Antworten zu Handelsblatt-Leserfragen „Die Spareinlagen sind sicher“

Die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik, die Hilfen für Griechenland oder komplizierte Steuerregeln – die Handelsblatt-Leser haben viele Fragen an Wolfgang Schäuble. Der Finanzminister hat sie beantwortet.

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Die Handelsblatt-Leser haben viele Fragen an Bundefinanzminister Wolfgang Schäuble. Quelle: dpa

Finanzpolitik

Wann wird wieder in unser Land, in unsere Infrastruktur, unsere Krankenhäuser, Schulen und den öffentlichen Dienst investiert? Dass die Kassen zurzeit voll sind, ist eine Tatsache.
Wir haben die Investitionen im Bundeshaushalt in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Der Bund hat mehrere Investitionsoffensiven gestartet, etwa das Zehn-Milliarden-Euro-Paket, das von 2016 bis 2018 zusätzliche Investitionen insbesondere in die Verkehrsinfrastruktur, den digitalen Breitbandausbau, den Städtebau und die Energiewende vorsieht. Finanzschwachen Kommunen stellt der Bund über ein Sondervermögen 3,5 Milliarden. Euro für neue Investitionen zur Verfügung. Wir haben in Deutschland beim Thema Investitionen primär auch gar kein finanzielles Problem, sondern allenfalls ein Abflussproblem. Die zusätzlichen Mittel werden nur langsam von den zuständigen Stellen vor Ort abgerufen, weil die Kapazitäten für die Planung neuer Investitionen unzureichend sind. In erster Linie muss hier an Verbesserungen gearbeitet werden.

Warum gibt es noch die ÖPP (öffentlich-private Partnerschaften)?
Natürlich wissen wir, wie wichtig die schwarze „0“ ist, aber wäre es nicht „günstiger“, wenn der Staat gewisse Projekte selber baut anstatt die Projekte an die ÖPP abzutreten und dann über Jahre zu zahlen?
Bei ÖPP geht es darum, zusätzliche Potentiale zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von öffentlichen Beschaffungen zu heben und die Wirtschaftlichkeit staatlichen Handelns insgesamt zu verbessern. In Deutschland erfolgt grundsätzlich eine Einzelfallprüfung, ob ÖPP eine wirtschaftliche Bedarfsdeckungsvariante darstellt. Hierzu werden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen über den gesamten Lebenszyklus einer Investition durchgeführt. Die Beschaffung in Form von ÖPP wird nur dann realisiert, wenn sie sich nach Durchführung dieser Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen als die wirtschaftlichste Variante erweisen.
Warum möchte die Bundesregierung eine schwarze Null? Die USA fährt seit Jahren (bis auf Ausnahmen unter Clinton) und seit dem Fall von Bretton Woods Defizite. Staatschulden werden nie zurückgezahlt sondern nur prolongiert. Die Politik der EZB unterstützt diesen Kurs. Italien erfüllte nie (seit dem Start des Euro) die Maastricht-Kriterien (Debt/GDP level).

Die „schwarze Null“ ist Ausdruck der soliden Finanzpolitik der Bundesregierung. Der Verzicht auf neue Schulden bewirkt, dass der Schuldenstand Deutschlands im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (sog. Schuldenstandsquote) kontinuierlich sinkt und sich die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte immer weiter verbessert. Dies ist angesichts der demografischen Entwicklung Deutschlands erforderlich und stärkt die Handlungsfähigkeit des Staates für den Fall unvorhersehbarer Krisen. Der Tragfähigkeitsbericht des Bundesfinanzministeriums zeigt klar auf, dass die zukünftigen Belastungen für die öffentlichen Haushalte, etwa durch die hohen staatlichen Zusagen im Bereich der Sozialversicherung, nur dann zu bewältigen sein werden, wenn die Schuldenstandsquote nicht weiter steigt. Sie beträgt aktuell rund 70 Prozent des BIP und soll in den nächsten Jahren auf 60 Prozent sinken. Damit wäre auch der Maastricht-Referenzwert des Stabilitätspakts wieder erreicht.

