Arbeitslose Statistik-Wirrwarr um Hartz IV

Wieder mal eine neues Zahlenwerk zur Schummelei mit der Stütze. Gibt es tatsächlich mehr Missbrauch?

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Zwar haben die Arbeitsagenturen im vergangenen Jahr deutlich mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt, die reinen Missbrauchs- und Betrugsfälle stiegen allerdings nicht an. Quelle: dpa

Wie passt das eigentlich zusammen? Vor knapp drei Wochen erst hatte die Bundesagentur für Arbeit gejubelt, die Zahl der Hartz-IV-Schummelfälle gehe zurück. Heute melden die Zeitungen, die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger steige, was einigermaßen verwirrend klingt. Hat da jemand die Statistik nicht verstanden? Handelt es sich um „Stimmungsmache“, wie die Sozialverbände poltern? Oder gibt es tatsächlich ein neues Zahlenwerk und einen brandaktuellen Trend zu mehr Sozialbetrug?

Krimineller Missbrauch prozentual gestiegen
Die Antwort lautet: Den Trend zu kriminellem Missbrauch gibt es nicht, zumindest nicht in dem Ausmaß, den der oberflächliche Blick auf die Zahlen nahelegt. Tatsächlich sind die Strafen, die alle Jobcenter verhängt haben, von 829.375 im Jahr 2010 auf 912.377 im Jahr 2011 angestiegen. Macht eine Steigerung von immerhin rund zehn Prozent.

Die fiesesten Steuertricks des Staates
Wie der Staat Steuerzahler abzockt Steuererklärung Wenn Steuerzahler beim Ausfüllen der Steuererklärung am Computer ein Feld vergessen und auf diese Weise Steuervorteile verschenken, stellt sich das Finanzamt immer wieder quer. Wer den Fehler erst bemerkt, wenn die einmonatige Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid abgelaufen ist, hat deshalb meist keine Chance auf eine nachträgliche Korrektur. Beim Bundesfinanzhof laufen derzeit mehrere Verfahren zu dieser Frage. Quelle: APN
Studienkosten Positive Gerichtsurteile hebelt die Bundesregierung immer wieder durch neue Gesetze aus. Nachdem der Bundesfinanzhof 2003 entschieden hatte, dass Studienkosten - also etwa Uni-Gebühren oder Ausgaben für Fachliteratur - voll absetzbar sind, erließ die damalige rot-grüne Koalition kurzerhand ein neues Gesetz. Doch 2011 entschied der BFH erneut, dass Studienkosten voll absetzbar sein müssen. Noch ist unklar, wie es nun weitergeht. Quelle: dpa
Die fiesesten Steuertricks des StaatesNicht-AnwendungserlasseEine Option des Bundesfinanzministeriums ist, dass Studienkosten-Urteil des Bundesfinanzhofs "über den entschiedenen Einzelfall hinaus" für nicht anwendbar zu erklären. Die schwarz-gelbe Koalition hatte zwar versprochen, die rechtsstaatlich fragwürdige Praxis der "Nicht-Anwendungserlasse" einzudämmen. Im Fall der Studienkosten hat das Bundesfinanzministerium einen solchen Erlass aber bisher nicht ausgeschlossen. Quelle: dpa
VerfassungswidrigkeitManche neue Steuervorschrift erweist sich wenig später als verfassungswidrig. In den vergangenen Jahren kassierte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht zum Beispiel die Senkung der Pendlerpauschale sowie die beschränkte Absetzbarkeit eines häusliches Arbeitszimmers wieder ein. Quelle: Fotolia
Prostituiertensteuer Besonders einfallsreich zeigt sich der Fiskus, wenn es ums Erfinden neuer Abgaben geht. Die Behörden in Bonn zum Beispiel haben 2011 eine Abgabe von sechs Euro pro Tag für Prostituierte eingeführt. Zahlbar direkt ist die Flat-Tax an einem umgerüsteten Park-Automaten (Foto) in der Nähe des Straßenstrichs ("Steuerticket-Automat"). Die neue Abgabe soll der Stadt 300 000 Euro pro Jahr bringen. Quelle: dpa
PferdesteuerUngemach droht auch Pferdebesitzern. So fordern Finanzpolitiker in mehreren Kommunen, analog zur Hundesteuer eine Pferdesteuer einzuführen. Im Schleswig-holsteinischen Norderstedt zum Beispiel, wo es 3000 Pferde gibt, laufen die Diskussionen auf Hochtouren. Auch im hessischen Taunusstein und in Dortmund gibt es entsprechende Initiativen. Quelle: dapd
Branntweinsteuer Wenn solche Steuern nur vorübergehend erhoben würden, um schwache Phasen zu überbrücken, wäre das ja erträglich. Aber die Erfahrung zeigt: Hat der Staat eine Abgabe erstmal eingeführt, bleibt sie uns auch erhalten. Die Branntweinsteuer etwa wurde vor über hundert Jahren eingeführt, um den Aufbau der kaiserlichen Flotte zu finanzieren - und existiert noch heute. Quelle: dpa


Allerdings haben die Fallmanager den Großteil der Sanktionen nicht etwa verhängt, weil sich Hartz IV-Empfänger böswillig Leistungen erschlichen. Leider muss man sagen: Dazu wären viele Sanktions-Betroffene vermutlich zu träge gewesen. Sie hielten sich schlicht nicht an ihre Meldepflichten und erschienen nicht zu Terminen im Amt. Vergessen, verschlafen, versäumt: 582.253mal wurden deshalb die Leistungen gekürzt.

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