Arbeitsmarkt Warum 90 Prozent der Firmen keine Flüchtlinge einstellen

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Die Allerwenigsten finden gleich einen Job

Deutschlands oberster Integrationsbeauftragter Frank-Jürgen Weise weiß, wie knifflig Integration ist. Der Doppel-Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und der Bundesagentur für Arbeit vermeidet daher übertriebenen Optimismus. Zwar wird Weise nicht müde zu betonen, ein Drittel der Neuankömmlinge sei zwischen 18 und 25 Jahre alt – der ideale Zeitpunkt für eine Ausbildung. Dafür Geld in die Hand zu nehmen bleibe „die beste Investition“, sagt Weise. Doch nur jeder zehnte erwachsene Flüchtling könne wohl schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden, sagt der Amtschef, einem Drittel dürfte das mit Hilfe in den ersten fünf Jahren gelingen.

Helmut Peter will beweisen, dass das möglich ist. Ihm gehören 15 Autohäuser in Thüringen und Niedersachsen, 700 Mitarbeiter hören auf ihn, darunter 120 Azubis. Peter ist ein zupackender Typ, er sagt: „Wenn alle nur warten, dass die anderen etwas tun, dann wird es nie etwas.“ Und als er im Oktober vorigen Jahres Kanzleramtschef Peter Altmaier bei einer Veranstaltung erlebte, in der es um Flüchtlingspolitik ging, mochte Peter nicht länger warten. Er ging nach dessen Rede auf den mächtigen Besucher aus Berlin zu und sagte ihm: „Gib mir Flüchtlinge – und ich probiere es.“

Seit Jahresbeginn hat Peter also 14 Flüchtlinge nach Nordhausen an den Stammsitz seines Unternehmens geholt, fünf Iraker, vier Syrer, fünf Männer aus Eritrea, einer von ihnen ist Biniam Teklay. Der 27 Jahre alte Mann fand den Weg aus einer Sammelunterkunft in Suhl in Peters Kfz-Werkstatt. Hier lernt der Praktikant nun, wie man Motorenöl tauscht und Reifen wechselt. Genau wie seine Kollegen erhält Teklay besondere Unterstützung der Arbeitsagentur, um später in einer Ausbildung klarzukommen.

Allerdings ist der zupackende Unternehmer Peter eher die Ausnahme, wie die Umfrage des ifo Instituts belegt. Knapp 90 Prozent der befragten Firmen haben eben noch keine Erfahrung mit Flüchtlingen. Mehr als die Hälfte der Betriebe, die sich Flüchtlingen öffnen, gewähren zunächst ein Praktikum. 40 Prozent stellen Hilfskräfte ein. 18 Prozent der Dienstleistungsunternehmen haben Flüchtlinge als Angestellte gewonnen, in der Gesamtwirtschaft trifft dies auf zwölf Prozent zu. Ihre Erwartungen an die Neuen sehen Arbeitgeber in der Industrie und auf dem Bau zu einem Drittel nicht erfüllt. Besser sind die Erfahrungen im Handel und bei Dienstleistern, die zu knapp zehn Prozent enttäuscht, häufiger aber positiv überrascht wurden.

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