Künftig sollen auch für mittelständische Unternehmen nach den Willen der Politiker Betriebsrenten zur Pflicht werden. Wie soll ein Unternehmer bei der Nullzins-Politik der EZB die finanziellen Mittel hierfür aufbringen? Gegenüber früheren Werten für die Pensions-Rückstellungen ist das Vier- bis Sechsfache notwendig, um angemessene Betriebsrenten aufzubauen.
Die Bundesregierung möchte die Anreize für kleine und mittlere Unternehmen erhöhen, eine betriebliche Altersversorgung aufzubauen. Von einer Pflicht kann keine Rede sein. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Altersvorsorge kommt der betrieblichen Altersversorgung eine entscheidende Bedeutung zu, um die Höhe der Altersbezüge auf einem angemessenen Niveau zu stabilisieren. Das Bundesfinanzministerium hat sich auf der Grundlage eines kürzlich veröffentlichten Gutachtens dafür ausgesprochen, den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung für Geringverdiener in Höhe von 400 bis 450 Euro jährlich durch einen staatlichen Zuschuss von rund einem Drittel der Summe zu unterstützen. Eine spürbare Entlastung bei den Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen ist erst kürzlich auf den Weg gebracht worden. Der für die Berechnung des handelsrechtlichen Rechnungszinssatzes heranzuziehende Durchschnittszeitraum wurde von sieben auf zehn Jahre verlängert. Damit erhöht sich der Rechnungszinssatz, und die Zuführungen zu den Rückstellungen können entsprechend verringert werden.
Ist die 100.000 Euro-Sicherung für Sparguthaben noch sicher?
Ja. Und die Einlagensicherung wurde im vergangenen Jahr noch sicherer und effizienter gemacht. Die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme müssen nunmehr umfangreiche Mittel vorhalten und die Einleger innerhalb von sieben Arbeitstagen entschädigen. In besonderen Fällen wurde der gesetzliche Schutz auf 500.000 Euro erhöht.

Wie werden etwaige (ggf. auch kurzfristige) Überschüsse (Liquidität) von Ihrem Ministerium angelegt? (Stichwort: Negativverzinsung)
Etwaige Überschüsse werden nicht explizit angelegt, sondern sind Teil des Kassenkreislaufes des Bundes und Bestandteil der Liquiditätsplanung des Bundes, die zusammen mit dem Schuldenmanagement von der Finanzagentur für den Bund und seine Sondervermögen organisiert wird.
Die schwarze Null wird gefeiert! Ohne die Finanzkrise mit niedrigen Zinsen für prolongierte Staatsschulden wäre die schwarze Null nicht möglich. Ist dies eine Entlastung des Staates (Steuerzahler) zu Lasten der Sparer?
Das niedrige Zinsniveau hat unbestritten bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts geholfen. Allerdings sollte seine Wirkung nicht überschätzt werden. Im Jahr 2010 betrug die Nettokreditaufnahme des Bundes rund 44 Milliarden Euro. Im Jahr 2014 kam der Bundeshaushalt erstmals seit 1969 ohne neue Schulden aus. Die Zinsausgaben betrugen 2010 rund 33 Mrd. Euro und 2014 rund 26 Milliarden Euro. Dem Rückgang der Nettokreditaufnahme um 44 Milliarden. Euro stand also nur ein Zinsrückgang um sieben Milliarden Euro gegenüber. Die Konsolidierung ist in erster Linie auf die zurückhaltende Ausgabenpolitik des Bundes und die steigenden Steuereinnahmen infolge der guten Beschäftigungslage zurückzuführen. Die niedrigen Zinsen sollten auch aus Sicht der Bundesregierung nur ein vorübergehendes Phänomen bleiben. Die durchaus negativen Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds hat die Bundesregierung im Blick.


