Antisemitismus Es gibt zunehmende Angriffe auf jüdisches Leben

Während der Ausschreitungen am in Chemnitz ist auch das jüdische Restaurant „Schalom“ angegriffen worden. Sachsens Innenminister warnt vor zunehmenden Übergriffen.

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Das jüdische Restaurant wurde ebenfalls während der Ausschreitungen in Chemnitz von Neonazis angegriffen. Quelle: dpa

Chemnitz Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat die Attacke auf ein jüdisches Restaurant als „feigen und widerlichen Angriff“ verurteilt. Wer jüdische Mitbürger oder Einrichtungen des jüdischen Lebens attackiere, greife die gesamte Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben an, erklärte Wöller nach einem Treffen mit dem Inhaber des betroffenen Lokals „Schalom“ am Samstagabend. Es sei ihm wichtig gewesen, sich die Schilderungen des Wirtes persönlich anzuhören.

„Mit großer Sorge nehmen wir zunehmende Übergriffe auf jüdisches Leben wahr“, erklärte Wöller. Das fange schon bei Beleidigungen und verbalen Übergriffen an. „Jeder ist aufgerufen, sich diesem antisemitischen Treiben von Beginn an entgegenzustellen.“ Die sächsische Polizei arbeite mit Hochdruck daran, die Attacke auf das „Schalom“ am 27. August aufzuklären.

Das Restaurant liegt am Rande der Innenstadt, ein schmuckes Lokal in einer ruhigen Wohngegend. Rund vierzig Gäste haben dort Platz, es wird koscheres Essen serviert. Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich bereits für ein Treffen mit Geschäftsführer Uwe Dziuballa angekündigt.

Nach Dziuballas Schilderungen ist er am Montag, den 27. August, von mehreren Menschen angegriffen worden. An dem Tag habe es im Restaurant einen Vortrag gegeben. Gegen 21.40 - als schon fast alle Besucher das Lokal verlassen hatten - sei er wegen eines Geräuschs vor die Tür getreten. Vor ihm hätten zwischen zehn bis zwölf zum Teil vermummte Personen gestanden.

„Entweder habe ich laut gedacht oder leise gesagt: Haut ab“, erinnert Dziuballa sich. Er meint, den Satz „Judensau, hau ab aus Deutschland!“ gehört zu haben. In der derselben Sekunde seien Steine, Flaschen und eine Eisenstange an ihm vorbeigeflogen. Er wird an der rechten Schulter getroffen. „Nach weiteren drei oder vier Sekunden war das Ganze vorbei.“

Dziuballa ruft die Polizei, die schnell am Restaurant ist. „Die Polizei hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt mir gegenüber korrekt, respektvoll, kompetent verhalten“, sagt er. Schon in der Vergangenheit war es mehrmals zu Angriffen aus das Lokal gekommen. Seit ein paar Jahren seien diese aber ausgeblieben.

Ministerpräsident Kretschmer verurteilt die Attacke scharf. „Das ist eine ganz schändliche Tat. Es zeigt, wie sehr sich da die Gewalt Bahn bricht“, sagt er am Rande des Volksfestes „Tag der Sachsen“, das in diesem Wochenende im nordsächsischen Torgau gefeiert wird. Kretschmer findet auf der Sachsen-Party auch nochmal deutliche Worte zu den vergangenen zwei Wochen in Chemnitz: „Eine Minderheit in Chemnitz versucht, das Land mit Worten und Hass zu prägen. Dem werden wir uns entgegenstellen.“

Derweil kritisiert das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, dass die Polizei die Anzeige nicht schon viel eher öffentlich gemacht hat. „Es ist ungeheuerlich, dass in Chemnitz ein vermummter Mob das einzige jüdische Restaurant attackiert, antisemitische Parolen ruft und die Öffentlichkeit erst Tage später von dem Fall erfährt“, teilt ein Sprecher mit. Das Internationale Auschwitz Komitee spricht von einem „nicht hinnehmbaren Skandal“.

In der Chemnitzer Innenstadt ist es am Samstag unterdessen weitgehend ruhig. Eine Versammlung gruppiert sich um die Kerzen, Blumen und Fotos an dem Ort, an dem vor knapp zwei Wochen ein 35-jähriger Deutscher mutmaßlich von Asylbewerbern getötet wurde. Zwei Versammlungen sind von Privatpersonen angemeldet, doch es kommen nur wenige. „Es sind Personen im unteren zweistelligen Bereich“, sagt ein Polizeisprecher. Noch am Freitag hatten in der Stadt Tausende demonstriert. Und auch für den nächsten Freitag ruft das rechtspopulistische Bündnis „Pro Chemnitz“ wieder zur Demo auf.

Dem Wirt Dziuballa machen die Proteste in der Innenstadt trotz der Attacke keine allzu große Angst. „Ich fühle mich nicht bedroht in Chemnitz“, sagt er. „Ich mache mir - wenn überhaupt - Gedanken über die Entwicklung des Landes an sich.“

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