Arbeitsagentur-Überschuss Müntefering gegen zusätzliche Beitragssenkung

Der Rekord-Überschuss der Bundesagentur für Arbeit (BA) weckt Begehrlichkeiten, was mit den Geldern passieren soll. Die BA kann sich eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorstellen, Politiker der Union fordern sie. Arbeitsminister Müntefering lehnt das ab.

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In diesem Jahr wird die Bundesagentur für Arbeit bis zu neun Milliarden Überschuss erzielen, dpa

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet in diesem Jahr mit einem Rekord-Überschuss zwischen 8,8 und 9,6 Milliarden Euro. Gründe dafür seien die gute Konjunktur und eine verbesserte Effektivität der BA, gab die BA heute bekannt. Der Überschuss werde grundsätzlich benötigt, erklärte BA-Finanzvorstand Raimund Becker, um den BA-Anteil an der für 2007 beschlossenen Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um zwei Punkte auf 4,5 Prozent zu finanzieren. Der im Vergleich zu früheren Berechnungen deutlich höhere Überschuss schaffe darüber hinaus weiteren Gestaltungsspielraum. „Wie dieser Spielraum genutzt wird, ist eine Entscheidung der Interessenvertreter der Beitragszahler und des Gesetzgebers“, so Becker. Müntefering sieht keinen Spielraum Doch Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sieht trotz des Rekordüberschusses weiterhin keine Möglichkeit, die Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung stärker als bisher geplant abzusenken. „Viel Luft ist da nicht“, sagte Müntefering der „Frankfurter Rundschau“ (Freitagausgabe). Konsolidierung und Solidität müssten Priorität haben. Die BA brauche rund 14,5 Milliarden Euro, um die bereits beschlossene Senkung des Arbeitslosenbeitrages von 6,5 auf 4,5 Prozent finanzieren zu können, so Müntefering. Rund 6,5 Milliarden Euro erhalte sie 2007 aus der Mehrwertsteuer. Rechnerisch bleibe so eine Lücke von acht Milliarden Euro. Müntefering wies dem Bericht zufolge allerdings darauf hin, dass die Behörde in diesem Jahr wie alle Sozialversicherungen von der Umstellung auf die frühere Beitragszahlung profitiert. „13 Zahltage für die Beiträge gab es ausnahmsweise 2006. Die gibt es 2007 nicht wieder.“ Politisches Tauziehen um Überschüsse Der Rekordüberschuss entfachte auch die politische Debatte neu, wie die zusätzlichen Gelder verwendet werden sollten. Politiker der Union dringen auf eine stärkere Beitragssenkung. Die SPD hingegen will den bisherigen Kurs beibehalten. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat die Regierung aufgefordert, den unerwartet hohen Überschuss der Bundesagentur für Arbeit für eine weiter gehende Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung im Jahr 2007 zu nutzen. Er forderte die Regierung auf, den Beitragssatz 2007 um 2,5 Punkte auf 4,0 Prozent statt der geplanten 4,5 Prozent zu senken. Die Bundesregierung könne die weiter gehende Beitragssenkung per Verordnung zunächst auf 2007 befristen. Durch weitere Sparbeschlüsse im Jahr 2007 könne dann sichergestellt werden, dass der Beitragssatz von 4,0 Prozent auch im Jahr 2008 dauerhaft finanzierbar sei. CSU-Landesgruppenchef Peter Raumsauer erklärte, es bestünden nun „hinreichend Spielräume“, den Beitragssatz 2007 unter die geplanten 4,5 Prozent zu senken. Der SPD warf er vor, es sei „unverantwortlich, die Überschüsse der Bundesagentur im Bundeshaushalt zu verfrühstücken“. Der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs ging über bisherige Forderungen der Union nach einer weiteren Senkung um 0,5 Prozentpunkte hinaus und sprach sich für einen Beitragssatz von 3,75 Prozent aus.

Die SPD bekräftigte die Position von Finanzminister Peer Steinbrück, den Überschuss in den Bundeshaushalt zu lenken. Die Forderung nach weiter gehenden Beitragssenkungen sei eine „Sommerschwalbe“, erklärte SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Das Geld könne kurzfristig zur Deckung von Mehrkosten beim steuerfinanzierten Arbeitslosengeld II verwendet werden und sicherstellen, dass Arbeitsmarktmaßnahmen für Hartz-IV-Bezieher auf hohem Niveau fortgeführt würden. Hier hatte die Koalition eine Ausgabensperre von fast einer Milliarde Euro verhängt, um Mehrkosten beim Arbeitslosengeld II aufzufangen. Auch SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner warnte: „Für weitere Beitragssatzsenkungen ist es zu früh.“ Konjunktur ermöglicht Rekordüberschuss Zuletzt hatte die Bundesagentur 1985 einen Überschuss erwirtschaftet, der sich auf 1,2 Milliarden Euro belief. Grund für den nun erwarteten Überschuss seien die konjunkturelle Erholung, die Reformbemühungen der Bundesagentur und die Einmalzahlung eines 13. Arbeitgeberbeitrags, berichtete die Behörde. Insgesamt dürften nach Berechnungen der Bundesagentur die Einnahmen in diesem Jahr mit 54,7 Milliarden Euro um 2,6 Milliarden Euro höher als erwartet ausfallen, während die Ausgaben um etwa fünf Milliarden Euro geringer sein sollten. Allein bei den Ausgaben für das Arbeitslosengeld I rechnet die Bundesagentur mit Einsparungen zwischen 3,2 bis 3,5 Milliarden Euro. „Hier spiegelt sich ganz klar der konjunkturelle Effekt wider, weil weniger Menschen arbeitslos geworden sind oder schneller aus der Arbeitslosigkeit wieder eine Beschäftigung aufgenommen haben“, erklärte Becker. Auch der so genannte Aussteuerungsbetrag, den die Bundesagentur für jeden Übertritt vom Arbeitslosengeld I in das steuerfinanzierte Arbeitslosengeld II an den Bund entrichten muss, dürfte um etwa 1,7 Milliarden Euro geringer ausfallen. Hinzu kämen höhere Beitragseinnahmen, weil mehr Menschen als erwartet in sozialversicherungspflichtigen Jobs beschäftigt und auch höhere Tarifverträge abgeschlossen worden seien. Allein dieser Posten schlage mit zusätzlich einer Milliarde Euro zu Buche. Die Einnahmen durch die zweimalige Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitgeber, die im Januar 2006 auf Grund einer Gesetzesänderung einmalig anfiel, bezifferte Becker auf etwa 3,2 Milliarden Euro. Angesichts dieses Sondereffekts warnte Becker davor, auch im kommenden Jahr einen so hohen Haushaltsüberschuss zu erwarten.

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