Deutschland – Steuerpolitik

Welche Maßnahmen sind geplant, um erfolgreichen Start ups die Finanzierung in der ersten stürmischen Wachstumsphase zu erleichtern?
Die Bundesregierung ist dem Ziel verpflichtet, Deutschland als Investitionsstandort für Wagniskapital international wettbewerbsfähig zu gestalten. Dazu wurden seit Beginn der Legislaturperiode bereits bestehende Förderprogramme verbessert und neue Maßnahmen aufgelegt. Beispielsweise wird das INVEST-Zuschussprogramm ab 2016 massiv ausgebaut. Zusätzlich wird eine Erstattung der Steuer auf Veräußerungsgewinne auf INVEST-Finanzierungen gewährt. Außerdem wird es einen anteiligen Förderzuschuss für den Ausgleich von Verlusten geben. Im steuerlichen Bereich wird die Bundesregierung sicherstellen, dass für die Finanzierung von jungen innovativen Unternehmen keine neuen Belastungen entstehen. Hinsichtlich der Umsatzbesteuerung von Managementdienstleistungen von Beteiligungskapitalfonds wird die Bundesregierung die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs beobachten und dann prüfen, ob sich hieraus Handlungsoptionen ergeben, die europarechtskonform umgesetzt werden können. Des Weiteren setzt sich die Bundesregierung - trotz gegenläufiger Forderungen der Bundesländer – für die Beibehaltung der Steuerbegünstigung der Gewinnbeteiligung von Fondsinitiatoren, des sogenannte Carried Interest, ein.
Warum können Verlustvorträge, nach Übernahme eines kleinen Familienbetriebes für eine gewisse Zeit nicht mehr mit laufendem Gewinn verrechnet werden?
Ob und inwieweit bei der Übernahme eines kleinen Familienbetriebs allgemeine Verlustverrechnungsbeschränkungen Anwendung finden, kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere die Rechtsform des übernommenen Betriebs oder die Höhe des laufenden Gewinns. Nicht ausgeglichene negative Einkünfte sind grundsätzlich bis zu einem Gesamtbetrag von einer Million Euro (bei zusammen veranlagten Ehegatten sogar zwei Millionen Euro) unbeschränkt abziehbar. Um das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbar zu machen, ist eine darüber hinausgehende Verlustverrechnung in diesem Veranlagungszeiträum nur bis zu 60 Prozent des ein beziehungsweise zwei Million Euro übersteigenden Betrags möglich. Danach nicht ausgeglichene Verluste können zeitlich unbegrenzt in künftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Der Sockelbetrag von 1 bzw. 2 Million Euro soll gerade auch kleinen und mittleren Unternehmen und somit auch Familienbetrieben zugutekommen.

