Armutsmigration Wie schlimm ist das Problem mit Zuwanderern?

Politik und Verbände warnen einhellig, Probleme mit Zuwanderern zu dramatisieren. Ein Großteil sei gut ausgebildet. Nachdenklich aber stimmt ein Zeitungsbericht über Rumänien.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Diese Nationen wollen nach Deutschland
Die Krise in Südeuropa und die EU-Osterweiterung haben Deutschland die stärkste Zuwanderung seit 1995 gebracht. Rund 1,08 Millionen Menschen zogen im vergangenen Jahr zu und damit so viele wie zuletzt vor 17 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr betrug das Plus noch einmal 13 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Etwa 966.000 Zuwanderer waren den vorläufigen Ergebnissen zufolge Ausländer (plus 15 Prozent). Die Zahl der Zuzüge von Spätaussiedlern und deutschen Rückkehrern aus dem Ausland blieb mit rund 115.000 nahezu konstant. Quelle: dpa
Einen großen Zuwachs verbuchten die deutschen Einwohnermeldeämter aus Italien: 2012 kehrten 40 Prozent mehr Italiener ihrer Heimat den Rücken um nach Deutschland zu kommen, als noch 2011. Die Zuwanderungszahlen sagen allerdings nichts darüber aus, wie lange die Menschen bleiben. So kehrten im vergangenen Jahr auch rund 712.000 Menschen Deutschland den Rücken, das waren fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 579.000 von ihnen hatten keinen deutschen Pass. Aus den Zu- und Fortzügen ergibt sich für das Jahr 2012 ein Einwohnergewinn von 369.000 Menschen, dies ist der höchste Wert seit 1995. Quelle: dpa
Auch aus den krisengebeutelten Ländern Portugal und Griechenland kommen immer mehr Menschen ins vergleichsweise wohlsituierte Deutschland. Aus beiden Ländern sind die Einwandererzahlen im vergangenen Jahr um 43 Prozent gestiegen. Quelle: dpa
Auch die Zahl der Spanier, die nach Deutschland auswanderten, ist 2012 um 45 Prozent angestiegen. Somit gab es im vergangenen Jahr besonders starke Zuwächse aus den südeuropäischen EU-Krisenstaaten. Drei Viertel der Ausländer, die nach Deutschland kamen, zog es in fünf Bundesländer: Das Gros ging nach Bayern (192.000), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (186.000), Baden-Württemberg (171.000), Hessen (90.000) und Niedersachsen (89.000). Quelle: dpa
Aus den osteuropäischen Ländern, die erst seit 2004 oder 2007 zur EU gehören, kamen ebenfalls mehr Menschen nach Deutschland als im Vorjahr. Besonders stark war der prozentuale Zuwachs aus Slowenien (62 Prozent). Quelle: dapd
Allerdings kamen die meisten Zuwanderer weder aus Slowenien noch aus Südeuropa. Mit 59.000 Einwanderern stellte Bulgarien die drittgrößte Gruppe. Quelle: dpa
Seit dem 1. Januar 2007 ist Rumänien ein Mitglied der EU. Die Einwohner des Landes nutzen die europaweite Freizügigkeit: 2012 kamen 116.000 Rumänen nach Deutschland. Damit machen sie die zweitgrößte Einwanderungsgruppe aus. Quelle: dpa

Die CSU hat mit markigen Worten gegen Zuwanderer aus Südosteuropa eine hitzige Debatte ausgelöst. Jetzt bemühen sich Politiker und Experten darum, das Thema ohne bleibenden Schaden wieder einzufangen.

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly (SPD) warnte davor, das Problem als Massenphänomen zu dramatisieren. "Wir haben es nicht mit einer flächendeckenden Herausforderung zu tun. Die Schwierigkeiten konzentrieren sich auf etwa ein Dutzend große Städte", sagte der Oberbürgermeister von Nürnberg der "Passauer Neuen Presse". Und dort "ballen sich soziale Probleme in einigen wenigen Stadtteilen".

In der aktuellen Debatte werde "der fatale Eindruck erweckt, dass alle Bulgaren und Rumänen, die jetzt zu uns kommen, Armutszuwanderer sind und viele von ihnen auch Sozialbetrüger", kritisierte Maly.

Wo Fachkräfte fehlen

Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht "derzeit nur punktuell Anzeichen für eine Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien" und blickt optimistisch in die Zukunft. "Wir rechnen damit, dass unter den Neuzuwanderern jeder zweite eine gute Ausbildung mitbringt", sagte BA-Vorstand Heinrich Alt der "Rheinischen Post".

Seit dem 1. Januar gilt für Bürger der beiden Staaten die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Das heißt, sie brauchen keine Arbeitserlaubnis mehr, um sich in Deutschland niederzulassen. Die CSU warnt davor, dass verstärkt gering qualifizierte Migranten kommen, die nach Einschätzung der Partei in Deutschland vor allem Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Partei will ihnen den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren.

Experten halten es für ungerechtfertigt, pauschal von Armutszuwanderung aus den beiden Ländern zu sprechen. Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren zur Jahresmitte 2013 nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Bulgaren und Rumänen. Obwohl die Zuwanderer aus diesen Ländern im Schnitt geringer qualifiziert sind, lag die Arbeitslosenquote für beide Nationalitäten Mitte 2013 unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung und deutlich unter der anderer Migrantengruppen.

