Arbeitsmarktreform Endstation Hartz IV

Eigentlich sollte die Hartz-IV-Reform Langzeitarbeitslose schneller in neue Jobs bringen. Doch diese Rechnung geht nicht auf, wie Daten der Bundesregierung zeigen: Betroffene bleiben abgehängt und verarmen zusehends.

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Hier leben die meisten Dauer-Hartz-IV-Bezieher
Platz 16Bundesland: Bayern Vier Jahre und länger Hartz IV: 37,6 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 411.369 Quelle: dpa
Platz 15Bundesland: Baden-Württemberg Vier Jahre und länger Hartz IV: 38,3 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 420.359 Quelle: dpa
Platz 14Bundesland: Rheinland-Pfalz Vier Jahre und länger Hartz IV: 40,5 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 213.660 Quelle: dpa
Platz 13Bundesland: Hessen Vier Jahre und länger Hartz IV: 43,2 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 399.070 Quelle: dpa
Platz 12Bundesland: Saarland Vier Jahre und länger Hartz IV: 45,5 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 73.462 Quelle: dpa
Platz 11Bundesland: Niedersachsen Vier Jahre und länger Hartz IV: 45,6 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 575.225 Quelle: dpa
Platz 10Bundesland: Nordrhein-Westfalen Vier Jahre und länger Hartz IV: 45,7 Prozent Anzahl der Hartz-IV-Bezieher insgesamt: 1.566.241 Quelle: dpa

Das Ziel der vierten Hartz-Reform, arbeitsfähigen Bedürftigen schneller neue Arbeitsplätze zu verschaffen, wird offenbar kaum noch erreicht. Das legt eine Handelsblatt Online vorliegende Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei nahe. Die Hartz-Reformen haben demnach zu einer drastischen Verfestigung des Langzeitbezugs der Grundsicherung geführt – mit der Folge, dass immer mehr Erwerbslose verarmen.

Für Linksparteichefin Katja Kipping sprechen die Zahlen eine klare Sprache. „Hartz IV ist sogar gemessen an den eigenen Ansprüchen ein Desaster“, sagte Kipping Handelsblatt Online. Das System drücke die Menschen in die Armut und schiebe sie auf ein Abstellgleis. „Mit Strafen und Überwachen ist einfach kein Sozialstaat zu machen.“ Nach zehn verlorenen Jahren für die Sozialpolitik wäre es daher Zeit für eine Bestandsaufnahme der Hartz-Reformen. Die Probleme müssten dabei „sauber“ voneinander getrennt werden. „Für den Kampf gegen die Armut brauchen wir eine echte sanktionsfreie Mindestsicherung, ein soziales Netz, durch das wirklich niemand fällt“, sagte Kipping. „Und wenn wir die Menschen schneller wieder in Arbeit bringen wollen, dann brauchen wir eine Renaissance der Arbeitsmarktpolitik und eine neue Debatte über Arbeitszeitverkürzungen“, betonte sie. „Als Sofortmaßnahmen müssen wir dem Hartz-System die Giftzähne ziehen.“

Erregungsmaschinerie Hartz IV

Der ernüchternde Befund einer weitgehenden Wirkungslosigkeit der Hartz-Reformen bestätigt Befürchtungen von Experten, die schon länger an einem der Grundgedanken der Arbeitsmarktreformen des früheren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) zweifeln, nämlich dem, dass in der Arbeitsmarktpolitik künftig „ein größeres Gewicht auf das Fordern“ gelegt werde. Dahinter steckt die Annahme, dass Arbeitslose dann eher bereit seien, jeden Job anzunehmen. Diese Anreizwirkung ist aber bis heute umstritten: Schon der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Karl Brenke, bezeichnete Hartz IV als „weitgehend wirkungslos“. Damals wie heute fehlten die richtigen Arbeitsplätze für gering Qualifizierte.

Rückenwind bekommen die Hartz-IV-Kritiker nun durch Daten, die das Arbeitsministerium von Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) in seiner Antwort auf die Anfrage der Linken zu Verweildauern im Hartz-IV-System zur Verfügung stellt. Die Linkspartei verglich diese mit der Dauer der Arbeitslosigkeit von Sozialleistungsempfängern vor der Arbeitsmarktreform. Nachdem mit Hartz IV die Transferleistungen für viele gekürzt, auch schlecht bezahlte Jobs für zumutbar erklärt und Sanktionen für die Ablehnung eines Stellenangebots verschärft wurden, hätte die durchschnittliche Verweildauer in der Grundsicherung zurückgehen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Verweildauer in Hartz IV ist deutlich länger als bei den Vorgängersystemen.

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