Wann kommt die Steuervereinfachungsreform? Gute wirtschaftliche Situation sollte mutige Schritte möglich machen.
Steuervereinfachung bewegt sich immer im Spannungsfeld zur Einzelfallgerechtigkeit. Einfache Steuerregeln implizieren meist Pauschalierungen, die nicht alle individuellen Sachverhalte abbilden können. In der immer komplexer werdenden Gesellschaft mit ihrer zunehmend arbeitsteiligen und individualisierten Wirtschaftsweise zieht der Gesetzgeber häufig Einzelfallregelungen pauschalen Lösungen vor. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch eine deutliche Vereinfachung und Modernisierung des Besteuerungsverfahrens angestoßen. Ein entsprechendes Gesetz hat der Deutsche Bundestag erst kürzlich beschlossen. Die Abgabe der Steuererklärung wird für die Steuerzahler künftig einfacher und bequemer, wenn sie auf elektronischem Wege erfolgt. Die Bearbeitung der Steuererklärungen durch die Finanzämter wird entsprechend schneller und effizienter erfolgen.
Wann und wie wird das sogenannte vereinfachte Bewertungsverfahren nach §§ 199 ff Bewertungsgesetz reformiert? Diese Bewertung ist nicht mehr zeitgemäß und führt zu absurd hohen Bewertungsergebnissen (Rechtsgrundlage ist das sog. vereinfachtes Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. Bewertungsgesetz) mit Zinssätzen von Basiszins 1,1 Prozent plus 4,5 Prozent zu sehr hohem Kapitalisierungsfaktor von 17,86 im Vergleich zu aktuell für Small Caps ermittelten EBIT Multiples zwischen 5,9 und 9,6. Hoffnung: Die im Handelsblatt von 28. April getroffene Aussage, dass die Bewertungsregeln an das Niedrigzins-Umfeld angepasst werden. Trägt diese Hoffnung?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Verschonung des betrieblichen Vermögens im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Bewertungsregelungen für das unternehmerische Vermögen nicht beanstandet. Eine völlige Neukonzeption der Bewertungsregelungen ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Es ist dem Gesetzgeber – Bundestag und Bundesrat – vorbehalten, dennoch eine Änderung der Bewertungsregeln vorzunehmen.
Kommt die höhere Immobilienbesteuerung (Forderung OECD) vor oder nach der Wahl?
Die Wertansätze bei der Grundsteuer bedürfen, wie auch die OECD fordert, einer Aktualisierung. Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionsparteien die Länder aufgefordert, denen die Verwaltungshoheit hinsichtlich der Grundsteuer zusteht, sich auf eine gemeinsame Position zu verständigen. Ein konkreter Zeitplan der Länder zur Reform der Grundsteuer bis zum Ende dieser Legislaturperiode ist der Bundesregierung nicht bekannt. Eine Steuererhöhung ist mit aktuellen Wertansätzen nicht zwingend verbunden.
Was tun Sie, um die Negativzinspolitik der EZB für Deutschland zu korrigieren?
Die Geldpolitik ist aus guten Gründen unabhängig. Bitte haben Sie Verständnis, dass das Bundesfinanzministerium sich dazu nicht äußert.