"Rumänien wird zum Einfallstor in die EU"

Die beliebtesten Städte Europas
Plätze 78 und 79: AthenTiefer geht's nicht: Die griechische Hauptstadt (Platz 79) samt Athener Umland (Platz 78) ist bei ihren Bewohnern so unbeliebt wie keine andere Stadt im europaweiten Test. Mit erschreckender Deutlichkeit verliert Athen gleich mehrere Disziplinen. Beinahe die Hälfte der Athener gibt an, mit ihrem Leben in der Stadt überhaupt nicht zufrieden zu sein. Außerdem beklagen sie zum Dreck und Lärm in der Stadt und kritisieren die Bürokratie sowie Gesundheitseinrichtungen. Auch im Vergleich der europäischen Hauptstädte schneidet Athen damit am schlechtesten ab.Quelle: „Quality of life in cities. Perception survey in 79 European cities“ Studie im Auftrag der Europäischen Union 2013 Quelle: dpa
Platz 77: NeapelAuf dem drittletzten Platz des EU-Gesamtrankings liegt die italienische Stadt Neapel. Die Stadt kämpft ständig gegen den Müll. Wegen Streiks wird er manchmal wochenlang nicht abgeholt. Vor einiger Zeit war das Müllproblem so immens (s. Foto), dass Teile des Abfalls sogar nach Deutschland gebracht werden mussten, um entsorgt zu werden. Die Stadt, in der die Pizza erfunden worden sein soll, lockt zahlreiche Touristen an. Die Einwohner sind trotzdem unzufrieden. Quelle: dpa
Platz 76: Palermo Die Stadt auf der italienischen Insel Sizilien ist derzeit beinahe täglich in den Medien – und die Unzufriedenheit der Bewohner hat dabei sicher auch etwas mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik zu tun. Doch auch andere Dinge missfallen den Einwohnern: Nur ein Prozent der Befragten findet etwa, es sei einfach einen Job in ihrer Heimatstadt zu bekommen. Damit ist die italienische Stadt in dieser Kategorie das traurige Schlusslicht – Oslo führt diese Liste mit 70 Prozent an. Quelle: REUTERS
Platz 75: MiskolcVielen Westeuropäern dürfte Miskolc im Nordosten Ungarns wohl kein Begriff sein. Und wenn es nach den Einwohnern der Industriestadt geht, kann das auch so bleiben: Sie gaben ihrer Heimatstadt fast durchweg schlechte Noten. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 74: MarseilleTrotz des traumhaften Wetters und der herrlichen Kulisse: 25 Prozent der Befragten fühlen sich in der südfranzösischen Großstadt unwohl. Vor allem die sozialen Brennpunkte in Marseille sorgen für eine negative Gesamtstimmung. Die Befragten geben zum Beispiel an, dass Ausländer nicht gut in ihrer Stadt integriert seien. Quelle: dpa
Platz 73: Istanbul68 Prozent der Menschen bedauern die Lautstärke in Istanbul. Nur Bukarest ist lauter. Gerade einmal die Hälfte der Einwohner fühlt sich in der türkischen Stadt sicher. Quelle: REUTERS
Platz 72: Ostrava93 Prozent der Menschen im tschechischen Ostrava bewerten die Luftqualität als sehr schlecht. Auch das ist ein Grund für die mangelhafte Bewertung in der Beliebtheitsskala. Die Gewalt – etwa bei Ausschreitungen zwischen Neonazis und der Polizei Ende September (s. Bild) – spielt dabei auch eine Rolle. Quelle: dpa

Der Regensburger Sozialrechtsexperte Thorsten Kingreen kritisierte die aktuelle Debatte als "politisch gezüchtet, um vor der Europawahl gezielt das europakritische Publikum anzusprechen". "Das Ganze erinnert irgendwie an die Mautdebatte: Es wird so getan als könnte man eine komplexe Sachfrage nach bayerischem Landrecht lösen", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Derweil meldet die "Welt", dass Rumänien massenhaft Bewohner seiner Nachbarrepublik Moldau einbürgert – gegen Gebühr. Die Bürger Moldaus können sich so einen Freifahrschein für die EU mit sämtlichen Vorteilen, die Arbeitserlaubnis und Reisefreizügigkeit erwerben.

"In Chișinău, der Hauptstadt Moldaus, besorgen Händler die nötigen Unterlagen und Siegel. Für ihre guten Kontakte zu rumänischen Beamten muss man allerdings das Portemonnaie öffnen", berichtet die Zeitung.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der den schwarz-roten Koalitionsvertrag in Berlin mitverhandelt hatte, warnte mit Blick auf Rumänien in der "Welt": "In den Koalitionsverhandlungen war für beide Seiten klar, dass die EU-Freizügigkeit nicht zu einem windigen Geschäftsmodell werden darf."

Die Deutschen würden von der neuen Bundesregierung "klare Regeln und Kontrollen" erwarten. "Es ist Aufgabe der EU, junge Mitgliedstaaten wie Rumänien beim Aufbau einer korrekten und rechtsstaatlichen Verwaltung zu unterstützen", betonte Ulbig. Er glaubt, dass die generelle Akzeptanz der EU durch Nachlässigkeiten in Sicherheitsfragen gefährdet würde.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%