Anti-Glyphosat-Video der Grünen „Auf Kosten der Sorge von Menschen Stimmung betreiben“

Die Grünen kämpfen schon seit Jahren für ein Verbot des Unkrautkillers Glyphosat. Jetzt gehen sie in einem Video auf ihrer Facebook-Seite wohl einen Schritt zu weit. Falsche Bilder sorgen für Aufruhr im Netz.

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Die Ökopartei erntet von vielen Nutzern Kritik. Quelle: Screenshot Facebook

Berlin Wer das Video der Grünen zum Thema Glyphosat sieht, muss meinen, auf deutschen Äckern wird mit für Mensch, Tier und Umwelt hochgiftigen Mitteln gearbeitet. Dabei scheint die Ökopartei es diesmal mit den Fakten nicht ganz so genau zu nehmen.

Am Montag hatte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) bei einer Abstimmung der EU-Kommission für eine Verlängerung der Zulassung des Herbizids um fünf Jahre gestimmt – und damit einen Eklat ausgelöst. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung hätte Schmidt sich bei der Abstimmung enthalten müssen, weil Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gegen eine Verlängerung war. Auch innerhalb der EU war die Entscheidung umstritten: In den vergangenen Jahren wurde selten über eine Zulassung so kontrovers diskutiert wie bei Glyphosat, das der US-Konzern Monsanto unter dem Markennamen Roundup vertreibt.

Besonders die Grünen sind seit langem engagiert im Kampf gegen das Mittel. Mit einem Facebook-Video sorgt die Partei nun allerdings für Aufruhr. Viele User merken an, dass das Video, das laut den Grünen zur Aufklärung über Glyphosat beitragen soll, falsche Fakten in Umlauf bringt.

Der kurze Clip wirbt mit den Worten „Warum das Ackergift so schädlich ist, zeigt unser Video. Teilen hilft bei der Aufklärung!“. Darunter finden sich zahlreiche Kommentare, die dankbar klingen, die Grünen als „die Partei der Stunde“ loben und in denen betont wird, dass „dieses Gift endlich verboten werden sollte“. Aber viele werfen der Partei auch Irreführung vor. So schreibt eine Userin: „Es braucht wirklich nicht viel Fachwissen, um festzustellen, dass keines, aber auch wirklich keines dieser Fotos, die Ihr hier verwendet, im Zusammenhang mit Glyphosat steht.“ Und: „Auf Kosten der Sorge von Menschen um ihre Gesundheit Stimmung betreiben. Das ist in höchstem Maße verantwortungslos.“ Schaut man sich das Video genauer an, finden sich tatsächlich einige grobe Fehler.

Das erste Bild zeigt einen Mann im Schutzanzug, der ein Pflanzenschutzmittel auf Weinreben spritzt. Enthielte die Substanz in dem Behälter tatsächlich Glyphosat, würde der Wein allerdings sofort absterben. Glyphosat ist ein Totalherbizid, es wird von Landwirten vor der Aussaat auf das Feld ausgebracht, um Unkraut zu vernichten, dass sonst die Qualität von Weizen, Gerste oder anderen angebauten Getreide- oder Gemüsesorten beeinträchtigen würde. Dass Glyphosat auf schon bestellte Felder gespritzt wird (im Fachjargon „Sikkation“ genannt), ist in Deutschland seit 2014 nicht mehr erlaubt. Ebenso ist genmanipuliertes Saatgut, das immun gegen den Wirkstoff Glyphosat ist, in Deutschland verboten.

Auf dem zweiten Bild im Video ist ein toter Frosch zu sehen. Immer wieder gerät der Unkrautvernichter in den Verruf, für das Insektensterben verantwortlich zu sein. Für Tiere ist er allerdings nicht tödlich. Richtig ist: Glyphosat vernichtet auch Kräuter und Pflanzen, von denen sich Insekten ernähren könnten. Trotzdem kann man schlecht Glyphosat die Schuld am Insektensterben geben, denn Landwirte würden Unkraut sonst eben auf andere Art entfernen. Zum Beispiel durch pflügen oder grubbern. Entscheidend ist eher, dass Insekten insgesamt zu wenig Nahrung in der Landschaft finden – immer weniger Grün, immer weniger Ackerrandstreifen und immer weniger wilde Blüten oder Flächenversiegelung sind Gründe.

Das dritte und letzte Bild zeigt ein bestelltes Feld und ein Warnschild mit einem Totenkopf. Dazu heißt es in dem Video: „Dann gelangt es (Glyphosat, Anm. d. Red.) in unsere Gewässer und belastet unser Essen.“ Die größte Diskussion beim Thema Glyphosat dreht sich um die Frage, ob das Herbizid krebserregend und somit gefährlich für den Menschen ist, oder nicht.

Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC – eine Unterbehörde der Weltgesundheitsorganisation WHO – stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ebenso wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommen zum Ergebnis, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht.

Das ist größtenteils nur auf den ersten Blick ein Widerspruch, denn die Institutionen verfolgen unterschiedliche Ansätze und Definitionen: Die IARC fragt, ob Glyphosat grundsätzlich Zellen so schädigen kann, dass Tumore entstehen können. Nicht nur Glyphosat, auch Sonnenstrahlen, rotes Fleisch und der Beruf des Friseurs stuft das Institut als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. BfR und EFSA fragen: Wie groß ist das tatsächliche Risiko, dass jemand durch Glyphosat Krebs bekommt? Hier kommt es natürlich darauf an, welchen Mengen Menschen tatsächlich ausgesetzt sind. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Mengen, um die es wirklich geht, keine realistische Gefahr darstellen.

Es gibt zwar Studien, die ergeben haben, dass Menschen, die im Alltag Glyphosat stark ausgesetzt sind, eine bestimmte Krebsart signifikant häufiger bekommen. Das sind vor allem Landarbeiter in armen Ländern, die das Mittel ohne Schutzkleidung und in großen Mengen ausbringen. Diese Studien erkennt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung an, verweist aber darauf, dass andere Studien zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen und keine derartige Krebshäufung feststellen. 2016 kam übrigens eine weiteres internationales Gremium – das JMPR, das die Gefahr durch Pestizidrückstände befasst – zum Ergebnis, es sei, so wörtlich „unwahrscheinlich“, dass von Glyphosat eine Gefahr für Verbraucher ausgeht.

Der Clip wurde auf Facebook mittlerweile bereits über 2000 Mal geteilt. Eine Anfrage des Handelsblatts auf Stellungnahme der Partei, ließen die Grünen zunächst unbeantwortet. 

Wie aufgeheizt die Debatte mittlerweile ist, zeigen die Reaktionen auf das Votum des Landwirtschaftsministers. Schmidt habe eine „hohe Anzahl von groben Beleidigungen und auch Drohungen“ bekommen, sagte seine Sprecherin. Nach Informationen der „Bild-Zeitung“ waren darunter auch Morddrohungen. Ein großer Teil davon sei über die private Facebook-Seite des Politikers eingegangen, die er deshalb aus dem Netz habe nehmen lassen. Die Drohungen richteten sich außerdem auch gegen Schmidts Angehörige.

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