Griechenland

Wie können Sie sicherstellen, dass das griechische Volk zum einen von unserer (IWF/EZB/EU-) Förderung profitiert, andererseits aber auch versteht, dass es selbst durch Leistung und Engagement mit dazu beitragen muss, einen Ausgleich zu schaffen?
Stark verkürzt ist die Idee der Hilfen für Griechenland Solidarität gegen Solidität. Die Eurozone gewährt Griechenland Kredite und erwartet gleichzeitig, dass Griechenland seinen Staatshaushalt konsolidiert und Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums durchführt. Ziel ist es, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt. Bei allen Widerständen gegen spezifische Reformen wird diese Logik doch insgesamt verstanden.
Was tut Griechenland, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?
Griechenland hat seine Wettbewerbsfähigkeit bereits erheblich gestärkt. So sind etwa die nominalen Lohnstückkosten – ein wichtiger Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft – seit 2010 um rund zwölf Prozent-Punkte gesunken. Aber es bleibt richtig, dass Griechenland weitere Reformen umsetzen muss.
Wie kann es mit der Wirtschaft aufwärts gehen, wenn bei den Verkäufen in den Geschäften z.B. auf Rhodos, Kreta, Piräus und Korfu weitgehend ohne Kassenbelege, also am Staat vorbei, verkauft wird?
Eine bessere Steuereintreibung ist Teil des Anpassungsprogramms. Vorgesehen ist, dass Steuerhinterziehung wirksamer bekämpft wird. Zudem soll der elektronische Zahlungsverkehr gefördert und so die ordnungsgemäße Buchführung gestärkt werden.
Gibt es Anzeichen einer Verwaltungsmodernisierung?
Eine leistungsfähige und zuverlässige Verwaltung ist ein bedeutender Standortfaktor. Deshalb ist die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung eine der zentralen Säulen der Reformstrategie des Hilfsprogramms für Griechenland.
Können wir zulassen, dass unsere bisherige Hilfe, die durch unsere Steuerzahler finanziert wurde, nicht beim griechischen Volk sondern nur bei den kreditgebenden Banken ankommt? Wäre es nicht sinnvoller, denjenigen Instituten, die jahrelang einen „Risikozuschlag“ für ein Investment im griechischen Staat erhalten haben, auch eine Beteiligung an den Kosten abzutrotzen?
Zunächst: Die privaten Gläubiger wurden bereits in beachtlichem Umfang an den Kosten beteiligt. Im Jahr 2012 haben sie bei der sogenannten Privatsektorbeteiligung (PSI) auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen verzichtet. Dieser Schuldenschnitt für private Gläubiger war ohne Vorbild im Euroraum. Im Übrigen: Es ist nicht richtig, dass die griechische Bevölkerung von den Hilfsmaßnahmen nicht profitiert habe. Ohne die Unterstützung durch die Staaten der Eurozone hätte Griechenland seinen Staatshaushalt 2010 auf einen Schlag ausgleichen müssen. Das hätte dramatische Verwerfungen – insbesondere für die Griechen selbst – zur Folge gehabt. Die Verhinderung einer ungeordneten Insolvenz Griechenlands war deshalb ein entscheidendes Ziel unser Hilfsmaßnahmen.
Wie viele Milliarden an Steuergeldern hat die Finanzkrise Griechenlands bereits gekostet?
Wir haben immer darauf geachtet, dass die Hilfen an Griechenland hauptsächlich in Form von Krediten vergeben werden. Die Konditionen sind günstig mit langen Laufzeiten und geringen Zinsen. Gleichzeitig muss Griechenland Reformen umsetzen, um die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen herzustellen und damit die Rückzahlung der Kredite abzusichern.
Glauben Sie ernsthaft daran, dass ohne politische und fiskale Union, oder dem Austritt aus dem Euro Griechenland jemals gesunden kann? Wäre es nicht sinnvoller über Alternativen wie Parallelwährung und kompletten Schuldenschnitt nachzudenken, als das Leiden der Menschen dort immer weiter zu verlängern nur wegen des Euros?
Die Zeiten intensiver Diskussionen über Griechenlands Zukunft in der Eurozone liegen in der Vergangenheit. Erst vor weniger als einem Jahr hat sich Griechenland mit den Staaten der Eurozone auf das dritte Hilfsprogramm geeinigt. Jetzt geht es darum, dieses Programm umzusetzen. Auch wenn es ein schwieriger Weg ist, geht es doch voran. Vom griechischen Parlament wurden zuletzt wichtige Reformpakete verabschiedet.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Verschuldungs- und Rückzahlungsmentalität anderer Marktteilnehmer (Unternehmen, Staaten, Privatpersonen) ein, wenn Griechenland - erneut - für seine Verbindlichkeiten nicht oder nicht vollständig einstehen wird?
Mit dem dritten Anpassungsprogramm ist die Basis dafür gelegt, dass Griechenland in Zukunft seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Aber natürlich muss Griechenland weiter daran arbeiten, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, um an den Kapitalmarkt zurückzukehren. Das Land kann dann seine Schulden wieder selbst bedienen und wäre nicht mehr auf Hilfsmaßnahmen angewiesen.
Gibt es immer noch private Gläubiger, die mit Geldern anderer Staaten bedient werden sollen, oder können die geldgebenden Staaten jetzt nicht einfach beschließen, auf Zinsen ganz zu verzichten und die künftigen Tilgungsverpflichtungen auf die auch für Griechenland tragbare Quote von 3% seines jeweiligen BIP zu begrenzen?
Gemäß dem Beschluss der Eurogruppe vom 24. Mai 2016 werden Maßnahmen zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit erwogen, wenn das Griechenland das bis 2018 laufende Hilfsprogramm vollständig und erfolgreich umsetzt hat. Liegt diese Voraussetzung vor, muss ferner geprüft werden, ob solche Maßnahmen tatsächlich notwendig sind. Wir sind der Auffassung, dass die vollständige Umsetzung der Reformmaßnahmen die beste Methode zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit ist. Im Übrigen besteht im Kreis der Eurogruppe Einvernehmen, dass ein dauerhafter und endgültiger Verzicht auf Zinszahlungen sowie ein nomineller Schuldenschnitt – mit entsprechenden Verlusten für die Steuerzahler der Gläubigerstaaten – nicht vorgesehen sind.
Warum muss der IWF Teil der Hilfsprogramme für Griechenland sein? Traut man den europäischen Partnern nicht oder fehlt es an eigener Kompetenz?
Im Jahr 2010 beim ersten Hilfsprogramm für Griechenland war das Hauptargument für die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) seine große Erfahrung mit makroökonomischen Anpassungsprogrammen. Inzwischen hat Europa Kompetenzen und Institutionen wie den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) aufgebaut. Trotzdem ist es den Eurostaaten wichtig, den IWF mit seiner Expertise und seinem Blick „von außen“ einzubeziehen. Der IWF hat im Mai zugesagt, sein Board in diesem Jahr mit einer aktiven Beteiligung am dritten Hilfsprogramm für Griechenland zu befassen.

