Arbeitsrecht Wirtschaft beklagt Bürokratie durch Brückenteilzeit

Brückenteilzeit: Wirtschaft warnt vor zu viel Bürokratie Quelle: dpa

Die neu eingeführte Brückenteilzeit gibt einem großen Teil der Arbeitnehmer das Recht auf eine zeitlich befristete Teilzeitarbeit mit Rückkehrgarantie in Vollzeit. Wie oft diese Rückkehr bisher tatsächlich verweigert wird, weiß niemand.

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Das Recht, die eigene Arbeitszeit (und entsprechend die Vergütung) zu reduzieren, haben Arbeitnehmer bereits. Künftig haben sie auch das Recht, nach einer bestimmten Frist zwischen ein und fünf Jahren wieder in Vollzeit zu arbeiten – sofern ihr Arbeitgeber mehr als 45 Mitarbeiter hat. Diese Einführung einer „Brückenteilzeit“ im Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde vom Bundestag heute verabschiedet und tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft. Während die Gesetzesänderung sowohl aus den Reihen der Koalitionsparteien gelobt und begrüßt wurde, kamen aus der Wirtschaft Warnungen vor unerwünschten Nebenwirkungen.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast sagte, die Brückenteilzeit beende „die Teilzeitfalle für viele Frauen.“ Vor allem Frauen reduzieren nach der Geburt von Kindern oft ihre Arbeitszeit, verlieren dann aber – so zumindest eine weitverbreitete Annahme – Karrierechancen gegenüber ihren Vollzeit arbeitenden, meist männlichen Kollegen. Außerdem verbessere die Möglichkeit der Brückenteilzeit die Bedingungen in der digitalen Arbeitswelt. „Denn für die Arbeit 4.0 ist es wichtig, dass sich Menschen weiterbilden können“, sagte Mast. „Wenn sie dafür auf eigenen Wunsch bei der Arbeitszeit für eine bestimmte Dauer kürzertreten können, verbessert das ihre Fähigkeiten auf dem sich verändernden Arbeitsmarkt.“ Gemeinsam mit dem geplanten Gesetz für mehr Qualifizierungschancen werde das für viele Menschen große Wirkung entfalten, sagte Mast. Dieses Qualifizierungschancengesetz wird am Donnerstag erstmals im Plenum beraten. Beide Gesetze stammen aus dem Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Yvonne Magwas, die Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sprach von einem „Schritt hin zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen“. Schließlich arbeite mehr als jede zweite erwerbstätige Mutter auch dann noch in Teilzeit, wenn ihr jüngstes Kind bereits im Teenageralter ist. „Das tun Frauen oft nicht freiwillig, sondern weil ihnen die Rückkehr in Vollzeit verwehrt wird oder weil eine Betreuung fehlt“.

Problem gelöst. Welches Problem?

Belastbare Belege dafür, wie vielen Angestellten die Rückkehr aus der Teilzeit- in die Vollzeitbeschäftigung von ihrem Arbeitgeber tatsächlich verwehrt wird, konnte allerdings auf Nachfrage weder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) noch das Statistische Bundesamt nennen. Im BMAS, das das Gesetz zur Brückenteilzeit vorlegte, kann man nur auf den Mikrozensus von 2016 verweisen, wonach rund 1,8 Millionen Teilzeitbeschäftigte den Wunsch hatten, Ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Ob - und wenn ja wodurch - sie an der Erfüllung des Wunsches gehindert werden, geht daraus nicht hervor. Selbstverständlich können sich auch jetzt schon Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich auf die individuelle Rückkehr in Vollzeit nach einer befristeten Teilzeit einigen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gingen im Jahr 2017 rund 11,6 Millionen Personen einer Teilzeittätigkeit nach. 10,6 Prozent von ihnen betrachteten die Teilzeitarbeit als Notlösung. Sie gaben als Grund für ihre Teilzeittätigkeit an, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben. 14,5 Prozent der teilzeitbeschäftigten Männer und knapp 9,5 Prozent der Frauen waren eigentlich auf der Suche nach einem Vollzeitjob. Wie viele dieser unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigten zuvor beim selben Arbeitgeber in Vollzeit beschäftigt waren, der ihnen die Rückkehr in Vollzeit nun verweigert, geht aus dieser Aufstellung allerding nicht hervor. Eine Pflicht, Arbeitnehmern, die von Anfang an in Teilzeit eingestellt wurden, eine Vollzeitbeschäftigung anzubieten, sieht auch das neue Gesetz nicht vor.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht das Recht auf Brückenteilzeit als „ein weiteres Puzzleteil für mehr Bürokratie in unserem Land“, denn sie bedeute „unterm Strich erhebliche organisatorische Mehrbelastungen für die Unternehmen in Deutschland“. Ein zentraler Erfolg sei es bei der Erarbeitung des Gesetzes aber gewesen, dass die sogenannte Beweislastumkehr deutlich entschärft wurde. Dabei geht es darum, wer nachweisen muss, dass eine geeignete Vollzeitstelle zur Verfügung steht. „So bleibt die unternehmerische Freiheit weiterhin gewahrt, und die Unternehmen entscheiden auch in Zukunft, mit wie vielen Arbeitnehmern sie künftig ihre Produkte und Dienstleistungen herstellen beziehungsweise erbringen wollen“, so die BDA.

„Das Gesetz hilft niemandem, belastet aber erneut die Wirtschaft“, sagte Rainer Dulger, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Nur eine verbesserte Kinderbetreuung ermöglicht Müttern die Rückkehr in Vollzeit.“ Das Gesetz werde den Unternehmen die Personalplanung deutlich erschweren.




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