ARD-Talkshow Kramp-Karrenbauer klingt bereits ein bisschen wie Merkel

Annegret Kramp-Karrenbauer tritt bei „Anne Will“ erstmals in ihrer Rolle als CDU-Generalsekretärin auf. Es geht um „bayerische Verhältnisse“ und den Unterschied zwischen Heimat und Digitalisierung.

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ARD-Talkshow: Kramp-Karrenbauer klingt ein bisschen wie Merkel

Berlin Am Sonntag vor acht Tagen, an dem das Ergebnis der SPD-Mitgliederabstimmung zum Koalitionsvertrag bekannt gegeben worden war, hatte ARD-Talkerin Anne Will ihr Publikum überrascht: Anstatt die Gelegenheit zu nutzen, topaktuell über die endlich feststehende (und zuvor in unzähligen Fernseh-Talkrunden nervös erwartete) Bundesregierung zu talken, diskutierte sie lieber über die eher zeitlose Diesel-Frage.

Eine Woche später holte Will den Talk zur Merkel-Groko 2018 nach – mit einer hochkarätig besetzten Runde: Annegret Kramp-Karrenbauer saß erstmals als frischgebackene CDU-Generalsekretärin in einer Talkshow. Hat man in der Sendung die künftige CDU-Kanzlerkandidatin gesehen? Als die wird die Saarländerin seit ihrem Wechsel nach Berlin ja verstärkt gehandelt.

Na ja. In fast FDP-gelber Bluse saß Kramp-Karrenbauer zurückhaltend-nachdenklich in der Runde. Wenn Argumente anderer ihr nicht passten, schüttelte sie leicht den Kopf. Anstatt Gegenspieler zu unterbrechen oder, falls sie sich nicht unterbrechen lassen, minutenlang gegen sie anzureden, wie Talkshow-Haudegen es tun (und wie es Manuela Schwesig und Sahra Wagenknecht einmal vorexerzierten), „flüsterte“ Kramp-Karrenbauer lieber Gegenargumente.

So nannte zumindest Anne Will es, als die CDU-Generalsekretärin einmal tatsächlich leise Christian Lindner widersprach. Im Verlauf der lange zähen Sendung nahm sie aber ein wenig an Fahrt auf.

Ihre konsens-orientierten Sätze wie, dass die neue Regierung mit einem „guten Bündel an Maßnahmen" auf einem „gutem Weg in die Zukunft“ sei, nachdem die letzten Jahre „unglaublich herausfordernd“ gewesen seien, erinnerten durchaus an Angela Merkel. Auch die Kanzlerin pflegt bei Fernsehauftritten, selten etwas Überraschendes zu sagen.

Immerhin bewies Kramp-Karrenbauer einmal fernsehöffentlich Standfestigkeit: Die Namen ostdeutscher Staatssekretäre, die die CDU benannt hat, wollte sie trotz Anne-Will-Nachfrage nicht vorab nennen. Die werde die Partei erst am heutigen Montag bekannt geben.

Da ging es um die Frage, ob in der neuen Bundesregierung zu wenige Ostdeutsche sitzen. Kramp-Karrenbauer wies daraufhin, dass die Kanzlerin ja Ostdeutsche ist. SPD-Politikerin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern pries natürlich die künftige Familienministerin Franziska Giffey. Dabei habe die bisherige Berlin-Neuköllner Bezirksbürgermeisterin „ihr ganzes Berufsleben im Westen verbracht“, warf der Journalist Robin Alexander ein. Der Hauptstadtkorrespondent der Springer-Zeitung „Die Welt“ war über die ganze Sendung auf – durchaus produktiven – Krawall gebürstet manchmal drauf und dran, Anne Will ihre Show zu stehlen

Zuvor hatte er bereits Giffey und Jens Spahn, den als relativ mutigsten Merkel-Gegner in der CDU bekannt gewordenen künftigen Gesundheitsminister, als frühere „Flügelpersonen“ bezeichnet.

Sollte ungefähr heißen: Diese beiden stünden in ihren Parteien für Flügel, die noch in der vorherigen Großen Koalition Minderheits-Positionen gewesen, nun aber prominent in der Regierung vertreten seien. „Die CDU ist den CSU-Vorstellungen zur Flüchtlingspolitik beigetreten, die SPD auch“, beantwortete Alexander Anne Wills provokant gemeinte Eingangsfrage „Bekommen wir bayerische Verhältnisse in der Flüchtlings- und Integrationspolitik in ganz Deutschland?“ noch etwas provokanter.

Die Frage hatte die Moderatorin eingangs Schwesig und Kramp-Karrenbauer gestellt, die das jedenfalls nicht dementierten. Was ihre jeweils sehr langen Antworten am konkretesten aussagten war, dass die neue Große Koalition einiger handeln und einiger sprechen sollte und auch wolle als es die vorherige tat.

Während die nun also größte Oppositionspartei AfD nicht im Studio vertreten war, hatten die eingeladenen Vertreter anderer Oppositionsparteien es sichtlich schwer. FDP-Parteichef Christian Lindner und die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht hatten geringe Redeanteile. Dabei überraschten sie durch einige Übereinstimmungen.

So betonte Lindner, dass die neue Bundesregierung nur in der Gegenwart umverteilen wolle, anstatt dafür zu sorgen, „dass es in der Zukunft noch etwas zu verteilen gibt“. Wagenknecht ergänzte, dass Deutschland zwar Exportweltmeister ist, doch sowohl der Staat als auch die Unternehmen so wenig investieren würden wie lange nicht mehr. Sie forderte, der Staat müsse Wagniskapital bereitstellen. Lindner wiederum forderte, die Digitalisierung müsste genauso an einer Stelle federführend koordiniert werden wie die „Heimat“, um die Horst Seehofer sein Innenministerium ergänzt.

Das war einer der Momente, in denen Kramp-Karrenbauer Fahrt aufnahm: Weil sie künftig federführend im Kanzleramt koordiniert wird, werde die Digitalisierung eine große Rolle spielen. Da stimmte sogar „Welt"-Journalist Alexander zu: Das heiße, „dass Angela Merkel sie wirklich ernst nimmt", denn Merkel sei ohnehin entschlossen, aus dem Kanzleramt zu regieren und sich an den aktuellen, von SPD und CSU bestimmten Koalitionsvertrag so wenig zu halten, wie sie sich an frühere Koalitionsverträge hielt.

An Spannungs-Potenzial rund um die neue Bundesregierung herrscht zumindest kein Mangel. Das machte diese Talkshow gut deutlich.

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