Antisemitismus-Streit Ruf nach Konsequenzen für AfD-Chef Meuthen

Der AfD-interne Streit über den mutmaßlichen Antisemiten Gedeon in Stuttgart geht in die Verlängerung. Die Entscheidung ist auf September vertagt. In den Sog der Debatte gerät nun vor allem AfD-Chef Meuthen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Jörg Meuthen, Vorsitzender der Partei Alternative für Deutschland (AfD): Antisemitismus-Aufklärung vertagt. Quelle: dpa

Berlin Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat dem Vorsitzenden der rechtspopulistischen AfD, Jörg Meuthen, den Rücktritt nahegelegt. Hintergrund ist, dass sich Meuthen mit seiner Forderung nach einem Ausschluss des wegen Antisemitismus-Vorwürfen in der Kritik stehenden Stuttgarter AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon nicht durchsetzen konnte.

Wenn Meuthen die Gesinnung Gedeons, die innerhalb seiner Fraktion offenbar unterstützt werde, nicht teile, „ist er entweder in der falschen Partei oder als Fraktionschef erbärmlich machtlos“, sagte Knobloch dem Handelsblatt. „In beiden Fällen sollte er in sich gehen und über Konsequenzen nachdenken.“

Meuthens vor kurzem in der „Bild“-Zeitung erklärte „Null-Toleranz-Politik gegenüber Antisemitismus“ bezeichnete Knobloch als „blutleer und phrasenhaft und offensichtlich entweder realitätsfremd oder verlogen“. Die AfD biete vielmehr als „Sammelbecken für Rückwärtsdenker und freiheitsfeindlich Gesinnte natürlich auch glühenden Antisemiten eine geistige und politische Heimat“, fügte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden hinzu.

Offenbar sei es weder AfD-Chefin Frauke Petry noch ihrem Ko-Vorsitzenden Meuthen „ein echtes Anliegen sich von diesen Ideologen und ihren Ressentiments glaubhaft zu distanzieren und entsprechende Einstellungen zu bekämpfen“. Der Fall Gedeon sei hierfür symptomatisch.

Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag war am Dienstag einem Vorschlag Gedeons gefolgt, der angeboten hatte, seine Fraktionszugehörigkeit zunächst ruhen zu lassen. Dadurch will die Fraktion Zeit gewinnen, um die Antisemitismusvorwürfe gegen ihn von drei Gutachtern klären zu lassen.

Damit konnte sich Meuthen nur teilweise durchsetzen. Er hatte vor der Fraktionssitzung angekündigt, sein Amt als Vorsitzender niederzulegen, falls nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Ausschluss Gedeons stimmen werde. Dieser hatte unter anderem den Holocaust als „gewisse Schandtaten“ bezeichnet.


Höcke lobt Meuthen

Die Causa Gedeon bringt Meuthen auch in der Bundespartei unter Druck. Seine Co-Vorsitzende Petry hatte ihm vorgeworfen, er habe sich zu spät um die Antisemitismusvorwürfe gekümmert. Auch das Meuthen seinen Verbleib in der Fraktion an den Rauswurf Gedeons gekoppelt hatte, bezeichnete sie als unklug.

Der schon seit Monaten schwelende Konflikt zwischen Meuthen und Petry war in der vergangenen Woche eskaliert, nachdem sich der Abgeordnete in Berlin mit Parteivize Alexander Gauland und dem Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke getroffen hatte. Bei dem Geheimtreffen im Hinterzimmer eines Cafés hatten die drei „Verschwörer“ Petrys Führungsstil scharf kritisiert und sie damit auch als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 infrage gestellt.

Wohl auch deshalb kam von Höcke nach der Stuttgarter Sitzung umgehend Lob für Meuthen und indirekt Schelte für Petry. Meuthen habe im Fall Gedeon Führungsqualitäten bewiesen. „Die Fraktion kann und wird jetzt zu einer Einheit werden, die direkten und indirekten Einflussnahmen von außen selbstbewusst entgegentritt“, meinte er. Mit dieser Sichtweise war Höcke aber weitgehend allein. Die Fraktionschefs der etablierten Parteien im Stuttgarter Landtag sahen Meuthen übereinstimmend „schwer beschädigt“ in Autorität und Glaubwürdigkeit.

Als nächstes werden sich die Augen nun auf die Experten für die geplanten drei Gutachten richten. Meuthen wünscht sich dafür auch einen Experten jüdischen Glaubens. Sollten mindestens zwei der drei Gutachten die Vorwürfe gegen Gedeon bestätigen, würde dieser aus der Fraktion ausgestoßen. Aber im Parlament bleibt er trotzdem.

Meuthen zeigte sich erleichtert, als er vor die Mikrofone trat und den „gesichtswahrenden“ Kompromiss verkündete. Der Hochschulprofessor betonte: „Ich sehe keinen Grund aktuell für einen Rücktritt.“ Damit behält er sein mit mehr als 16.000 Euro monatlich dotiertes Amt an der Spitze der Fraktion.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%