Die deutschen Arbeitgeber dringen auf Lockerungen im Asylrecht, um geflüchtete Menschen möglichst schnell in die Berufswelt zu integrieren. Die Politik müsse dafür sorgen, „dass Asylbewerber nicht viele Monate vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). Nötig seien Deutschkurse vom ersten Tag an und ein Bleiberecht für junge Menschen in Ausbildung.
Die steigenden Flüchtlingszahlen wertete er als Chance für den Jobmarkt. „Wir brauchen in den nächsten zwanzig Jahren viel mehr Arbeitskräfte, als dieses Land hervorbringen wird“, sagte Kramer und sprach von 500.000 freien Stellen in Deutschland.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Ähnlich äußerte sich der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank Jürgen Weise. „Unser Arbeitsmarkt ist derzeit stabil und aufnahmefähig. Wer gut Deutsch spricht und qualifiziert ist, wird schnell eine Stelle finden“, sagte er der Zeitung „Bild“ (Freitag). Dies treffe jedoch nicht auf den Großteil der ankommenden Menschen zu. „Deshalb müssen wir rasch in Sprache und Bildung investieren. Das erhöht die Chancen auf Arbeit. Und Arbeit ist die beste Form der Integration.“ Auf die Frage, ob Flüchtlinge dann deutschen Arbeitslosen mögliche Jobs wegnehmen, sagte Weise dem Blatt: „Ausdrücklich Nein. Die Firmen haben so viele offene Stellen wie noch nie, und es fällt immer schwerer diese zu besetzen.“ Deutschland werde ohne Zuwanderung bis 2025 über 6,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter verlieren.
Derzeit ist das Asylsystem von anderen Zuwanderungswegen strikt getrennt. Wer einen Asylantrag stellt, kann nicht einfach aus diesem Verfahren ausscheren und ein Arbeitsvisum beantragen.
Flüchtlinge machen 300.000 neue Wohnungen jährlich nötig
Nicht nur für den Arbeitsmarkt, auch für den deutschen Wohnungsmarkt ist die Entwicklung der Flüchtlingsbewegung relevant: Der Städtetag rechnet wegen der hohen Flüchtlingszahlen derweil mit einem jährlichen zusätzlichen Bedarf von mindestens 300.000 neuen Wohnungen in Deutschland. "Darunter sollten mindestens 30.000 bis 40.000 geförderte Sozialwohnungen sein, im Moment sind es erst halb so viele", sagte Städtetagspräsidentin Eva Lohse der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe) laut Vorabbericht. Zugleich forderte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin mehr Entlastung der mit der Flüchtlingsversorgung zunehmend finanziell überforderten Kommunen durch Bund und Länder.
"Für eine Pro-Kopf-Pauschale des Bundes und der Länder an die Kommunen spricht, dass sie dynamisch mitwächst", sagte die CDU-Politikerin. "Ein Sonderfonds für Asylbewerber und Flüchtlinge vom Bund für die Kommunen hätte den Vorteil, dass das Geld direkt bei den Kommunen ankäme und nicht bei den Ländern versickern kann". Denkbar sei auch eine Kombination aus beidem.
Allein im August kamen in Deutschland mehr als 100.000 Flüchtlinge und Asylbewerber an. Bis Ende des Jahres erwartet die Bundesregierung nach eigenen Angaben 800.000 Flüchtlinge. Manche Landespolitiker gehen von einer Million aus.