Arbeitsmarkt Die Politik hält Frauen vom Arbeitsmarkt fern

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Subventionen für das Private

Thomas Kranz Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Experten von den fünf Wirtschaftsweisen bis zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beklagen die Fehlanreize seit Jahren. Doch nie waren die Folgen fataler als heute: Nach offiziellen Schätzungen fehlen bis 2025 im schlechtesten Fall rund 6,5 Millionen Erwerbspersonen. Niemand wäre schneller zu aktivieren als die Frauen. Es wäre ein Anfang, den Müttern unter ihnen die Kinderbetreuung zu erleichtern.

Das hält die Bundesregierung indes nicht davon ab, das umstrittene Betreuungsgeld einzuführen. 100 Euro und von 2014 an 150 Euro monatlich sollen Eltern dafür bekommen, dass sie ihren Nachwuchs nicht in eine staatliche Kita schicken. In bar, ginge es nach der CSU. Das böse Wort von der „Herdprämie“ hat sich im kollektiven Wortschatz durchgesetzt.

Es gibt Millionen gute Gründe für Eltern, aus dem Job auszusteigen und sich um den Nachwuchs zu kümmern. Wer bringt schon Kinder zur Welt, um sie danach, Pardon, gleich outzusourcen? Dass der Staat diese private Lebensentscheidung aber subventionieren will, sorgt in der Ökonomie für Kopfschütteln. Klaus Zimmermann, Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit, beklagt den „Rückfall in die Steinzeit der Familienpolitik“.

Diagramm: Im Westen Mangelware Quelle: Statistisches Bundesamt

Vor allem die Wirtschaft empört sich über das Betreuungsgeld. „Das Thema regt mich wirklich auf!“, bekennt Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Ordnungspolitisch ist kaum einzusehen, warum der Staat eine Belohnung an jene verteilt, die öffentliche Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Oder warum die CSU auf Wahlfreiheit für Eltern pocht, die ihre Kinder zu Hause erziehen, obwohl es in vielen Ländern schon deshalb keine freie Wahl für Mütter und Väter gibt, weil es an Kitas und Tagesmüttern mangelt. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), empfiehlt, „auf das Projekt zu verzichten und das Geld in Bildung und den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren“. Würde es am Ende zwei Milliarden Euro jährlich kosten, wie es das Bundesfinanzministerium fürchtet, könnte man mit dieser Summe die laufenden Kosten von 200 000 Kitaplätzen zahlen, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Diagramm: Frauen arbeiten kürzer Quelle: Eurostat

So ist das Betreuungsgeld symptomatisch für die Summe an Fehlanreizen. Die weibliche Erwerbstätigkeit in Deutschland ist niedrig, nur 70 Prozent der Frauen gehen einem Job nach. Und knapp die Hälfte von ihnen, rund 46 Prozent, arbeitet in Teilzeit – bei den Männern sind es nur neun Prozent. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) konstatiert, dass man die Frauenerwerbstätigkeit nur ein wenig erhöhen müsse, um den Großteil des Fachkräftemangels zu vermeiden.

Umfragen zeigen, dass viele Frauen gern etwas mehr arbeiten würden. Allerdings schreckt viele die plakative Wirkung des Ehegattensplittings ab. Auch für die Unternehmen ist das ein Problem. Daher schimpft auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gern über die unglückselige Kombination von Steuerklasse III und V.

Thomas Kranz kann da nur zustimmend nicken. Zusammen mit seiner Frau Hildegard betreibt er ein Ingenieurbüro im westfälischen Oelde. Ihre Statiker haben sich auf Industriebauten spezialisiert, vor allem auf Silos in Zementwerken. Dafür braucht man echte Experten. „Unser größtes Kapital sind unsere Mitarbeiter“, sagt Kranz. Spätestens an dieser Stelle sollte man besser schreiben: die Mitarbeiterinnen.

17 Beschäftigte zählt das Unternehmen, 14 davon sind Frauen. Die meisten arbeiten schon lang im Unternehmen. Für das Ingenieurbüro ist das überlebenswichtig. Schon deshalb, weil es ein Mittelständler in einem Städtchen, in dem die Straßen nicht ohne Grund „Auf dem Felde“ oder „Im Nebel“ heißen, etwas schwer hat, High Potentials aus den Metropolen abzuwerben. „Wir stolpern uns einen ab, um unsere Mitarbeiterinnen zu halten“, sagt Kranz.

Allerdings gibt es da ein wiederkehrendes Phänomen: Wenn die Mitarbeiterinnen Babys bekommen, steigen sie erst einmal aus dem Job aus und irgendwann in Teilzeit wieder ein. Dafür hat Kranz als Vater zweier Kinder Verständnis. Doch ihn ärgert, wenn ihm seine Ingenieurinnen nach der Babypause für immer abhandenkommen. Daran, glaubt Kranz, trage der Finanzminister eine Mitschuld.

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