Architekt der „schwarzen Null“ Werner Gatzer warnt vor Brexit und Handelsstreit

Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Quelle: dpa

In dieser Woche will der Bundestag den Haushalt für das kommende Jahr beschließen. Der Staatssekretär Werner Gatzer gilt als Architekt der „schwarzen Null“. Er warnt nun vor Risiken für den neuen Bundeshaushalt.

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Zu seinem Abschied versammelten sich über 200 Mitarbeiter der Haushaltsabteilung, alle rot-weiß gekleidet - und Werner Gatzer trug ein Geißbockkostüm. Da konnte er nicht ahnen, dass er ein paar Monate später bereits wieder zurück ist, hier im Finanzministerium. Und an der nächsten „Null“ bastelt.

Es gibt wohl kaum einen so exponierten Fußballfan in der Bundesregierung wie den Chef der wichtigen Haushaltsabteilung im Bundesfinanzministerium, Staatssekretär Werner Gatzer (60). Aber der 1. FC Köln raubt der Frohnatur zumindest nicht mehr den Schlaf: „Nach dem sechsten Abstieg bringt mich das nicht mehr aus der Ruhe.“

Es spricht für das SPD-Mitglied Gatzer, dass nach der Amtszeit Peer Steinbrücks (SPD) sogar CDU-Nachfolger Wolfgang Schäuble so überzeugt von ihm war, dass er ihn behielt, als es 2009 zum schwarz-gelben Wechsel kam. Als sich 2017 abzeichnete, dass eine Jamaika-Koalition kommen und die FDP das Finanzministerium bekommen könnte, folgte er dem Lockruf der Bahn und wurde für zwei Monate Vorstandschef der Bahnhofssparte. Als es dann doch wieder zur großen Koalition kam und SPD-Mann Olaf Scholz das Haus übernahm, holte er Gatzer zurück.

Er wird diese Woche mit seiner Truppe den sechsten Haushaltsplan ohne neue Schulden in Folge unter Dach und Fach bringen - der Bundestag will das Werk Freitag beschließen. Sein Büro ist einmal gestrichen worden, sonst ist alles so geblieben wie vor dem Kurzzeit-Abschied. Er hat seit 13 Jahren, als er erstmals die Aufgabe übernahm, auch die gleichen Möbel. Auf dem Schreibtisch steht ein Keramik-Geißbock.´
Die Haushaltswoche ist traditionell ein Höhepunkt im Parlament, es kommt zum Schlagabtausch über alle Einzeletats. Die Bundesregierung plant mit Einnahmen und Ausgaben von 356,4 Milliarden Euro, rund 13 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Es gibt reihenweise Kritik an dem Haushalt - vom Geldverteilen nach dem Gießkannenprinzip bis hin zur fehlenden großen Steuerreform oder zu geringen Investitionen in Infrastruktur und Schulen. Gatzer hält sich beim Treffen in seinem Büro dazu bedeckt - er ist Diener seines Ministers und Vollstrecker des Koalitionsvertrags, er muss das alles in Ausgaben übersetzen.

Jüngst rüffelte der Bundesrechnungshof die Regierung massiv, sie gebe in den guten Zeiten viel zu viel Geld aus - Rentenverbesserungen und das für zehn Jahre geplante Baukindergeld belasten die Kasse über einen langen Zeitraum. Die „schwarze Null“ erzeuge daher nur eine trügerische „Scheinsicherheit“, kritisierte Präsident Kay Scheller. Die Leistungen an die Rentenversicherung - „mit Abstand der größte Posten“ - würden in den kommenden Jahren massiv steigen.

Beim Haushalt sind inzwischen rund 80 Prozent der Ausgaben durch Gesetze, Verträge und Verpflichtungen gebunden. „Fast 100 Milliarden Euro gehen aktuell als Bundeszuschuss in die Rente“, erläutert Gatzer. Noch steht trotzdem die „Null“. Nachdem dies zuvor letztmals 1969 gelungen war, verzichtet man seit 2014 auf neue Kredite, teils gibt es sogar satte Milliardenüberschüsse. Dank der guten Konjunktur und hohen Steuereinnahmen wird die Verschuldung abgebaut. Die Schuldenuhr läuft seit einiger Zeit rückwärts - die Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland beträgt „nur noch“ 26 520 Euro.

„Wir zeigen damit, dass wir in guten Zeiten mit dem Geld der Steuerzahler auskommen“, betont Gatzer. In seiner Abteilung jonglieren die 240 Mitarbeiter mit all den Wünschen von Ministerien und Behörden vom Zoll bis zum Wasser- und Schifffahrtsamt hin und her; verbuchen Milliardenprojekte wie das Familien-Entlastungspaket in Höhe von 9,8 Milliarden Euro für kommendes Jahr. „Solide Finanzen ermöglichen es uns, in schlechten Zeiten zuzupacken und die Menschen vor den negativen Folgen einer Krise zu schützen.“ Die Puffer sind so groß, dass notfalls mit Konjunkturpaketen gegengesteuert werden könnte - Sorge bereitet der Regierung eher, dass hoch verschuldete Länder wie Italien oder Griechenland keine Puffer mehr haben.

Das kann dann schnell die Euro-Zone in Schieflage bringen. Für Gatzer ist die „Schwarze Null“ kein Fetisch, sondern für den Vater von vier Kindern Politik zum Wohle der künftigen Generationen. „Statt riesige Zinszahlungen an Großinvestoren leisten zu müssen, können wir in wichtige Dinge investieren, in moderne Schulen, mehr Kita-Plätze oder gute Straßen.“ Damit sei solide Haushaltspolitik auch ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, betont der Rheinländer.

„Bei den Zinsen sind wir besser aufgestellt als vor zehn Jahren, weil wir die Phase niedriger Zinsen genutzt haben und auf längerfristige Instrumente umgestiegen sind“, betont er. „Damit profitieren wir weiter von niedrigen Zinsen, auch wenn die Zinsen irgendwann wieder steigen.“ Spätestens 2019 soll die Staatsverschuldung erstmals seit 2002 wieder unter die 60-Prozent-Marke fallen. Die zur Stabilität des Euro festgelegten Maastricht-Regeln sehen vor, dass die Verschuldung 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eigentlich nicht überschreiten soll. Von den 19 Euro-Staaten bauen derzeit neben Deutschland aber nur Zypern, Litauen und Slowenien Schulden ab. Die höchste Verschuldung hat Italien mit 2,3 Billionen Euro, es folgt Frankreich.

Die Lage ist fragil: „Mit Sorge betrachte ich die Konflikte bei globalen Handelsfragen oder die möglichen Folgen des Brexits“, sagt Gatzer. Eine große Herausforderung sei auch der demografische Wandel. „Umso wichtiger ist es, dass wir vorbereitet sind“, sagt Gatzer. Er weiß: Die „Null“ ist nicht in Stein gemeißelt.

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