Asyl Flüchtlingsamt bestellt Zehntausende zur Befragung ein

Nach einer Gesetzesänderung befragt das Bamf anerkannte Asylbewerber systematisch. Doch wer genau vorsprechen muss, entscheidet die Behörde selbst.

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Die Behörde befragt Asylbewerber aus Syrien und Eritrea, die vorher ohne detaillierte Prüfung Schutz gewährt bekommen haben. Quelle: dpa

Die Zahl der Ausländer, die ihre Anerkennung als Flüchtling in Deutschland wieder verlieren, ist sehr niedrig. Sie hat sich jedoch, seitdem Flüchtlinge zur Mitwirkung bei der Überprüfung ihres Schutzstatus verpflichtet sind, mehr als verdoppelt. Die Quote der Fälle, in denen der Schutz widerrufen oder zurückgenommen wurde, lag laut Bundesinnenministerium in den ersten zehn Monaten dieses Jahres bei 2,8 Prozent – nach 1,2 Prozent im Gesamtjahr 2018.

Seit der Einführung der Mitwirkungspflicht am 12. Dezember 2018 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Zehntausende anerkannte Flüchtlinge zur persönlichen Befragung einbestellt. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundesinnenministerium erfuhr, verschickte das Bamf allein im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 49.100 Ladungen zu einer Befragung.

Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt 28.222 Flüchtlinge befragt. Da Ladung und Befragung mit zeitlichem Abstand erfolgen, lässt sich daran nicht ablesen, wie viele Ausländer gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen haben. Ende Oktober war die Zahl der Ladungen auf der Grundlage des neuen Gesetzes bereits auf über 91.000 gestiegen. Wie häufig Flüchtlinge der Aufforderung nicht nachkamen, wird im Bamf nach Angaben des Ministeriums statistisch nicht erfasst.

Ausschlaggebend ist bei der sogenannten Widerrufsprüfung vor allem die Entwicklung im Herkunftsland. Die automatische Überprüfung soll aber auch dazu dienen, herauszufinden, ob womöglich Hinweise auf falsche Angaben zur Identität aufgetaucht sind. Da die sogenannte Regelüberprüfung jetzt bei Hunderttausenden von Migranten ansteht, die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen waren, wurde die Frist für diese Prüfung vorübergehend von drei auf bis zu fünf Jahre verlängert.

Flüchtlinge, die zu dem Behördentermin für die Überprüfung ihrer Fluchtgründe und Identität nicht erscheinen, hatten dafür früher keine Sanktionen zu befürchten. Wer heute ohne triftigen Grund fehlt, hat dadurch Nachteile. Das Bamf entscheidet dann nach Aktenlage. Außerdem kann ein Zwangsgeld verhängt werden. Allerdings werden nicht alle Flüchtlinge zur Befragung einbestellt.

Die Bundesregierung teilte auf eine Frage von FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae mit, regelmäßig erfolge die Ladung zur Befragung in den Fällen, in denen das Bundesamt ohne eine Anhörung Schutz zuerkannt hatte. Dieses sogenannte Fragebogenverfahren sei grundsätzlich ab November 2014 genutzt worden – und zwar für Menschen aus Eritrea, Syrien und Angehörige religiöser Minderheiten aus dem Nordirak, die bis Ende 2015 eingereist waren.

Ansonsten werde in jedem Einzelfall entschieden, wer zur Befragung erscheinen müsse und wer nicht. Thomae findet das unbefriedigend. Er forderte, das Innenministerium solle klare Vorgaben machen, wie im Einzelfall zu verfahren ist. Das sei notwendig, um einer „gefühlsgeleiteten Politik Einhalt zu gebieten“. Andernfalls könne der Eindruck entstehen, dass die Bamf-Mitarbeiter „quasi kontrollfrei im eigenen Ermessen über Sanktionen entscheiden können“.

EU-Asylreform könnte Erleichterung bringen

Das Bundesinnenministerium zeigt sich unterdessen zuversichtlich darüber, dass die stockende EU-Asylreform in den kommenden beiden Jahren gelingen kann. „Ich halte das für sehr realistisch“, sagte Staatssekretär Helmut Teichmann der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob das schlecht funktionierende Dublin-System in den kommenden zwei Jahren abgelöst werden könne.

Nach den Dublin-Regeln ist normalerweise jener EU-Staat für Asylanträge zuständig, auf dessen Boden Schutzsuchende zuerst den Boden der Europäischen Union betreten haben. Auch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein haben sich dem System angeschlossen. In der Praxis funktioniert das allerdings kaum, weil nur ein geringer Teil der Migranten, die unerlaubt in andere europäische Länder weiterreisen, in ihr Ankunftsland zurückgebracht werden kann.

„Wir haben zwei Jahre diskutiert und haben keine Ergebnisse“, sagte Teichmann. Jetzt sei ein gemeinsamer Wille der EU-Staaten zum Neuanfang zu spüren. Er verwies darauf, dass mit Ursula von der Leyen künftig eine Deutsche an der Spitze der EU-Kommission steht und darauf, dass die Bundesrepublik im zweiten Halbjahr 2020 die rotierende EU-Ratspräsidentschaft hat. „Es sind viele glückliche Faktoren, die mich hoffnungsvoll machen, dass es gelingen kann.“

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