Arroganz und Ausfälle Der arrogante Kommunikationsstil des Kanzlers schadet der Demokratie

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Quelle: dpa

Der Kanzler gilt als kluger Stratege, so hat er es fast wider Erwarten ins höchste Regierungsamt geschafft. Nun aber zeigen sich erneut große Lücken – in seinem Menschenverstand wie im Verständnis für Menschen. Wer sich so schlecht verständlich macht, bekommt in der Energiekrise im Winter ein Problem. Ein Kommentar.

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War der Regierungssprecher schuld? Nein, natürlich hätte sich Olaf Scholz drüber wegsetzen sollen und müssen, als die Pressekonferenz nach dem rhetorischen Exzess von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im Kanzleramt schon abmoderiert war. Es gab sogar noch einen Handschlag zwischen Scholz und Abbas nach dessen Holocaust-Äußerungen.

Oder kann sich Scholz wirklich nicht erinnern, wie er sich als Erster Bürgermeister Hamburgs Gespräche mit Gesellschaftern der wichtigsten Bank seiner Stadt geführt hat? Darum wird es am Freitag für Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss gehen. Der Vorwurf: Die Warburg-Bank soll sich im Cum-Ex-Skandal und im Kontakt mit der Hamburger Regierung Steuerrückzahlungen in Millionenhöhe erspart haben. Seine schmallippigen Antworten haben Scholz schon Glaubwürdigkeit gekostet.

Oder meint der Kanzler wirklich, dass es zum Beispiel angemessen ist, beim G7-Gipfel in Elmau die  Frage einer Journalistin nach vereinbarten Sicherheitsgarantien für die Ukraine abzubügeln? Scholz grinste damals: Ja, er könnte wohl antworten – tat es dann aber nicht.

Das Problem am Kommunikationsstil des Kanzlers ist, dass er wenig Wert auf Kommunikation legt. Er fühlt sich seinem Gegenüber oft sehr offensichtlich überlegen und schweigt offensiv. Verständnis oder Verständigung sind nicht die Tugenden, die Olaf Scholz pflegt. Das ist immer schon arrogant gewesen, inzwischen ist es längst ein grober strategischer Fehler.

Jede Führung, zumal in Demokratien, ist nur so gut, wie sie sich verständlich machen kann. Überzeugt werden die Menschen mit Argumenten, mit dem Willen, auch komplizierte Zusammenhänge zu erklären, und mit dem Verständnis für ihre Lage.

In der Bundesregierung sind hier Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die beiden entgegengesetzten Pole. Hier der Erklärbär Habeck, der Energiekrise, galoppierende Preise, Ungewissheit beim Wirtschaften und Wohnen immer in Zusammenhang zu bringen versucht. Der Kurzvideos aufnimmt, die Wählerinnen und Nicht-Wähler direkt anspricht. Dort der Kanzler, der andere oft spüren lässt, dass er geschliffene Argumente hat, sich aber selbst für geschliffener hält. Der Wähler und Nicht-Wählerinnen mit verlesenen Kanzler-Krisen-Statements eher nicht erreicht. Kurz genug wären diese, zuletzt am Mittwoch zur Gaskrise waren es eine Minute 45 Sekunden.

Aber Scholz spricht niemanden wirklich an. Nicht umsonst hieß er mal Scholzomat, konnte er im Wettbewerb um den SPD-Vorsitz nicht mal das Herz seiner Partei für sich gewinnen.

Daran ist kein Regierungssprecher schuld, der sicher auch den Job des Bodyguards für Scholz hat. Davor kann ihn sein eingeschworener Kreis an Mitarbeiterinnen und vor allem Mitarbeitern nicht endlos bewahren. Diese Schwäche Scholz‘, die Geringschätzung des menschlichen Umgangs, wird ihm immer mehr zum Problem, wie auch sein Unwille, sich zu erklären.

Sein Verhalten als Hamburgs Erster Bürgermeister gegenüber einem großen Steuerbetrug steht in Frage. Er ist nicht wirklich glaubwürdig und versucht auch gar nicht, es zu sein. Er versucht einfach jegliche Antworten zu vermeiden. Sollte durch die Medien oder durch Ermittlungen von Staatsanwaltschaften etwas herauskommen, wo bisher noch viele Fragezeichen stehen, wird es eng.

Sein Unwille, sich der Bevölkerung verständlich zu machen und zuzuhören, wird aber wohl vor allem im Winter gefährlich, wenn die Ampelkoalition mitten in der Energiekrise stecken wird. Wenn die Inflation das Leben so vieler ungemütlich bis unbezahlbar macht. Wenn vielleicht Proteste losbrechen gegen diese wirtschaftlichen Schocks. Dann ist der Kanzler blank. Dann reicht der gern wiederholte Scholz-Satz „You’ll Never Walk Alone“ nicht mehr.

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