So lange innerhalb der EU die Rahmenbedingungen für eine einheitliche Finanz- und Steuerpolitik, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fehlen, ist eine europäische Währungsunion auf Dauer nicht tragfähig. Haben der Finanzminister und die Bundesregierung ein derartiges Ziel vor Augen und wenn ja, was beabsichtigen der Finanzminister und die Bundesregierung zu tun, um diesen Prozess innerhalb der EU in Gang zu setzen?
Auf europäischer Ebene wird die weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion intensiv diskutiert. Die Bundesregierung begleitet dies konstruktiv, allerdings sind für eine weitere Vertiefung Änderungen der europäischen Verträge nötig. Entscheidend ist für die Bundesregierung, dass finanzielle Haftung und Kontrolle nicht auseinanderfallen. Voraussetzung für eine weitere Integration ist zudem, dass die bestehenden gemeinsamen Regeln in der Fiskal- und Wirtschaftspolitik glaubwürdig umgesetzt werden. Letztendlich liegt der Schlüssel für dauerhaft stabile öffentliche Finanzen, Wachstum und Beschäftigung in den Mitgliedstaaten selbst. Die europäische Ebene kann die nötigen Reformen in den Mitgliedstaaten nur unterstützen, nicht aber ersetzen.

Wäre es nicht sinnvoller, statt eines Schuldenschnitts für Griechenland ein über die KfW finanziertes Infrastruktur-Investitionsprogramm aufzulegen, das Arbeitsplätze und damit Einkommen und Wettbewerbsfähigkeit generiert? Welchen Sinn macht es, Griechenland höher zu verschulden, damit es Schulden zurückzahlen kann?
Ein nominaler Schuldenschnitt ist ausgeschlossen. Die Anpassungsprogramme sind so angelegt, dass Griechenland durch Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen zur Wachstumsförderung wieder in die Lage kommt, seine Schulden selbst bedienen zu können. Die KfW engagiert sich bereits zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen in Griechenland.
Ist es nicht möglich, einen Staatsfond zu installieren, an den die Hilfsgelder gegeben werden, und der die alleinige Verfügungsgewalt hat? Und der Banken nur in dem Verhältnis bedienen darf, bei dem die Bankeneigner (Aktionäre, Großinvestoren, dergl.) nur im prozentualen Verhältnis des Schuldenerlasses bedient werden?
Als Teil der Auflagen des Hilfsprogramms hat Griechenland ein Sonderkonto eingerichtet, welches nur dem Schuldendienst dient. Die entsprechenden Teile der Hilfskredite werden auf dieses Sonderkonto ausgezahlt, so dass eine Zweckbindung sichergestellt ist.

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