich demnach um einen 28-jährigen Deutschen aus Fröndenberg im Kreis Unna.

Besteht Gefahr für das Nachholspiel am Mittwochabend?

Die Europäische Fußball-Union UEFA sprach davon, die Sicherheitsmaßnahmen rund um das neu angesetzte Champions-League- Spiel von Borussia Dortmund anzupassen und beruhigte Fans und Teams. Es gebe keine konkreten Hinweise der Sicherheitsbehörden auf eine Bedrohung des Viertelfinal-Hinspiels gegen AS Monac, teilte die UEFA in einer Nachricht mit. In Zusammenarbeit mit Polizei, Sicherheitskräften, dem Stadionmanagement und den Clubs würden die Sicherheitsmaßnahmen überprüft. Die Vorgehensweisen „werden entsprechend verstärkt, wo es erforderlich ist.“

Auch NRW-Innenminister Jäger versprach den Stadionbesuchern bei Borussia Dortmund am Mittwochabend größtmögliche Sicherheit: „Wir haben die Polizeikräfte in Dortmund für heute Abend nochmal deutlich erhöht“, sagte Jäger in Düsseldorf. „Die Fans, die heute das BVB-Spiel sehen können, können sicher sein, dass die Polizei in Dortmund alles Menschenmögliche tut, damit dies ein sicheres Spiel ist.“ Wegen der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen sollten die Fans auf keinen Fall Taschen und Rucksäcke mit zum Stadion bringen und frühzeitig anreisen.

Zu dem Ersatztermin am Mittwoch haben sich NRWs Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt.

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